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Volltext: Alte und Moderne Kunst XV (1970 / Heft 113)

Gelderwerb zu verschwenden. Reich sei ein 
Älann eigentlich nur im Verhältnis zur Zahl 
der Dinge, auf die er verzichten könne, und 
der Preis einer jeden Sache bestünde in dem 
Ausmaß an Leben, das für sie sogleich oder 
im Laufe der Zeit zu bezahlen wäre. Auch 
für Benjamin Franklin war Zeit viel kostbarer 
als Geld, und sein immer wieder gedankenlos 
nachgeleierter Ausspruch „Time is money" 
war ausdrücklich eine Anweisung an einen 
jungen Kaufmann, keineswegs aber eine alle 
gemein gültige hiorallehre, zu der sie eine 
händlerisch verzinlagte Mehrzahl hinaufpropa- 
gieren möchte. 
Adolf Loos verärgerte seine Kritiker durch 
die lakonische Bemerkung: „Ich bin grund- 
sätzlich gegen das viele Arbeiten, meine Person 
nicht ausgeschlossen." 
Hier aber haben wir einen wichtigen Grund 
für Loos' Ablehnung des Ornaments. „Orna- 
ment bedeutet Mehrarbeit. Der Sadismus des 
18. Jahrhunderts, seinen Mitmenschen über- 
flüssige Arbeit aufzubürden, ist dem modernen 
lNIcnschcn fremd." Deshalb hatte Loos auch 
die Maxime aufgestellt: „Die Form eines Ge- 
genstandes halte so lange, das heißt sie sei so 
lange erträglich, so lange der Gegenstand 
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physisch hält." Der modische Wechsel der 
Ornamente hat aber eine frühzeitige Ent- 
wertung des Arbeitsproduktes zur Folge: „Die 
Zeit des Arbeiters, das verwertete Material 
sind Kapitalien, die verschwendet werden." 
Genau das prangerte Loos als Verbrechen an, 
denn zum Unterschied von ästhetischen Stö- 
rungen kann die Zeit diesen Schaden nicht 
ausgleichen. 
„ich habe die Menschheit vom überflüssigen 
Ornament befreit", verkündete Loos mit Stolz. 
„Und gäbe es überhaupt kein Ornament 7 
ein Zustand, der vielleicht in Jahrtausenden 
eintreten wird W brauchte der Mensch statt 
acht Stunden nur vier zu arbeiten." Für seinen 
Grabstein wünschte er sich die Inschrift: 
„Adolf Loos, der die Menschheit von über- 
flüssiger Arbeit befreite." Dabei gab er sich 
freilich einer Selhsttäuschung hin: „Ich weiß, 
daß die Menschheit mir einst dafür danken 
wird, wenn die ersparte Zeit denen zugute 
kommt, die bisher von den Gütern der XVelt 
ausgeschlossen waren." Noch sind wir nicht 
so weit. 
Der Ornamentfeind Loos bekämpfte jedoch 
ausdrücklich nicht das Ornament an sich, 
sondern den Mißbrauch des Ornaments, 
Kümmer- und XVillkürformen und das 
ment um jeden Preis. 
Dem klassischen Ornament dagegen h: 
sogar eine besondere Funktion zuerkann 
„Der Zeichenunterricht hat vom klass 
Ornament auszugehen. Das klassische 
ment spielt im Zeichenunterricht di 
Rolle wie die Grammatik. Es hätte l 
Zweck, Latein nach der Berlitz-Methti 
lehren. Der lateinischen Grammatik, um 
ter jeder Grammatik überhaupt, verdankt 
die Zucht der Seele, die Zucht unseres 
kcns. Das klassische Ornament bringt 
in die Formung unserer Gebrauchs; 
stände, züchtet uns und unsere Formen, 
trotz ethnographischer und sprachlicher l 
schiede eine Gemeinsamkeit der Forme 
ästhetischen Begriffe. 
Und es bringt Ordnung in unser Leben. 
Der klassische Unterricht hat trotz der 
schiedenheit der Sprachen und Grcnu 
Gemeinsamkeit der abendländischen l- 
geschalfen. Daher ist nicht nur das klas 
Ornament zu pflegen, sondern man bescl" 
sich auch mit den Säulenordnungen und 
lierungen.
	        
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