3 Egon Schiele Stein an der Donau. Ol auf Holz.
39 8x31 56m. Sigm: Egon Schiele1913. Privatbesitz
USA (Kallir Guvveverz. Nr.188)
Steiner Rathaus zu erkennen. Die charakte-
ristische Form hat Schiele im wesentli
festgehalten obwohl er sich auch hier ei ge
Freiheiten erlaubte. Es fehlt die Mittellisene,
eine Andeutung der Zopfmuster über den
Fenstern, vor allem aber hat das Rathaus bei
ihm nur zwei Geschosse. Das nächste kleine
Haus (Donaulände Nr. 62) ist bis auf die
Fensterordnung im ersten Geschoß richtig
wiedergegeben, beim Haus Nr. 60 rechts davon
fehlt eine Fensterachse und die Dachluken.
Das große Haus daneben, Landstraße 55, ist
um eine Achse zu lang geraten, auch wurden
die Luken in ein normales Geschoß gewandelt.
Die Mauer davor findet sich auch in Wirklich-
keit, ebenso das letzte kleine rote Haus, das
allerdings wieder ein Fenster zuwenig hat.
Obwohl solche Vergleiche, die sich noch um
viele Details, wie Türen, Schornsteine, Giebel
usw. bereichern ließen, auf den ersten Blick
etwas kleinlich anmuten, zeigen sie doch einige
wesentliche Eigenheiten: Egon Schiele hielt
sich meistens sehr genau r aber nicht sklavisch
a an das Naturvorbild. Die Häuser waren für
ihn gliedernde Elemente, bei der charakteristi-
schen Fensterbehandlung nahm er sich jedoch
einige Freiheiten, vor allem in der Bemalung
der bunten Fassaden und der Geschoßteilung.
Diese wenigen Akzente machen die Häuser
zu eigenwilligen Individualitäten, die von der
Art des Abbildens weit entfernt sind.
Etwas freier, aber ebenso identifizierbar ist der
Mittelgrund. Links die überhöhte dunkle Stadt-
mauer mit den stützenden Streben, rechts die
Türme der Pfarrkirche und der Frauenbergkirche,
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Die Turmgeschosse, Fenster und Dachluken
sind ziemlich genau wiedergegeben. Am freiesten
sind die Terrassen und Lößschluchten des
Steiner Kreuzberges behandelt. Die Zeichnung
wirkt wie eine Paraphrase der Wirklichkeit, ge.
tragen von Schieles Temperament.
Betrachtet man nach diesen Vergleichen das
künstlerische Bildgefüge, dann erkennt man
neben einer Dreieckskomposition eine stark
horizontale Ordnung. Vorn runden Festungs-
turm links vorne führt die ansteigende Linie
über den Helm der Pfarrkirche zur Spitze des
Frauenbergkirchturmes, um dann steil über die
Terrassen zum Chor der Kirche und weiter zu
dem kleinen Giebelhaus abzufallen. Diese
Schräglinien werden durch die Giebel und
Dächer mannigfaltig wiederholt. Diesem Auf-
und Absteigen stellt sich der Horizontalismus.
betont durch die dunkle Stadtmauer und das
dunkle Kirchendach der Pfarrkirche, entgegen.
Die waagrechten Elemente sichern, ähnlich wie
der Strom und die Uferböschung, dem Bild
eine Ausgewogenheit. Auf solche Strukturen
aufmerksam geworden, erkennt man, daß der
Turm der Plarrkirche genau in der Bildmitte
steht und daß dem hellen Rathausplatz die
helle Mauer rechts und das Schiff der Frauen,
bergkirche darüber entsprechen. Ähnlich ist
es bei den Weinbergterrassen, deren bewegteres
Mittelstück von größeren flächigeren Ordnungen
flankiert wird.
Auch beim Rhythmus der Farbverteilung r man
beachte das Weinrot an Fenstern, Zifferblättern
und Schornsteinen - ließen sich noch viele
weitere Beobachtungen anschließen, die jedoch
keine neuen Gesichtspunkte, sondern nur eine
Bekräftigung der bisherigen Beobachtungen
bringen würden. Zusammenfassend könnte man
sagen, daß Schieles Können darin besteht, das
Naturvorbild mit wenigen Akzenten derart zu
beleben, daß wir den Eindruck einer eigen-
wertigen künstlerischen Komposition haben. Er
schaltet mit den Elementen wie mit den Steinen
eines Baukastens, wirkt mit diesem Komposi-
tionsspiel aber nicht der natürlichen Ordnung
entgegen, sondern verstärkt den Ausdruck der
Natur, macht ihn sichtbar. Jedes einzelne der
Elemente wird vor der Verwendung im Bild
verwandelt und nicht einfach der Wirklichkeit
entnommen, es ist durch Schieles Anschauung
und Handschrift bestimmt.
Vergleichen wir mit diesem besprochenen Bild
die Studie (Kallir Nr.188, ÖllHolz,39,8x31,6cm,
USA, Privatbesitz, Abb. 3), dann fällt uns vor
allem daran auf, daß sie eine Reduktion, eine
Umformung und damit eine weitere Steigerung
bringt. Beginnen wir zuerst bei den Details.
Die Häuser im Vordergrund, besonders das
große mit dem hohen Dach vor dem Chor der
Pfarrkirche, ist nur noch eingeschossig, einige
Fenster sind ausgelassen oder in einem freien
Rhythmus verändert. Doch darin liegt eine
künstlerische Absicht, so öffnet sich an der
Front des niederen Hauses rechts plötzlich ein
übergroßes Fenster, oder es wurde die Tür des
Hauses (Donaulände Nr. 60, das dritte von
rechts) nach links versetzt, um der Häuserreihe
einen gewissen dynamischen Zug zu geben.
Die dunklen hohen Dächer sind flächiger, sie