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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIII (1968 / Heft 100)

 
Peter Baum 
HUNDERTWASSER 
IN SELBSTZEUGNISSEN 
Anmerkungen zu einem Kapitel neuer österreichi- 
scher Kunstgeschichte 
Friedrich Hundertwasser in Form eines kürzeren 
Aufsatzes gerecht zu werden, ist angesichts der 
Fülle des vorliegenden Materials so gut wie un- 
möglich. Die außergewöhnliche, in Etappen 
geradezu abenteuerliche Biographie. Hundert- 
wassers an Risken reiche und nicht zuletzt deshalb 
so erfolgreiche Karriere, die von ihm geschickt 
inszenierten Skandale und Extravaganzen. kurz- 
um all das, was diesen innerhalb der österreichi- 
schen Nachkriegskunst dominierenden Maler aus- 
macht, lassen ein komprimiertes literarisches Ela- 
borat mit Verbindlichkeit kaum zu. Die Aspekte 
in und um den neben Oskar Kokoschka best- 
bezahiten lebenden österreichischen Maler sind 
trotz der denkbar engen Verbindung und Ver- 
schmelzung von Kunst und Leben, die der 1928 
in Wien als Friedrich Stowasser geborene Einzel- 
gänger praktiziert, derart widerspruchsvoil und 
von peripherem Begleitwerk überlastet, daß sie 
einer Zusammenfassung, so man ihr nicht zu 
große Willkür gestattet, entgegenstehen. 
Von berutener Seite ist aus der Sicht persönlicher 
Bekanntschaft und genauer Werkskenntnis schon 
Hinreichendes gesagt worden, desgleichen von 
seiten der Kritik, die hierzulande freilich nur in 
Einzelfällen, unter Ausklammerung dessen, was 
besser in den Tratschspalten der Gazetten auf- 
gehoben ist, sachlich und varurteilslos zum (Euvre 
Stellung nimmt. So bescheinigt zum Beispiel Otto 
Breicha dem narzißhaften Weltenbummler und 
phantasiebegabten Weltenmaler sein ..Rebellieren 
gegen den gängigen Zeitgeist und ein Eintreten 
für das, was den Menschen erst menschlich macht" 
(Protokolle 68). Breicha spricht aber auch in 
derselben Abhandlung voneinem "grundsätzlichen, 
instinktiven, aber alsbald in ein System gebra h 
ten Opponieren gegen eine entpersönlichte Zi 
sationsroutine", das Hundertwasser seit rund ein- 
einhalb Jahrzehnten konsequent betreibt. 
Nicht weniger Charakteristisches schrieb Wieland 
Schmied, der aus Österreich abgewanderte Direk- 
tor der Kestner-Gesellschaft Hannover, über den 
durch seinen jüngsten Wiener Auskleideskandal 
und Architekturprotest (.,Los von L0os") mehr 
denn je im Gespräch befindlichen und umstrittenen 
Künstler: „Hundertwasser ist ein Außenseiter. 
eine singuläre Erscheinung. keine Kunstakademie 
hat ihn lange halten können, weder als Lernenden 
noch als Lehrenden. Er hat sich seine eigene kind- 
hafte Welt bewahrt. aber in der Handhabung 
seiner künstlerischen Mittel steht er auf der Höhe 
der Zeit: auch aus Stilrtchtungen, die er ganz 
und gar ablehnt. wie dem Tachismus, vermachte 
er Anregungen zu gewinnen. Wie der Zöllner 
Rousseau wußte er die Naivität des Herzens mit 
dem äußersten Raftinement künstlerischen Aus- 
drucks zu verbinden. So blieb er naiv, wo andere 
abgebrüht sind. und wurde raffiniert, wo andere 
simpel bleiben," 
In einem dicken Wälzer ließe sich zusammen- 
fassen, was bisher - meistens jedoch bei weitem 
nicht so treffend wie im Zitierten - über Hundert- 
wasser gesagt und geschrieben wurde. Ähnlich 
viele Deutungen wie seiner Person gelten auch 
seiner nur schwer etikettierbdren Malerei. die ver- 
schiedentlich in Zusammenhang mit naiver Kunst 
und Kinderzeichnungen, mit der Tradition öster- 
reichischen Barocks, den „stilisierten Wellen und 
langen sensitiven Schwingungen des Jugendstils" 
(Wieland Schmied) sowie dem Werk eines Klimt 
und Schiele gebracht wird. 
Interessant und aufschlußreich sind nicht zuletzt 
aber auch die Mutmaßungen. die auf eine Er- 
klörung seiner erfolgreichen Karriere und der 
Popularität hinauslaufen. die Hundertwassers 
Bilder in überraschend breiten Publikumskreisen 
in- und außerhalb seines engeren Wirkungskreises 
genießt. Werner Hofmann zitiert hier Hundert- 
wassers "Entschluß, den europäischen Erfolg dort 
zu suchen. wo er nach harter Bewährung ver- 
geben wird. Er hat sich nicht bei den Futterkrippen 
der Kunstförderung angestellt, sondern ist nach 
Paris gegangen. Dort waren die ersten Jahre sehr 
mühsam. sie haben ihn gelehrt, auf eigenen Füßen 
zu stehen. ln Wien wäre es einfacher. aber auch 
langweiliger gewesen." 
Was Hofrnann im Katalog einer Hundertwasser- 
Ausstellung im Museum des 20. Jahrhunderts fest- 
stellte, trifft sicherlich zu, erklärt jedoch dieses 
Phänomen nicht zur Gänze. Ebenso wichtig er- 
scheint hier auch ein Ausspruch von Hundert- 
wasser selbst, der einmal wortwörtlich erklärte: 
.,lch glaube, ich bin ein Naturtalent für Propa- 
ganda. Die stärkste Wirkung erziele ich dann. 
wenn ich nichts dazu tue. sondern alles kommen 
lasse, wie es eben aus mir herauskommt." 
So wie dieses kurze und kaum bekannte Zitat (es 
wurde der inzwischen längst eingestellten Stu- 
dentenzeitschrift .,en face", Nummer 1, Jänner 
1962, entnommen) als kleines Steinchen die 
Kenntnis der Person und des genau katalogisierten 
Werkes erweitert, sind es vor allem Hundert- 
wassers umfassende Selbstzeugnisse, seine stets 
heftig diskutierten Manifeste, die Licht in das 
Dunkel bringen und der angestauten Fülle von 
Mutmaßungen und vagen Spekulationen ein 
ungewöhnliches, irn Kern allerdings richtiges und 
logisches theoretisches Fundament gegenüber- 
stellen. 
Wenn diese Zeitschrift aus Anlaß des Erscheinens 
ihrer hundertsten Ausgabe den österreichischen 
Maler Hundertwasser repräsentativ in Bildern und 
literarischen Selbstzeugnissen vorstellt, so geschieht 
dies nicht nur der numerischen Assoziation wegen, 
sondern vor allem deshalb. weil dieser Künstler 
wie kein anderer im Ausland für die Malerei 
unseres Landes zu einem wichtigen Prestige- und 
Propagandafaktor wurde. 

	        
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