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Internationale 
gammter-gei 
Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde, 
Herausgeber: Norbert Ehrlich. 
11. Jahrgang. Wien, 1. März 1919. Nr. 5. 
Wappen und Farben von Deutschösterreicli. 
Von kaiserlichem Rat Ernst Krahl, Maler und Heraldiker (Wien). 
In den Tagesblättern war zu lesen, daß die Re 
gierung beschlossen habe, ein neues Staatswappen 
einzuführen, mit dessen Durchführung die Akademie 
der bildenden Künste in Wien betraut wurde. Auch 
die Beschreibung dieses anscheinend schon feststehenden 
Wappens wurde mehrfach publiziert, das Wappen 
selbst ist freilich bisher von niemandem noch ge 
sehen worden. 
Auf Grund der Beschreibung erscheint es angezeigt, 
diese Wappenfrage ein wenig fachmännisch zu be 
leuchten und zu erwägen, ob das in der angegebenen 
Zusammenstellung cinzuführende Wappen „als Staats 
wappen“ auch wirklich Berechtigung hat. 
Ich möchte diese Frage schlankweg verneinen. 
Ein Wappen, das zw r ei Türme auf einem Felsen mit 
Hammer. Kornähren usw. enthält, entspricht 
nicht der Würde eines Staates und kann höchstens 
als Stadt-, Orts- oder Gewerkschaftswappen Ver 
wendung finden, wie es denn auch vielfach der Fall 
ist. Ein Staat sollte ein möglichst alleinstehendes, 
charakteristisches, auf hist®rischer Basis beruhendes 
Emblem besitzen. 
Es entsteht naturgemäß die Frage: Was für ein 
Wappen soll dann der deutschösterreichische Staat 
annehmen ? Die nächstliegende Antwort wäre: das 
Babenbergerschild; ich gehe aber weiter und sage 
den Doppeladler. Diese Antwort wird bei manchen 
Entsetzen hervorrufen, vielleicht erscheint sie aber 
in einem milderen Lichte, wenn man hört, was ich dafür 
ins Treffen zu führen habe. 
Geht man lediglich vom politischen Standpunkte 
aus, daß mit der Änderung der Verfassung des alten 
Staates auch dessen Abzeichen, insbesondere die 
kaiserlichen und dynastischenEmblemewegfallen müssen, 
so erscheint es fast selbstverständlich, daß auch unser 
altehrwürdiger Adler in der Versenkung verschwinden 
muß. 
Vom historischen Standpunkte aus müßte man 
aber den Adler behalten, ist er doch ebenso deutsch 
wie österreichisch und wurde zum österreichischen 
Dynastiewappen nur durch die ihm aufgelegten 
Wappen Habsburg, Österreich und Lothringen ge 
stempelt. Ursprünglich war dieser Adler nichts anderes 
als das Zeichen des römischen Imperiums, das von 
den Legionen als Heereszeichen vorangetragen wurde. 
Von den Römern übernahmen ihn die ersten deutschen 
Könige aus dem Stamme der Karolinger, 
Der schwärze Adler im goldenen Felde war ein- 
köpfig, ungekrönt und ohne Brustschild. In dieser 
Darstellung befindet er sich auf einem in der Schatz 
kammer ruhenden Schwert Otto IV. Rudolf von 
Habsburg gab ihm den roten, blaubewaffneten Löwen, 
obwohl auch zahllose Siegel der damaligen Zeit ganz 
ohne Brustschild oder nur mit dem Babenbergerschild 
existieren. Kaiser Sigismund fügte den zweiten Kopf 
und Franz von Lothringen das Lothringerwappen 
dem Brustschild des Adlers hinzu. Anläßlich der Auf 
lösung des heiligen römischen Reiches deutscher Nation 
im Jahre 1806 wurde dieser, durch Jahrhunderte als 
„deutscher“ geführte Adler ohne Zeremonie über 
nommen und als „österreichischer“ Adler weiter 
geführt. 
Nimmt man nun diesem Adler die kaiserlichen 
Insignien, als Kaiserkrone, Szepter und Reichsapfel, 
ferner die, die Dynastie Habsburg und Lothringen 
versinnbildlichenden Wappen, läßt ihm dagegen das 
österreichische (Babenberger) Wappen, so haben wir 
in diesem einst deutschen, später aber als österreichisch 
angenommenen Adler ein Symbol für den deutsch- 
österreichischen Staat, wie wir es nicht besser haben 
können. Dabei bleiben wir der Geschichte des Landes 
treu, so wie es auch Ungarn, Böhmen, Polen, Hamburg, 
Lübeck und Bremen tun werden. Es wird, glaube ich, 
auch den Tschechen nicht einfallen, ihren alten, doppelt 
geschwänzten Löw r en aufzugeben. 
Wohl gäbe es für die Schaffung eines neuen Staats 
wappens noch eine zweite Lösung, das wäre, alle jene 
Länderwappen, die in den Verband des neuen Staates 
aufgenommen werden sollen, in einem Schilde vereint 
um das Babenbergerwappen zu gruppieren, sei es daß 
man diese Wappen mit in den Brustschild des Adlers, 
oder, wie schon erwähnt, in einen alleinstehenden 
Schild aufnimmt. Ich stehe jedoch auf den Standpunkt, 
daß das einzig richtige Emblem für Deutschösterreich 
der Doppeladler mit dem Babenbergerschild, für die 
einzelnen zum Staate gehörigen Länder ihr bisheriges 
Landeswappen ohne Krone, eventuell ebenfalls in Ver 
bindung mit dem Babenbergerschild ist. Ich setze 
natürlich dabei voraus, daß die jahrhundertalte Ver 
bindung Niederösterreichs mit Obei Österreich, Salz 
burg, Tirol und Steiermark nicht gelöst wird, daß die 
Provinzen ihre alte Gestaltung und Benennung bei 
behalten und nur eben die Regierungsform, die Ver 
fassung ändern.
	        
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