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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIII (1968 / Heft 101)

und vor dem Pilasterkapitell einen blauen 
Wimpel mit den Buchstaben Alpha und 
Omega im goldenen Strahlenkranz. Wantcn 
verspannen den Mast auf der Churseite 
mit der Kanzelbrüstung, auf der Langhaus- 
seite nur mit dem Schalldeckcl. ' " Engel- 
putten sind mit der Takelzige beschäftigt. 
Äm Bug des angedeuteten SchitTsruixipfes 
reckt ein hl. Xlichael das Flammenschwert; 
scin Schild tragt die Inschrift Qui: n! Dom. 
Die zugehörige Figur des gestürzten Teufels 
ist 1834 entfernt worden? Zwci ebenfalls 
vergoldete Kartusehen mit Evangelisten- 
relicfs (aus der ehemaligen Pfarrkirche 
St. Stephan in lrsee) wurden nachträglich 
an der lärustting ZHIgClÖTIIClIIll. Die Rück- 
wand tragt das (leschlcchterwzippen der 
Orsini mit den lnsignien des Papsttums. 
Aus der durchbrochenem Mitte des Flachen 
Schalldeckels sendet die Taube dcs 
Hl. Geistes goldene Strahlen. lllin großer 
Anker scheint das KanzelschiH an den 
Pfeiler zu heften. Neben dcr Volute dcs 
Stiegengelantlers haftet eine Seeschnecke. 
Abt Wiillibald Grindl, der die Schitfskanzel 
hatte errichten lassen, starb im Jahre 1731. 
Der Text dcr Leichenpredigtq bezog sich 
auf die cmblematischcn Darstellungen am 
Castrum doloris, diese veranschaulichten 
die Predigt; (lrundmotiv war das Schilf. 
Die Form vnn XVillibalrls Kanzel und der 
Name seines Klosters hatten den Gedanken 
ausgelöst, seinen Lebensweg einer hinf- 
lülbrf über du; .1 Irrr oder Yme dirrr Welt zu 
vergleichen W. Acht Emblemata arn Toten- 
gerüst und acht Ilauptabschnitte der Predigt 
zeigten am Beispiel eines Schiffes auf See 
die Tugenden des Verstorbenen". Zu- 
sammenfassendes Schlußbild des Castrum 
doloris und der Predigt war ein Schiff, 
auf dessen acht Rudern diese Tugenden zu 
lesen Warcnll. Dann wurde das am Ziel 
angekommene Älwleu-Ärbifflein dcr auf dcn 
Bergen Armeniens ruhenden Arche Noah 
 
verglichen, aus der die Taube als Gleichnis 
der befreiten Seele auftloglßl. 
Der Prediger, cin Jesuit, hatte sich zu 
Srblß bijgebm und spielte auf die mn- luA 
reuliau der Kanzel an: . . . drr IU. Grzltl lzlrm 
bqy der Barrlwilznßzg . . . in die Äiztqrl 14. An die 
Form der Kanzel knüpfte er auch an, 
indem er von der Seefahrt (ihristi mit den 
Äpnstcln (Matth. 8, 24) ausgingli Dieser 
Gedanke hatte die Wahl des Schillsmotirs 
und des Zeichens im Wimpel 10 sicherlich 
mitbestitntntll. Nicht ausdrücklich rekapir 
tuliert wurden die weiteren Bedeutungen 
der Kanzel. Das Schill" als Kanzel mulite 
auch daran erinnern, daß (Ihristtis aus dem 
Schilf gepredigt (Luk. 5, 3) und dann Petrus 
und andere jünger zu Menschenlischern IX 
berufen hatte (Nlatth. 4, 18721; Vark. l, 
16i20; Luk. 5, 10 i11). Petrus ist Neben- 
patron der Kirche in lrsee. Das Villaplven 
der Orsini spielt auf die Grafen von Ursin, 
die Gründer des Klostersl", an, zugleich 
auf Papst Benedikt XllL, den seit 1724 
amtierenden Nachfolger Petri 10. lis deutet 
die Kanzel als „Schitllcin Petri", als Sinnr 
bild der Kirche3l, und zwar der streit- 
barenll: der hl. Michael überwindet 
Luzifcrl-l 34. 
Als ein Gleichnis dieses Sieges galt jahr- 
hundertelang die Schlacht von Lepanto, in 
der die Flotte der Heiligen Liga die tür- 
kischc am 7. Oktober 1571 geschlagen 
hatte. Dem Gedenken dieses Sccsieges ist 
nach  Wlille die Irscer Schitfskzinzcl ge- 
widmet 15. Die Anknüpfung an ein historia 
schcs Ereignis ist in der lkunographiz: der 
Karizcln sehr selten 1b, für Irsee aber nahezu 
gesichert. 1712 war Papst Pius V., der 
Schöpfer der Heiligen Liga, heiliggeslvnw- 
chen worden, und das jnlxr 7776 zÄrI aurb 
11ml} merkwürdig zzlegezz dem Krieg gjzitirrllen dem 
Kairer und den Tfirlecxz, uwlrbc grqßc Nieder- 
lagen . .. erfillen, wie die Chronik des 
Klosters lrsee 27 berichtet. Bei der F.r- 
 
neuerung der Kanzel auf eine Türken- 
schlacht anzuspielen, lag also nahe. Ob 
der Wimpel des KanzelschjHes an die blaue 
Generalsstandarte der Heiligen Liga et- 
innern 501113, ist allerdings fraglich, denn 
die Armada kämpfte unter dem Kreuzes- 
zeichen19. Das stärkste Argument für 
j. Willes Ansicht ist, daß in Irscc die 
Rosenkranzbruderschaft blühte 39. Der Sieg 
von Lepanto wurde als Belohnung 
des Rosenkranzgebetes angesehen 31. Papst 
Pius V. befahl, am Jahrestag der Schlacht 
der hl. Maria de Victoria zu gedenken. 
1716 wurde das Rosenkranzfest allgemeines 
Kirchcnfest. Daß die Bruderschaft in Irsec 
Einfluß auf die Kirchenausstattung hatte, 
zeigen die Rosenkranzbilder in den Neben- 
räumen der Kirche und mehrere andere 
Einzelheiten der Ausstattung 32. Wenn die 
Bruderschaft auch die Schiffsform der 
Kanzel bestimmte, so wird die Erinnerung 
an Lepanto dabei rnitgesprochen haben. 
Noch Wahrscheinlicher wird dies durch 
einen bisher nicht beachteten Parallelfall. 
Die Kirche in Pollenfeld (Krs. Eichstätt) 
hatte von 1805 bis kurz nach 1877 eine 
Kanzel in der Gulalt eine: Kriegurhzßlß: mit 
Älaxlhaunl, Slrirkleilern, rrlnuellendem Kegel und 
hölzernen Kan0nen33. Mitterwieser gab an, 
sie stamme aus der Kirche Notre-Dame 
in Eichstätt. Er hielt sie für ein Werk in 
der Nachfolge der Irseer Kanzel34. Tat- 
sächlich war die Pollenfelder Kanzel je- 
doch aus dem älteren Betsaal Maria de 
Victoria in Ingolstadt erworben worden. 
Aus der topographischen Literatur und den 
Archivalien in Ingolstadt und Eichstätt ist 
über sie noch folgendes zu erfahren: Im 
Jahre 1612 wurde unter der Leitung eines 
Jesuiten die Bürgerliche Kongregation 
Maria de Victoria gegründet 35. Sie erbaute 
ein Oratorium an der Kreuzstraße, das 
1619 eingeweiht wurde 35. 1696 erweiterte 
man diesen Bau und begann eine neue 
Z 11'596, chem. Stiftskixche, Kanzel 1724125 
ANMERKUNGEN 5-36 
s S0 Hanna Mayer. Deutsche Barockkanzeln (Studien zur 
deutschen Kunstgeschichte, H. 287), Straßburg 1932, 
S. 122, 168-169; Strobl 1955, S. 48. Zu der Kanzel in 
lrsee auch Richard Wiehel. Kloster lrsce (Deußche 
Kunstfuhter), Augsburg 1927, s. 1a, Abb. 7, s; Alnis 
Mittcrwieser, Kitchenkanzeln in SchilTsfon-ti. in: jahr- 
buch des Vereins für christliche Kunst 7, 1929, S. 184. 
mit Abb; Henle 1933, S. 57; Joseph Wille, Wie kommt 
die Schifiskanzel naeh lrsee?, in: Kaufbeuret Tagblatt 7, 
Nr. 134 vom 30.6.1951; Tilmznn Brcuet. Stadt und 
Landkreis Kaufbeurcn (Bayerische Kunstdenkmal: s, 
Kurzinventar). München 1960, 5.124; Alexander von 
Reilzenstein und Herbert Bruunet, Bayern (Reclams 
Kururruhrer, Baudenkmäler, 1.3.1.), 4.Auß., Stuttgart 
1961, S. 280; Lilly Stunzi u. 2.. Die Schlacht von Lepanto 
1571 (Kulturelle Monatsschrift "Du" 22, Nr. 255), 
Zürich 1962. 840-41: Lieb 1964, 18-10. 
6 Breuer 1950, S. 118-127; Norbert Lieb und Franz 
Dieth, Die Vorarlberget Barockbaumeister, 2. AuiL, 
München und Züridzi 1967, S. 73, s. a. S. 41. 
7 Wiebel 1927, 5.18; Mzycr 1932. 5.123. Die Planken 
des Schiüsbuges sind unten ergänzt. 
I Mitgcteilt von Herrn Pfarrer joweph wiue, lrsee. 
9 Hörhst-beglücltte SchüT-Fahrt über das Meer oder Yrsee 
diser Welt, Kaufbeuren 1731. 
l" Dazu Arthur Henkel und Albrecht Schöne, Emblernata, 
Stuttgart m1, Sp. 1462, und besonders Georg KauiTmann. 
Feste, in: Der Mensch und die Künste. Festschriß für 
Heinrich Lützeler, Düsseldorf 1962, S. 452, Abb. 74. 
H Die Zusammenstellung von SchilT-Emblemen bei Henkel- 
Schöne 1967, Sp.1455-1484, ließe sich anhand diese: 
Textes erweitern. 
11 Schiff-Fahrt 1731. S. 18. 
H Schilf-Fahrt 1731, s. 19. 
1' SchiG-Fahrt 1731. S. 2. 
A! Schilf-Fahrt 1731. s. 1. 
Iß Zu rien Buchstaben Alpha und Omega 115 zeieheu. das 
immer auf Christus deutet: ]oseph Sauer, A-ua 2. 
lkonographisch, in: Lexikon für Theologie und Kirche. 
1. Bd.. 2. Aufl" Freiburg 1957, Sp. 1. 
17 Zur Sehilfahrt auf dem See Genezarcth als Thema von 
Kanzelteliefs: Mayer 1932, S. 149. 
1' Vgl. Lieb 1964, S. 819; zweifelnd Wille 1951.
	        
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