Gelderwerb zu verschwenden. Reich sei ein
Älann eigentlich nur im Verhältnis zur Zahl
der Dinge, auf die er verzichten könne, und
der Preis einer jeden Sache bestünde in dem
Ausmaß an Leben, das für sie sogleich oder
im Laufe der Zeit zu bezahlen wäre. Auch
für Benjamin Franklin war Zeit viel kostbarer
als Geld, und sein immer wieder gedankenlos
nachgeleierter Ausspruch „Time is money"
war ausdrücklich eine Anweisung an einen
jungen Kaufmann, keineswegs aber eine alle
gemein gültige hiorallehre, zu der sie eine
händlerisch verzinlagte Mehrzahl hinaufpropa-
gieren möchte.
Adolf Loos verärgerte seine Kritiker durch
die lakonische Bemerkung: „Ich bin grund-
sätzlich gegen das viele Arbeiten, meine Person
nicht ausgeschlossen."
Hier aber haben wir einen wichtigen Grund
für Loos' Ablehnung des Ornaments. „Orna-
ment bedeutet Mehrarbeit. Der Sadismus des
18. Jahrhunderts, seinen Mitmenschen über-
flüssige Arbeit aufzubürden, ist dem modernen
lNIcnschcn fremd." Deshalb hatte Loos auch
die Maxime aufgestellt: „Die Form eines Ge-
genstandes halte so lange, das heißt sie sei so
lange erträglich, so lange der Gegenstand
8
physisch hält." Der modische Wechsel der
Ornamente hat aber eine frühzeitige Ent-
wertung des Arbeitsproduktes zur Folge: „Die
Zeit des Arbeiters, das verwertete Material
sind Kapitalien, die verschwendet werden."
Genau das prangerte Loos als Verbrechen an,
denn zum Unterschied von ästhetischen Stö-
rungen kann die Zeit diesen Schaden nicht
ausgleichen.
„ich habe die Menschheit vom überflüssigen
Ornament befreit", verkündete Loos mit Stolz.
„Und gäbe es überhaupt kein Ornament 7
ein Zustand, der vielleicht in Jahrtausenden
eintreten wird W brauchte der Mensch statt
acht Stunden nur vier zu arbeiten." Für seinen
Grabstein wünschte er sich die Inschrift:
„Adolf Loos, der die Menschheit von über-
flüssiger Arbeit befreite." Dabei gab er sich
freilich einer Selhsttäuschung hin: „Ich weiß,
daß die Menschheit mir einst dafür danken
wird, wenn die ersparte Zeit denen zugute
kommt, die bisher von den Gütern der XVelt
ausgeschlossen waren." Noch sind wir nicht
so weit.
Der Ornamentfeind Loos bekämpfte jedoch
ausdrücklich nicht das Ornament an sich,
sondern den Mißbrauch des Ornaments,
Kümmer- und XVillkürformen und das
ment um jeden Preis.
Dem klassischen Ornament dagegen h:
sogar eine besondere Funktion zuerkann
„Der Zeichenunterricht hat vom klass
Ornament auszugehen. Das klassische
ment spielt im Zeichenunterricht di
Rolle wie die Grammatik. Es hätte l
Zweck, Latein nach der Berlitz-Methti
lehren. Der lateinischen Grammatik, um
ter jeder Grammatik überhaupt, verdankt
die Zucht der Seele, die Zucht unseres
kcns. Das klassische Ornament bringt
in die Formung unserer Gebrauchs;
stände, züchtet uns und unsere Formen,
trotz ethnographischer und sprachlicher l
schiede eine Gemeinsamkeit der Forme
ästhetischen Begriffe.
Und es bringt Ordnung in unser Leben.
Der klassische Unterricht hat trotz der
schiedenheit der Sprachen und Grcnu
Gemeinsamkeit der abendländischen l-
geschalfen. Daher ist nicht nur das klas
Ornament zu pflegen, sondern man bescl"
sich auch mit den Säulenordnungen und
lierungen.