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Volltext: Alte und Moderne Kunst XV (1970 / Heft 113)

Horst-Herbert Kossatz 
JOSEF HOFFMANN, 
ADOLF LOOS UND DIE 
WIENER KUNST DER 
JAHRHUNDERTWENDE 
Josef Hoffmann wurde wie Adolf Loos in 
Mähren geboren, dennoch gibt es 7 sieht man 
von der unrühmlichen Tatsache ab, daß beide 
in Wien nicht mit großen öffentlichen Bau- 
aufgaben betraut wurden 7 bei ihnen kaum 
Gemeinsamkeiten. Das mag nicht zuletzt darin 
seine Erklärung finden, daß Adolf Loos in 
Dresden und nicht in der so beherrschenden 
Schule Otto Wagners studierte und darüber 
hinaus zu der Zeit, in der das Wiener Konzept 
der „Neukunst" erarbeitet wurde, in Amerika 
weilte und hier ganz andere Impulse in sich 
aufnahm. Nach Wien kam er als Außenstehen- 
der mit ganz anderen Vorstellungen, als sie 
hier gerade entwickelt wurden. 
Hoffmann gründete mit gleichgesinnten Freun- 
den 1892 (sie!) den „Siebener-Club", eine 
Stammtischrunde, zu deren ständigen Mir- 
gliedern die Architekten Joseph Maria Olbrich 
und Friedrich Pilz sowie die Maler Leo Kain- 
radl, Adolf Karpellus, Max Kurzweil und 
Koloman Moser gehörten. An dieser Gruppe 
nahmen gelegentlich aber auch Max Fabiani, 
Josef Grünhut, Sigmund Walter Hampel, 
Arthur Kaan, Ludwig Koch, Jan Kotera, 
Franz Xaver Pawlik, Carl Schwaiger und 
Joseph Urban teil. Mit Fabiani, Hoffmann, 
Kotera, Olbrich und Urban gehörten somit 
die später bedeutendsten Architekten der 
jüngeren Generation zu dieser Gruppe. Man 
diskutierte und illustrierte gemeinsam Bücher; 
mit dem Signum der Gruppe „C 7" gezeich- 
nete Illustrationen finden sich aber auch in 
dem nicht unwichtigen Katalag der Aurmllung 
im Künxtlerbauie. „Seresrian der Wilden" und 
„Freie Vereinigung der Zabmen" Kiinrtlerlfext, 
Wien am 4. illärg 7895, was insofern eigenartig 
ist, als der hier mitillustrierende Koloman 
Moser erst 1896 Mitglied des Künstlerhauses 
wurde. 
Auch Hoffmann, Kurzweil und Urban wurden 
in diesem Jahr Mitglieder des Künstlerhauses, 
während Olbrich schon 1894 und Koch 1895 
dieser Vereinigung beigetreten waren. Fast 
scheint es, als ob durch diese Beitritte die 
Stellung der „Jungen" jene Festigkeit erhielt, 
die dann zum Austritt der Secession aus dem 
Künstlerhaus führte. Doch ich greife vor. 
2 
Der „Siebener-Club" hatte in den Räumen des 
Cafe Sperl und im „Blauen Freihaus" getagt, 
wo es seit 1881 eine andere Tafelrunde von 
Künstlern gab, die sich nach dem Besitzer des 
Lokals, der Haagen hieß, „Haagengesell- 
Schaft" nannte. Diese Runde umfaßte etwa 
60 Künstler; die Mitglieder des Künstler- 
hauses aus diesem geselligen Kreise betätigten 
sieh besonders im Aquarellisten-Klub der 
Genossenschaft. 
Aus den beiden Stammtischrunden entstand 
im Zusammenschluß mit den „mißvergnügten 
Modernen" der Kiinstlergenossenschaft um 
Gustav Klimt jene Gruppe, die in Haagens 
Hotel Viktoria und an anderen Orten ihre 
Zusammenkünfte abhielt, um die Gründung 
der Secession vorzubereiten. Am 3. April 
schickte Gustav Klimt an die Presse und an 
den leitenden Ausschuß des Künstlerhauses 
die Mitteilung, daß sich am selben Tage die 
„Vereinigung bildender Künstler Österreichs" 
gebildet habe, bestehend aus 40 Mitgliedern. 
Ihnen wurde die Mißbilligung der „Alten" 
ausgesprochen, worauf eine Gruppe von 
17 Künstlern am 24. Mai 1897 demonstrativ 
aus der Genossenschaft austrat. Es wäre 
interessant, über die Rolle Hoffmanns in 
dieser Entwicklung mehr zu wissen, da er 
erst am 2. Juli 1897 der Secession beitrat 
und nicht an dem gemeinsamen Austritt 
teilnahm, sondern erst einen Tag später, 
am 25. Mai, gefolgt von Kurzweil, Lenz, 
List, Pochwalski und Sigmundt, die Ge- 
nossenschaft verließ. 
Nur kurze Zeit später, am 6. Juni 1897, 
wurde ein Mitglied der neuen Vereinigung, 
Felician Freiherr von Myrbach, als Leiter der 
Fachklasse für Graphik an die Kunstgewerbe- 
schule des Österreichischen Museums für 
Kunst und Industrie berufen. Nachdem Myr- 
bach dann am 25. Februar 1899 zum provi- 
sorischen Leiter dieser Schule ernannt worden 
war, berief er als ersten im April desselben 
Jahres Josef Hoffmann als Leiter der Archi- 
tekturklasse, obwohl sich Otto Wagner für 
Olbrich eingesetzt hatte. Am 3. August 1897 
hatte aber noch an einem anderen bedeutenden 
Institut ein Direktionswechsel stattgefunden: 
Arthur von Scala übernahm das Museum für 
Kunst und Industrie und begann unverzüglich 
von dieser Seite ljier eine Reform des Kunst- 
handwerkes zu fördern. Schon bei Eröffnung 
der Winterausstellung 1899 sagte der Leiter 
des Unterrichtsministeriums, Dr. Ritter von 
Hartel, in Anwesenheit Olbrichs, Wagners, 
Myrbachs und Hoffmanns: „Die fortschritt- 
liche Bewegung auf dem Felde kunstgewerb- 
liehen Schaffens fesselt heute unsere Blicke 
wie kaum zu einer anderen Zeit und wie kaum 
eine andere culturelle Bewegung . . . Wer 
wollte nicht sehen, daß das Kunstgewerbe aus 
dem Wandel und dem Aufschwung der hohen 
Kunst und der wiederhergestellten innigeren 
Verbindung mit derselben verjüngende Kraft 
schöpfte und dass die Erweiterung und Ver- 
tiefung kunstwissensehaftlicher Betrachtung 
seinem Schaffen neue Quellen erschloß?" 
Hoffmann hatte sich in der Zwischenzeit zu 
einem bedeutenden Ausstellungsarchitekten 
der Secession neben Olbrich entwickelt; 
nach dessen Weggang im Jahr 1899 übernahm 
er dessen führende Rolle in Wien. In di 
Jahr wirkte er im Österreichischen Mu: 
als Juror bei einer Konkurrenz für Entv 
von kunstgcwerblichen Objekten mit Pr 
aus dem Hoftiteltaxfonds, bei der in der di 
Konkurrenz 7 als Aufgabe war ein l 
service für einen einfachen Haushalt zu 
werfen - Kolo Moser für ein von E. I 
lowits eingcsendetes Service den ersten 
erhielt. 
Seit 1896 war aber auch Adolf Loos in i 
Er hatte in Chikago die Geschäfts- und I 
bauten kennengelernt, die unter dem N: 
„Schule von Chikago" als eine der Wu 
moderner Architektur angesehen werden 
Architekturentwicklung war durch einen 
ßen Brand im Jahr 1871 und den Börscnl 
von 1873 sehr beeiniiußt worden. Von 
bis 1887 baute Henry Hobson Richardso 
Großhandclshaus für Marshall Field in 
sivem Maucrwerk, dessen blockhafte 
schlossenheit und straffe Monumentalitä 
weitere Entwicklung bestimmten. Die 
Otto Wagner vergleichbare Persönlichki 
Chikago war aber dann Louis H. Sull 
der mit Dankmar Adler nicht nur den 
schen amerikanischen Wolkenkratzer der F 
zeit mit Sockel, Schaft und Kopf konzij: 
sondern auch als Theoretiker große Bedci 
erwarb. Nach allgemeiner Annahme muß 
seinen 1892 erschienenen Aufsatz „Orna 
in Architecture" gekannt haben, in de 
unter anderem heißt: „Ich halte es für 
leuchtend, daß ein Gebäude ohne je; 
Verzierung allein auf Grund seiner MüSSi 
Proportion ein Gefühl der Erhabenheit 
Würde vermitteln kann. Nicht einleuc 
erscheint mit, daß die Verzierung wese 
zur Steigerung dieser elementaren Wert: 
tragen sollte. Warum also verwenden w 
Ornament? . . . Wenn ich diese Frage in 
Aufrichtigkeit beantworten soll, dann m 
ich sagen, daß es vom ästhetischen Stand] 
aus uns nur zum besten gereichen kt 
wenn wir für eine Zeitlang das Ornz 
beiseite ließen und uns ganz und gar a1 
Errichtung von in ihrer Nüchternheit s 
geformten und anmutigen Bauwerken 
zentrierten." 
Diese Sätze klingen wie ein Loos'sches 
gramm, und dies um so mehr, als Loos, 
er wirklich an seinen Bauten ein Orn: 
verwendete, es im Sinne Sullivans tat, t 
seinem Text fortfuhr: „Nachdem wir 
Stufe erreicht hätten, könnten wir Ohlfli 
fahr darangehen, zu überlegen, bis zu we 
Grade die Anbringung von Ornamente 
Schönheit unserer Bauten zu erhöhen, 
neuen Reiz sie ihnen zu verleihen im: 
wäre." 
Adolf Loos muß daneben aber auch 
sichten mit nach Wien gebracht haben, 
auf der Weltausstellung von 1893 in Ch 
gewann. Schon auf der Pariser Weltaussti 
von 1878 hatte man in den Berichtet 
einem „Pullmancar-Stil" bei der Behan 
der flachen und starren, ganz auf die Fä 
der Hölzer gestellten amerikanischen l 
gesprochen. In Chikago hatten die Arner 
sich selbst gefunden. Julius Lessing s- 
damals: „Wir aber, die wir mit dem
	        
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