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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIV (1969 / Heft 102)

Um die Wlende des 16. und 17. Jahrhunderts 
emanzipierte sich das Stilleben 7 bei Außer- 
achtlassung der vorhergehenden Entwick- 
lungsphasen 7 von der Abhängigkeit der 
Figuralmalerei, ließ die Anziehungskraft 
der Handlung im Bilde beiseite und er- 
mittelte dic Lebensfähigkeit der Darstellung 
von Sachen und Naturalien im neuen Typ 
des Aufhängebildes. Es überprüfte die 
sachlichen, dekorativen und auch symboli- 
sehen Werte ausgesuchter Gegenstände und 
schuf einige Spezialthemen 7 Darstellung 
von Fischen, jagdtrophäen, Frühstücks- 
tafeln, Gedecken, Blumen und symbolische 
Bilder der Verschwendung 7, die bis zur 
Hälfte des 17. Jahrhunderts die erste 
Phase ihrer Entwicklung in einer Reihe 
europäischer Malerzentren durchliefen. Zu 
den Wichtigsten Zentren, in denen die 
Stillebenmalerei gepflegt wurde, gehörten 
die holländischen und flämischen Nieder- 
lande, die Städte Middelburg, Frankfurt 
am Main und Straßburg. Parallel dazu 
kam Italien zur Geltung, wo das Interesse 
an der Srillebenmalerei freilich durch das 
Übermaß anderer Aufgaben in den Schatten 
gestellt wurde. Später, um die Mitte des 
17. ]ahrhunderts, bietet das Stilleben ver- 
bindliche Anleitungen für die Gestaltung 
seirzer Spezialisierungen an und breitet sich 
über ganz Europa aus. 
Der Einzug dieses Genres nach Böhmen 
und seine Wandlungen müssen auf der 
Projektionsebene der angeführten gesamt- 
europäischen Zusammenhänge verfolgt 
werden, denn die Aufgabe der böhmischen 
Länder lag weniger in der Entdeckungs- 
rnission als vielmehr - und dies unter 
anderem wegen ihrer geographischen Lage 
7 in der Vermittlung und Bindung unter- 
schiedlicher Anschauungen, die aus dem 
Norden und Süden, den Niederlanden, 
Deutschland und auch Italien kamen. Die 
einzige der bedeutenden und tatsächlich 
entdeckungswürdigen Persönlichkeiten der 
frühen Entwicklungsphase des europäischen 
Stillebens ist Georg Flegel, gebürtig aus 
Mähren, der durch sein Schicksal und 
Schaffen jedoch dem Gebiet um Frankfurt 
am Main angehört. 
Die Entwicklung und Blütezeit der Still- 
leberimalerei des Barocks in Böhmen fällt 
ungefähr in den Zeitraum von 1650-1750. 
Sie hatte jedoch ein bedcutungsvolles Vor- 
spiel an der Wende des 16. zum 17. Jahr- 
hundert im international orientierten Milieu 
am Hofe Rudolfs II. in Prag. Schon am 
Hofe Erzherzogs Ferdinand in Görz, Prag 
und Innsbruck befaßte sich Giorgio Liberale 
aus Udine mit der Fisch- und Tiermalerei. 
Der Problematik des Stillebens näherten 
sich auch die allegorischen Bilder Giuseppe 
Arcimboldis, die aus Gegenständen und 
Naturalien zusammengestellt waren. Der 
Nürnberger Maler Hans Hofmann bot im 
Jahre 1585 in Prag Kaiser Rudolf II. das 
Bild eines gemalten Hasen für ZOO Gulden 
an. Die Spezialisten Joris und Jakob Hoef- 
nagel betätigten sich in der Blumen- und 
Naturalicnmalerei. Dieses vielversprechende 
Aufkommen des neuen Genres wurde jedoch 
durch den Dreißigjährigen Krieg und die 
bewegten politischen Schicksale des Landes 
unterbrochen. 
Um die Mitte des 17. Jahrhunderts kon- 
solidierte sich die Situation so weit, daß 
man mit anderen Aufgaben als mit der 
kirchlichen und Porträtmalerei rechnen 
konnte. Das Interesse, Gegenstände zu 
malen, kam auch irn sakralen Bild deutlicher 
zum Ausdruck. Es hatte hier eine ganz 
spezifische Aufgabe, die mit der sachlichen, 
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