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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIII (1968 / Heft 100)

kreisen befanden sich die großen Garten- 
besitzer, welche durch Einführung neuer 
und seltener Pflanzen den Impuls zur 
Anlage geschmackvoller Privatgärten und 
zum Ausbau der Gewächshäuser gaben 1. 
Der gelehrteste Fachmann unter den Aus- 
stellern war Karl Freiherr von Hügel, Welt- 
reisender, Botaniker, Hortologe und am 
Höhepunkt seines Lebens in hohe diplo- 
matische Dienste berufeni. Hügel war 
einer der engsten Freunde Metternichs 4 und 
versammelte wie dieser mit seinem Bruder 
Clemens Hügel eine Zahl von Künstlern um 
sich, wobei ihnen aber hauüg die außer- 
gewöhnliche Persönlichkeit ihrer Günst- 
linge allein mehr gezählt haben soll als 
deren wirkliche Begabung!) Hügel war 
es auch, der nach jener denkwürdigen 
Ausstellung im Jahre 1827, ermuntert von 
Erzherzog Anton, im Namen weiterer nam- 
hafter Gartenfreunde Metternich eine Denk- 
schrift zur Gründung einer Gartenbau- 
gesellschaft nach dem Muster der Horti- 
cultural Society in Londonö überreichte 
und ihn bat, diese dem Kaiser vorzulegen. 
Diese Denkschrift verlor sich allerdings 
vorderhand im damaligen komplizierten 
Geschäftsgange der amtlichen Gutachten 
und Empfehlungen. Metternich allein hatte 
eine rasche Entscheidung erwirken können, 
doch tat er dies erst, als er (1830) durch ein 
privates Ereignis tief in die Schuld seines 
Freundes Hügel geraten war: Karl Freiherr 
von Hügels Hochzeit mit einer jungen 
Dame aus einem der nobelsten Geschlech- 
ter Ungarns, der l9jährigen Gräfin Melanie 
Zichy-Ferraris, schien bereits festzustehen, 
als ein Rivale auftauchte, den er sich sicher 
nie erwartet hatte - sein eigener Freund 
und Gönner, der 59jährige Metternich, der 
vor kurzem seine zweite Gattin, Gräfin 
von Beilstein, verloren hatte. Metternich 
heiratete Melanie Zichy-Ferraris am 30. Jän- 
ner 1831 7. Hügel hatte schon im Jahre zuvor 
tief enttäuscht Wien verlassen und sich 
nach einem Zwischenaufenthalt in England 
in Toulon nach Griechenland eingeschil-Tt. 
Sein allen Abenteuern oHener Forschermut 
führte ihn unter schwierigsten Bedingungen 
auf eine großartige wissenschaftliche Reise 
über Indien und Ostasien bis nach Austra- 
lien. Bis zu seiner Rückkunft vergingen 
sechs Jahreß. 
Metternich hatte sich noch vor seiner Hoch- 
zeit wieder um die 1827 eingereichte Ge- 
nehmigung zur Gründung einer Garten- 
baugesellschaft bemüht und deren Ge- 
nehmigung in der allerhöchsten Entschlie- 
ßung vom 20. Mai 1830 erwirkt. Am 
25. August desselben Jahres wurden die 
Statuten von den Proponenten unter der 
Führung des kurz nachher von Wien ab- 
reisenden Freiherrn von Hügel dem Kaiser 
unmittelbar überreicht. Die Genehmigung 
dieser Statuten allerdings erfolgte erst im 
Frühjahr 1832, als Hügel sich eben in 
Indien befand. Auf Anraten Erzherzog 
Antons wurde bis zu seiner Rückkunft 
nichts weiter in dieser Angelegenheit unter- 
ÜQYIIIIICH. 
DIE ERSTEN AUSSTELLUNGS- 
LOKALE IM KAISERGARTEN 
(1831-1858) UND IN DER R()SSAU 
(1858-1864) 
Die steigende Ausstellungstätigkeit, die nun 
mehr vom Bürgertum als vom Hochadel 
getragen war, hatte wohl in jährlicher 
Wiederholung weiterhin das Interesse an 
einer Vereinsgründung der Gartenfreunde 
nach außen hin bestätigt, doch fehlte in 
dieser Zeit vor allem die leitende Hand 
Hügels, den man als Initiator der Idee 
unbedingt an die Spitze des Vereines setzen 
wollte. Der erste Schritt Hügels nach 
seiner Rückkehr in den ersten jännertagen 
1837 war, die Gesellschaft unter seincm 
vorläufigen Präsidium endgültig zu kon- 
stituieren. Kurz darauf erfolgte auch die 
allerhöchste Bewilligung, einen Teil des 
sogenannten Kaisetgartens auf der Land- 
straße9 samt den darin befindlichen Glas- 
häusern zur einen Hälfte der n.ö. Land- 
wirtschafts-Gesellschaft, zur anderen Hälfte 
der Gartenbaugesellschaft zu überlassen. 
Ebenso erhielt die Gartenbaugesellschaft 
zugleich die Berechtigung, den Titel einer 
kaiserlich königlichen Gesellschaft zu füh- 
ren. Metternich erklärte sich bereit, die 
Stelle eines Protektors der Gesellschaft zu 
übernehmen. 
Im Jahre 1842 fand eine umfassende Adap- 
tierung und ein teilweiser Neubau der 
großen Gewächshäuser im Kaisergarten für 
die jeweiligen Ausstellungen statt, deren 
Durchführung dem damals hauptsächlich 
von den Mitgliedern der Gartenbaugesell- 
schaft mit Aufträgen bedachten jungen 
Architekten Johann Romano zufiel 10. 
Das Jahr 1848 beraubte mit seinen poli- 
tischen Ereignissen die Gesellschaft nicht 
nur ihres Protektors, sondern vor allem 
auch ihres Präsidenten Freiherrn von Hügel, 
der sieh, nachdem er Metternich bei seiner 
Flucht aus Wien hilfreich zur Seite ge- 
standen war 11, ruhmvoll als Freiwilliger am 
italienischen Feldzuge 1848[49 beteiligte 
und nach seiner Rückkehr nicht wieder an 
die Spitze der Gesellschaft treten konnte, 
da er inzwischen zum k. k. Gesandten 
am großherzoglich toskanischcn Hofe in 
Florenz ernannt worden war und sich 
genötigt sah, seine Villa und seine groß- 
artigen Gärten in Hietzing aufzugebenlz. 
Nach den Wirren von 1848 schien daher 
die Gesellschaft rettungslos ihrer Auf- 
lösung nahe. Garten und Gewächshäuser 
in der Haltergasse verwahrlosten, General- 
versammlungen fanden keine mehr statt. 
1853 gelang es dem Vizepräsidenten und 
späteren Nachfolger Hügels, Dr. Fenzl, 
sowie dem damaligen Präsidenten Graf 
von Beroldingen, wieder eine General- 
Versammlung einzuberufen. Erst im jahre 
1856 folgte dieser Versammlung eine 
zweite. Doch sollte die nun langsam wieder- 
erwachende Gartenbaugesellschaft alsbald 
einen neuerlichen Rückschlag erleben. Mit 
hohem Erlaß des k. k. Oberstkärnmerer- 
amtes vorn 29. November 1858 nämlich 
wurde die leihweise Überlassung des Kaiser- 
gartens in der Haltergasse gekündigt, um 
 
3 
Karl 11mm" von Hügel. 1805-1370 (Erstmals ver- 
ötfenllicht). Von Hügel existieren eine 1mm wziteru 
Ponräu, darunter eines von Daffmgcr, die schon wieder- 
hol: verölfentlicht wurden 
ANMERKUNGEN i, 1712 
w Bisher erschienen folgende geschichtliche Darstellungen 
des Wirkens der Gartenbaugesellschaft: 
"Darstellung des Entstehens und Wirkens der kais. kön. 
csrrenissn-cesenseiisn in Wien". 0. Autor, Wien 11:64; 
P. c. Sehimhnfer, Die k. k. Gartenbau-Gcsellschaft in 
Wien und inre Leistungen in den Jahren 1864 bis 1x77. 
Wien um; 
Alfred Burgcrstein, Die k. k. Gartenbau-Gesellschaft in 
Wien 11131-1901. Wien 1907; __ 
Festschrift anlaßlich des 125jährigen Bestandes der osren 
reieiiisenen Garlenbau-Gcsellschaft (verr. v. Anton Eipel- 
dauer und Alfred Passecker), Wien 1962; 
alle diese basieren auf den gedruckten Protokollen der 
jahresvcrsammlungen, den „Verhandlungen der k. k. Gar- 
tenbau-Gesellsrhzift in Wien", die in unterschiedlichen 
Abständen erschienen. 
1 "Darstellung . . . uswf". a. n. 0., s.11r. 
1 lm Jahre man gab es in und um Wien außer den großen 
Gcwilchshiusem in den kaiserlichen Hofgarten kaum 
eines von Bedeutung, während man nach 1820 nahelu 
20W! größere und kleinere Gewächshäuser in einem 
mäßigen Umkreis vnn Wien zählen konnte. 
1 Mehrere Biographien uber Hügel erschienen gesammelt 
in: Anatolc von Hugel, „Charles von Hügel, April E, 
1795 - junc 2, 1870", Cambridge 1905. 
4 S. n. und: Klinkowström, Mettemichs nachgelassene 
Papiere, Wien 1888, Bde. Vl. Vll. 
ß „Hügel und die damaligen Kreise des Staatskanzlers waren 
ganz im lrrtum über die isolierte Stellung, in der sie 
sich befanden. Sie unterschätzren, wie ihre Wiener 
Epigonen in unseren Tagen, vollsrändig die Macht des 
Bürgerthums und der deußchen (Zivilisation. Eul- 
narinnalisiertc Condottiercs einer im Untergauge be- 
grilfeneu Welt. haben sie einzelne Künstler und Gelehrte 
wohl benutzt, die besten in der Regel aber ignoricrr. 
Diese standen gegen die Merrernieirsenen Kreise schon 
in voller Opposition." Dies war die Ansicht Eirelhergers 
(Gesammelte Kunslhist. Schriften, LBand, Wien 1879, 
S. 165). 
ß (iegrlindet 1305. 
„Carl Freiherr von Hügel", in: Alfred von Rcumont, 
uidgrnpnisene Denkblätter, Leipzig 1873. 
l Das heimgebrachte Material umfaßte 32.000 Nummeni 
narurhisrorischer Objekte, 1249 Münzen, 928 ethno- 
graphische Gegcnsrände, darunter es Idole und Tempel- 
gerätschaften aus Silber, Bronze und Elfenbein, 40 musi- 
kalische Instrumente, viele Schmuckgegenstäilde, ferner 
Zahlreiche seltene Handschriften und 12.0(X) eigene 
Norizhlärrcr. Die Sammlung ging später in den Besitz 
des narurhistorischen und kunsthistorischcn Hofmuseums 
und der Hofbibliorhek über. Seine wichtigsten Werke: 
Kaschmir und das Reich der Siek. 4 Bde, 184041844; 
Das Kaliulhccken und die Gebirge zwischen dem Hindu- 
Knsch und der Surlej, 1850; Der Stille Ocean und die 
Spanischen Besitzungen im Osrindischen Archipel, 1860. 
V ln der l-lalrergassc, ConscwNr. 256. 
w C b. 1317, gest. 19122, wichtigster Wohnbauarchirekt der 
Wiener Ringstraße im Verein mit seinem Kompagnon 
August Schwendenwein 118174385). Romano erbaute 
in den vierziger Jsnren die viuen von Metternich und 
Hügel (erstere am Rennweg, letztere in Hietzing). 
ll Er selbst kutsehicrte Metternich aufseinem eigenen Wagen 
aus Wien. Eine genaue Schilderung Linder sich in den 
urieren Karl von i-ingeis an seine Gattin Elizaheth (geb. 
Farquharsun), verÖKcntlicht von seinem Sohn Friedrich 
von Hügel in „The National Review", London, Juni 1883. 
11 Karl von Hügel, „Der Stille Occan", Vorwort (Florenz, 
4. Nnvcnibcr 1x59). 
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