limaiawsKW
VIEL GLÜCK ZUM NEUEN
□ JAHRE! □
LASSEN SIE UNS DIESES
ZUBRINGEN, WIE WIR
DIE VORIGEN GEENDET
HABEN, MIT WECHSEL
SEITIGER TEILNAHME
AN DEM, WAS WIR LIE-
□ BEN UND TREIBEN. □
WENN SICH DIE GLEICH
GESINNTEN NICHT ER
FASSEN, WAS SOLL
AUS DER GESELLSCHAFT
UND DER GESELLIGKEIT
□ WERDEN. □
DD (GOETHE AN SCHILLER.) 0 0
DIE VOLKSWIRTSCHAFT DES
TALENTES.
(Fortsetzung aus den Heften 21 und 22, 23 und 24, 25 und 26,
Seite 353, bezw. 377, bezw. 401, Jahrg. I, und Heft 1, *, 3 «• 4,
Seite 2, bezw. 17, 33, 49, Jahrg. II.) Eine Familie, die
mehrere „studierte“ Kinder hat, schämt sich in der Regel des
Sohnes, der ein Handwerk erlernt hat. Dem Handwerk werden
die Söhne meistens nur dann zugeführt, wenn sie sich für alle
anderen Berufe als vollkommen untauglich erwiesen haben.
Der törichte Ehrgeiz der Eltern wird einigermaßen entschul
digt und gerechtfertigt durch den Bildungsdunkel der Klassen,
der die körperliche Arbeit geringschätzt und eine gewisse
Art von Kastengeist züchtet. ., , ,
Aber nebst der Züchtung der Standesvorurteile hat der ein
seitige Bildungsdünkel noch viel beklagenswertere Folgen
gehabt. Das ist vor allem der Verfall des Könnens. Die
Verachtung der manuellen Arbeit hat der Schönheit unserer
Erde und folglich unseres Lebens den schwersten ^baden
zugefügt. Es ist für das XIX. Jahrhundert bezeichnend daß
es künstlerisch von der Nachahmung früherer Zeitstile lebte,
weil es ihm an eigener formschöpferischer Kraft gebrach,
und daß es in seiner allgemeinen und persönlichen Kultur
tiefer steht als alle früheren Jahrhunderte. In allen formalen
Äußerungen unseres Lebens, von den elenden Mietskasernen
angefangen bis zum Unrat eines lächerlichen, auf bloßen
Schein berechneten Luxus, rächt sich der Mangel einer wahr
haft künstlerischen Weltanschauung, derzufolge die beseelte
Handarbeit, die den höchsten Einsatz des Könnens und der
Arbeitsfreude fordert, den richtigen und einzigen produktiven
Wert bildet und zugleich eine Vermehrung der Schonhei
des Weltantlitzes und der Daseinsfreuden bedeutet Die
Maschine als Helferin des Fortschritts ändert nichts an dieser
Tatsache, sie bestätigt sie vielmehr. Die beseelte Handarbeit
ist zugleich der stärkste wirtschaftliche Faktor, nicht so sehr
im Sinne der ziffernmäßigen Handelsstatistik, sondern viel
mehr eines gerecht verteilten Volkswohlstandes, der um so
größer ist, je mehr solche gediegene Handarbeit geschaffen
wird, so daß man von diesen Gütern gar nicht genug hervor
bringen kann. Heute liefert nur mehr Japan ein Beispiel
dafür, in der europäischen Entwicklung ist es die gotische
Kultur, die ein einheitliches wunderbares Bild einer auf aus
gebildeter Handwerklichkeit beruhenden Volkskunst und
Volkswirtschaft darbietet. Auf diesem Hintergrund mag die
Erinnerung verständlich sein, die sich im alten Nürnberg
heute noch an der Stätte befindet, wo einst ein Künstler,
ein Schuster und ein Weltumsegler gemeinsam den Abend
schoppen tranken und keinen andern Standesunterschie
kannten als den zwischen Könnern und Nichtkonnern.
Richard Wagners Mahnung: „Verachtet nicht den Meister
und ehrt mir seine Kunst“, ist von ewiger Gültigkeit. S>ie
ist am dringendsten in einer Zeit wie heute, da sich einer
seits für eine armselige Schreib erstelle oder einen kleinen
Beamtenposten Hunderte und Tausende von studierten oder
halbstudierten Menschen melden und anderseits ein durch-