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Volltext: Alte und Moderne Kunst XV (1970 / Heft 111)

 
sieht, das im Laufe späterer Jahrhunderte 
etwas breiter wird. Die Stirnfalten und die 
Modellierung des Gesichtes sind in den frühen 
Beispielen stilisiert und werden später etwas 
mehr verlebendigt. Die strenge traditionelle 
FormerhältsicharnstärkstenimBereichderKlö- 
ster, vorwiegend der des Athos. Die immer 
auftretende Inschrift dieser Bilder ist die 
Namensligatur: I C f X C : Jesous Christos. 
Dazu tritt sehr oft die Aufschrift „H0 Panto- 
krator". Innerhalb des Nimbus aber stehen die 
Buchstaben „OQN", „das Sein". Diese Be- 
zeichnung geht letzten Endes auf die Auf- 
nahme neuplatonischer philosophischer Vor- 
stellungen in das Christentum durch die Theo- 
logen des 5. und 6. Jahrhunderts zurück. Die 
Neuplatoniker bezeichnen Gott als „O0n", 
von dem die erste Emmanation der „Nous", 
der Verstand, ausgehtll. Für die Theologie 
des Frühchristentums, besonders des Ostens, 
ist es äußerst charakteristisch, daß hier Chri- 
stus nicht bloß als „Logos", sondern als das 
Sein schlechthin bezeichnet und damit Gott 
überhaupt völlig gleichgesetzt wird. Das macht 
auch die besondere Bedeutung des Christus- 
bildes verständlich, denn nach dieser Über- 
legung wird Christus als die „Ikone des 
Vaters" bezeichnet, also als der Jirblbar ge- 
wordene Gott. Diese Vorstellung aber trifft 
wieder mit dem Kaiserkult zusammen, da für 
diesen der wesentliche Zug die Sichtbarkeit 
und Menschlichkeit Gottes ist. Daraus ent- 
stand die Suche nach dem „Porträt" Christi, 
also nach seiner Faßbarkeit, was für die Ent- 
stehung des Pantokratorbildes vorausgesetzt 
werden muß. Da sich der angeführte philo- 
sophisch-theologische Prozeß im S. und 6. 
Jahrhundert abspielte, kann auch das erste Auf- 
kommen der Nimbusinschrift für diese Zeit 
angenommen werden. 
Die bevorzugte Stelle zur Anbringung des 
Pantokratorbildes ist der Scheitel der Haupt- 
kuppel des Kirchengebäudes. Nur wenige frühe 
Beispiele dieser Art sind auf uns gekommen. 
Zu den bedeutendsten gehören: der Pantokrator 
in der Klosterkirche von Daphni, iener der 
Nea Moni auf Chios wie der Pantokrator der 
Kirche von Arta in Epiros. In direkter Ab- 
leitung davon stehen die beiden Pantokrator- 
bilder in den Apsiswölbungen der norman- 
misch-byzantinischen Kirche Siziliens in Mon- 
reale und (Icfalu. Aber auch an anderen Stellen 
der Kirchengebäude treten Pantokratorbilder 
auf, wie über dem Eingang jenes berühmte 
Bild in der Chorakirche von Konstantinopel 
oder das besonders qualitätsvolle Bild an einer 
Wand der Südgalerie der Hagia Sophia. Dar- 
über hinaus existieren nahezu unzählige gleich- 
artige Bildcr Christi nicht nur im byzantini- 
schen, sondern auch im westlichen Bereich, 
nicht nur an den Wölbungen und Wänden der 
Kirchen, sondern auch auf transportablen 
Ikonen. Das Pantokratorbild, das in allen diesen 
Fällen allein für sich genommen erscheint, 
tritt aber darüber hinaus auch in szenischer 
Verbindung auf. 
Abgesehen von Darstellungen des Jüngsten 
Gerichtes, in denen das Bild Christi im Verlauf 
der Jahrhunderte den Pantokratortypus an- 
nahm, erscheint eine verwandte Entwicklung 
in dem Bild der Deeri: 11, der Fürbitte Mariens 
und Johannes des Täufers bei Christus für die 
Menschheit. Diese Bildkomptisition erhebt 
weder den Anspruch auf direkte göttliche Ent- 
stehung, noch ist sie eine Illustration einer 
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