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Volltext: Alte und Moderne Kunst XV (1970 / Heft 109)

ETRISCHER DEKOR 
nctrischcr Dekor mit Rankellfüllllng. Paneelplatten 
rlolz VOm Minbar des Lagin aus der Mcrschcc lhn Tulun 
ÄC-LiIO. Daticrr 129a n. Chr. Der Stern ist 21x21 CCD 
. Österreichisches Museum nur angewandte Kunst, 
n. lnv. or. 3405 
chnirt vnni Minbar des Lagin niu der Moschee des 
rulun in Kairo. Moderne Rekonstruktion: 
netrischcr Dekor: Rißzciclmung vuin Minbar des 
"l in Kairo 
netrischcr Dekor: Sternchen im Kreis mit spiraligem 
ilusel. - Albarello-Gcfäß mit kobaltblaucr und türkis- 
Ene! GIESUY. . ltanabad, 14. Jahrhundert. H 1a C11], 
cm. Östcrr "hisches Museum fllr angewandte Kunst, 
n. lnv. Nr. K0 136a 
netrischcr Dekor: Ausschnitt aus dem seidenen Teppich 
Mamlukcnzcir. Agyptcn, m. Jahrhundert. Länge 
1290 (In. Österreichisches Museum rur angewandte 
n, Wien, lnv. Nr.1" am 
netrisrher Dekor: Tür und Eingang an der gunen 
m" in urunn. w. Jahrhundert 
 
 
KUNGEN lli 17 
"habenstcn Beweis für die wirkende Urkraft der Ge- 
l erblicke ich im Schopfungsbcrichr des Evangeliums 
is 1.1. wo es heißt: „Im Anfang war - der Gedanke!" 
riccliische 1:570; jener Stelle läßl ohne weiteres eine 
Ausdcutung zu. 
muslimischen Gottcscrkenntllis hat Allah den Bei- 
al-Ilnklt. "der Wahre". Zugleich ist er allein so wie 
ßere so auch das Innere. Koran LVll. 3. 
lphen und Dichter haben immer wieder darauf hinge- 
. Man vergleiche den Ausspruch des Nasir-eddin aus 
1274): "Die Wahrheit ist an Ihm und erst. das andere 
et! Was du vorbei zu schaun begehrxt, hast du nur 
gesicllterl" _ 
'e ein Irrtum. huzunchmen. daß das von den musli- 
n Künstlern bevorzugte Flachbild der Omamenre 
er Hang der Griechen zur Plastik allein für die Wahl 
uch Eriintlung der jeweiligen, gültigen Paspcktive 
aggcbcnd gewesen wäre. Die Kunst der alten Ägypter 
sehr wuhl auch Plastiken, und noch dazu in welcher 
Und doch haben die Agypter auch ihre Plastik nach 
Grundsätzen der ngCrad-aufsichtigcn", natürlichen 
Ltivc gestaltet. Viel eher erscheint lnir Für die ge- 
Art Perspektive jeweils entscheidend gewesen zu 
reiche Vorstellung der Mensch von stiller metaphy- 
Welt, also voll seinem jenseits hatte. d. h. wclchc 
ten er buchstäblich verewigen wollte. 
gyptischcr Kunst. Leipzig 1919. _ v _ 
heult im Bau der griechischen Sprache CHI Hinweis 
l vcrsrhicdellen Arten der "Anschauungen" enthalten 
. Denn iln PKÖSMIS erfassen di korperlichcn Sinne 7 
er vor allem d" Augen i das gcllwfirtige unmittel- 
d reailiercn unmittelbar, während lll den lnlt lhelnati- 
Sigma erweiterten FOITIICH, ini Fnrui-un-i und Adrisr. 
r Geist schaut und Crfaßt. - lln Arabischen dürften 
rkale KIISYJ und Fatha beim Verbum ailinlirlic Funk- 
ausdrücken. 
 
Siehe, wie sie sich umfassen, sich umklam- 
mern, die wurzelnden Ranken (Vrk), die 
Blüten und Blätter, wie sie sich freudig in 
den Flächen entwickeln (Ünbaruja), plötzlich 
lebendig werden, Blüten und Blätter bc- 
kommen - und wie sie sich unweigerlich 
brechen an den Hürden des äußersten, Ver- 
zierungen noch zugänglichen Raumes! Er- 
kennst du, wie die Windungen an der Flucht, 
an der Niederlage sich erfreuen? Ach, die 
Rarikcnde besiegelt ihre Dehnungen nicht, 
die Fläche aber, sie krümmt sich nicht mit 
ihr. jedes Einzelne bindet sich, dauert, so- 
lange es ihm bestimmt, und wallt, solange 
es lebt. Sei es am Beginn, sei es am Gipfel 
einer Woge (Vnlinäüz), sei es im Innern eines 
Flechtwcrks, es rüstet sich immer zum Neu- 
beginn, zum Überschwang, es lädt dich ein, 
nachzuspringcn ins Lccrc -- vielleicht, daß 
du mit der Phantasie ciner unruhigen Per- 
son (mikldk) behaftet in den Umkreis dessen 
gcrätst, woran sich die unbarmherzige Realität 
stößt . . . 
Da der ,Zwcig' ungestüm hcrvorbricht, Wan- 
kelmütig zugleich und bcstürzend - am 
,Fadcn' wird er heiter und gelassen. Beide 
Motive breiten sich aus, werden Ruhestätte. 
Sie bekleiden Bänder, klettern auf Bogen 
hinauf, springen auf Friese, erfassen das Zu- 
fällige, sich Bictcndc, ja, sie stürzen sich 
förmlich aufjeden leeren Raum . . . In heiligen 
Eifer geraten steigen die Ranken an der Ge- 
wandung der Drapericn empor, erzählen von 
ihrem Nachbarn, ahmen Falten nach: eksta- 
tischcr Rausch der Linien, er gibt dir Kunde 
davon, daß der Gläubige ewig besessen ist 
von seinem Sehnen nach dem dunkcln, un- 
erreichten Horizonte." 
In seinem letzten Satz hat Färis das Urelement 
„Linie" selbst angedeutet, den Gedanken aber 
nicht weiter ausgeführt. 
II 
Es ist an der Zeit, auf eine besondere Eigenart 
der arabisch-islamischen Ornamentik einzu- 
gehen, nämlich auf die Eigenart, in den 
Pflanzcnranken künstliche Blätter zu gestalten 
und das Abbild des Natürlichen zu vcr- 
schmähcn. Auch dafür liegt die Erklärung, 
wenn sie erst einmal gcwußt wird, auf der 
Hand. Es ist der Drang, der den Künstler 
vcranlaßt, das Flüchtige festzuhalten, zugleich 
die Notwendigkeit, sich vom natürlichen Vor- 
bild abzuwenden. Denn das Natürliche ist 
vergänglich, es welkt dahin und hat keine 
Dauer (Marzük, S. 131f.). Darum gestaltet 
der Künstler die Blätter so, wic sie sich in 
der Natur nicht finden. Ihm genügt die „Idce" 
des Blattes, die zwar nicht real existiert, aber 
so, wie cr sie formt, dennoch denkbar und 
darum möglich ist. Bei Allah ist auch reäliter 
allcs möglich! Wenn der Künstler daher 
„Blätt" im Gegensatz zum natürlichen Vor- 
bild zeichnet, so bringt er damit zugleich 
„Daucr" zum Ausdruck. 
Es lohnt, einen Augenblick zu verweilen und 
in die Tiefe hinabzustcigcn. Denn das Phä- 
nomen ist ein allgemeines Phänomen der 
Kunst, ja, darüber hinaus der Schöpfung 
überhaupt. Wieder enthüllt sich in dem 
Streben, Dauerndes zu schaffen, die Kraft 
der Gedanken als wirkende Urkraftll, eine 
Kraft, die stets und überall in der Kunst um 
dauerhafte Gestaltung ringt und die den 
Menschen auf allen seinen Wegen auch zu 
seinen „Anschauungcn", d. h. zu seinen 
Perspektiven hinführt und hinleitet. 
Zunächst den schlichten Nachweis, daß dem 
heute noch so ist und daß insbesondere das 
Feststellen von Gedanken noch heute eines 
der erkennbaren Ziele der Kunst ist: wenn 
wir „Schrift" als Kunst auffassen n und 
daran kann kein Zweifel bestehen, sie ist 
Teil der Ornämcntik -, so erfüllt sie heute 
noch die Aufgabe, die wir von ihr fordern, 
nämlich die Aufgabe, Gedanken festzuhalten. 
Gedanken sind es aber auch, welche die 
Ornamente im allgemeinen entstehen lassen, 
sie führen die Hand des Künstlers. 
Damit eröffnet sich am Kunstwerk selbst das 
Wesen seiner beiden Wahrheiten: die äußere 
Wahrheit und die innere Wahrhcitli. Die 
äußere Wahrheit ergibt sich für uns aus dem 
„Schcin" der Dinge. Das heißt, so wie das 
Auge körperlich etfaßt, wie das Objekt von 
außen her zu sein „erscheinfß so nehmen 
wir wahr oder sind wenigstens geneigt, darin 
Wahrheit zu erblicken. Die innere Wahrheit 
hingegen enthält das „Sein", das „wie es 
entstanden ist", und dies wurzelt im Reich 
der Gedanken. Die Gedanken aber werden 
nicht vom Auge des Körpers direkt erschaut, 
sondern vorn Auge des Geistes. 
Der Zwiespalt im Erfassen von'„Sein" und 
„Schcin" 14 führt zum Auscinanderkladen in 
den Anschauungen und weiterhin zu_ ver- 
schiedenartigen Erscheinungsformen, die wir 
Perspektiven nennen. In Europa ist seit den 
Tagen der Griechen die hellenische Perspektive 
heimisch geworden. Sie verzerrt w indem sie 
mit Vorliebe schiefe Winkel benutzte und in 
das hellcnischc Schönheitsideal cinbaute. Aus 
der hellcnischcn entstand die uns heute ge- 
läufige Form der Perspektive, welche Flucht- 
punkte beobachtet und sich vor allem der 
Wiedergabe des „Erscheinens" am Objekt 
zuwendet. Im Gegensatz dazu gebraucht der 
muslimische Künstler die „natürlich? Per- 
spektivc. 
Die natürliche Perspektive ist aus dem Zeich- 
nen mit Linien cntstandenli Sie kennt vor 
allem den geraden, aus dem Lot gefällten 
rechten Winkel. Die Teile, die wichtig sind, 
werden „in gerader Aufsicht", wie H. Schäfer 
es nannte 16, wiedergegeben. Damit erschaut 
das Sinncnauge des Betrachters das Wesent- 
liche, der Mensch erfaßt aber mit dem ihm 
angeborenen inncrcn Gesicht auch die Funk- 
tion und ergreift Besitz 17. In der nach Flucht- 
punkten gesehenen Perspektive bliebe manches 
wichtige Detail unsichtbar, manche wichtige 
Funktion ginge verloren. Die Funktion aber 
ist eine Eigenschaft, die dauernd mit dem 
Objekt verbunden ist, sie soll im Geiste (und 
in der ältesten Kunst auch vom Geiste, scil. 
des Toten im Totcnkult) erschaut werden. 
Die natürliche Perspektive ist heute noch 
überall dort im Schwange, wo sich hcllenische 
Kunstanschauung nicht durchsetzte und durch- 
setzt. Sie umfaßtc cinst die großen Kulturen, 
ihrem Linicnspiel folgt heute noch im all- 
gemeinen die gesamte orientalische Kunst. 
Nur zögernd verlor sie unter dem über- 
5
	        
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