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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVI (1971 / Heft 118)

möglich zu gestalten. Exponate, die nicht er- 
reicht werden konnten, wurden durch Foto- 
grafien ersetzt. Bei den Kupferstichen und 
Holzschnitten wurde die Auswahl laut Bericht 
so getroffen, daß einerseits alle Hauptwerke, 
andererseits alle eigentümlidien Richtungen, 
„selbst die wissensdiaftlidie", vertreten sind. 
Die dargebotene Druckgraphik stammte aus 
dem Besitz der Herren Artaria, von Heintl, 
Hauslab und der Ornamentstichsammlung des 
Museums. 
Zum Abschluß des Berichtes wird noch „einer 
dritten Art gedacht, durch welche das Museum 
das Andenken des großen Meisters ehrt", näm- 
lich der Festschrift. Eingeleitet durch einen 
kurzen Text von Moritz Thausing, sind die 
Kostümzeichnungen Dürers „mit unvergleich- 
licher Treue von Josef Schönbrunner auf den 
Holzstock gezeichnet und in der Xylographi- 
schen Anstalt von F. W. Bader entsprechend 
ausgeführt worden. Abgesehen von Veranlas- 
sung und Inhalt wird diese Publikation auch 
als xylographischer Farbendruck seine Bedeu- 
tung bewähren". 
Die Ausstellung wurde ein Erfolg. In den Juni- 
Mitteilungen" wird vermerkt, daß wegen der 
lebhaften Teilnahme des Publikums an der 
Ausstellung der Schluß derselben auf den 18. 
Juni verschoben wird. In seinem Dankschrei- 
ben an alle Leihgeber anläßlich des Abschlusses 
der Dürer-Ausstellunglä nennt Eitelberger den 
Erfolg der auf vielseitigen Wunsch über den 
ursprünglich festgesetzten Termin hinaus ver- 
längerten Dürer-Ausstellung als befriedigend. 
Die Teilnahme des Publikums hätte sich fort- 
während gesteigert, und von allen Seiten wä- 
ren Äußerungen des Dankes gekommen, daß es 
einmal möglich war, den verehrten Meister in 
all seiner Vielseitigkeit zu bewundern. Auch in 
der Festschrift des Österreichischen Museums 
anläßlich der Weltausstellung von 1873m wird 
noch einmal der Dürer-Ausstellung gedacht. 
Weniger befriedigend scheint der Erfolg der 
Festpublikation von Dürers Trachtenbildern 
gewesen zu sein, obwohl gerade ihr so viel 
Aufmerksamkeit während der Vorbereitung ge- 
schenkt wurde. Anfang Mai 1871 verfaßt Di- 
rektor Eitelberger ein Rundsd-ireiben", das 
Kunstfreunde und Kunstinstitute auf die Publi- 
kation aufmerksam machen sollte. Die Ant- 
worten sind enttäuschend: Architekt Horki aus 
Graz w schreibt, daß „die Teilnahme für solche 
Kunsterscheinungen im hiesigen Publikum er- 
bärmlich klein wäre", und nennt sieben Sub- 
skribenten. Prof. Wilhelm Lübke schreibt aus 
Berlin", daß er die Publikation interessant 
findet, weiß aber nur einen Abnehmer. A. 
Cornill d'Orville z" bestellt für Frankfurt fünf 
Exemplare, Dr. Römer" läßt in Budapest in 
seinem Blatt die Ankündigung abdrucken und 
nennt drei Leute, die sich daraufhin gemeldet 
haben. Nebst zehn Freiexemplaren sind dies die 
einzigen verzeichneten Hefte, die außerhalb 
von Wien abgesetzt werden konnten. Schon in 
der Kuratoriumssitzung vom 10. Mai 187122 
fürchtet man, daß die Herstellungskosten der 
Festpublikation von immerhin 1075 Gulden" 
durch den Absatz entgegen der früher ausge- 
sprochenen Hoffnung nicht gededtt werden 
können. 
Trotz dieser Enttäuschung in finanzieller Hin- 
sicht und trotz der zögernden Abnahmebereit- 
10 
Schaft von seiten des Publikums war eines aber 
im Sinne der Herausgeber gelungen: der Tech- 
nik des Holzschnittes die Basis zu einem neuen 
Aufschwung zu geben. In Buchers Bericht über 
die bei der Ausstellung Usterreidiisches Kunst- 
gewerbe 24, der Eröffnungsausstellung des neuen 
Hauses am Stubenring, vertretenen Arbeiten 
auf dem Gebiet der Druckgraphik heißt es un- 
ter anderem: „Noch hat die Mode auch auf die- 
sem Gebiet (nämlich dem der Druckgraphik) 
zuviel zu sagen. Die unschöitsten Verzerrungen, 
die geschmacklosesten Verschnörkelungen wer- 
den akzeptiert, wenn sie nur neu oder wieder 
neu sind . . .25", „einen höchst erfreulichen Auf- 
sdawung hat indes in den letzten Jahren der 
Holzschnitt genommen . . ." wobei „die für das 
Österreichische Museum in F. W. Baders 110d] 
junger Anstalt für Holzschneidekunst ausge- 
führten Nachbildungen Dürerscher Trachten- 
bilder wohl als bahnbrechend für den Farben- 
holzschnitt angesehen werden dürfen 9"". 
Liest man nun die Einleitung Moritz von 
Thausings zu der Festpublikation, so drängt sich 
der Gedanke auf, daß es den Herausgebern des 
Heftes viel weniger um die Feier und Würdi- 
gung des großen Meisters ging, als um die Aus- 
nützung der Möglichkeit, aus gebotenem Anlaß 
in einen Zweig der Entwicklung der Kunst- 
industrie einzugreifen. Daß also ein populärer 
Anlaß verwendet wurde, um eigenen Inten- 
tionen den Weg in die breite Öffentlichkeit zu 
verschaffen. Um die ganze Schärfe der Situa- 
tion erkennen zu lassen, sei darum jene Einlei- 
tung wiedergegeben": „Die Publikation ver- 
folgt nicht bloß den ideellen Zweck, dem An- 
denken Dürers eine Huldigung darzubringen, 
wie den praktischen, für Kunst und Industrie 
einige brauchbare Muster zu schaffen; es galt 
vor allem auch, durch die Art der Reproduktion 
selbst den popularisierenden Kunstbestrebungen 
des k. k. Österreichischen Museums Vorschub zu 
leisten. Bei der heutigen Vervollkommnung der 
Holzschneidekunst erschien das Prinzip der al- 
ten Helldunkel- oder Clairobscurtechnik, der 
Drudt mit zwei oder mehreren Holzstödten in 
verschiedenen Farben, einer viel weiteren künst- 
lerischen Entwicklung fähig, als sie durch die 
marktgängigen bunten Heiligenbilder bisher er- 
reicht wurde. Gelungene Versuche ließen über 
die mannigfadne Stufenleiter der hier zu er- 
zielenden Wirkungen keinen Zweifel. Die Fein- 
heit und Präzision der Ausführung, die Ge- 
fügigkeit und Unverwüstlidikeit des Stirnhol- 
zes, das trockene Druckverfahren und der kon- 
stante Farbauftrag verleihen der Chromo- 
xylographie beachtenswerte Vorzüge vor der 
Chromolithographie. Der Farbenholzschnitt lei- 
det weit weniger unter der Eintönigkeit und 
den Zufälligkeiten des Materials, und die Frei- 
heit der Künstlerhand reicht viel weiter in sein 
Verfahren hinein. Auf diesem Wege am ehe- 
sten könnten wir zu einer höheren, künstleri- 
sche Ansprüdie befriedigenden, farbigen Ver- 
vielfältigung gelangen, nach welcher unsere 
wieder mehr farbenfrohe Zeit entschieden Ver- 
langen trägt. Mit den vorliegenden Trachten- 
bildern soll nun ein Schritt vorwärts nach die- 
ser Richtung gemadit werden. Die völlige Über- 
einstimmung der Abdrüdte mit den Originalen 
Dürers und den darnadi gefertigten Drudtvor- 
lagen des Kustos Josef Schönbrunner gestattet 
die Wiedergabe des Aquarells im Farbenholz- 
schnitt als vollkommen erreicht anzusehen und 
läßt hoffen, die Schwierigkeiten einer farbigen 
Reproduktion des Ulgemäldes durch eine ge- 
schickte Handhabung des Farbenholzschnittes 
zu überwinden. Möge der vervielfältigenden 
Kunst, deren Blüte ja vornehmlich Albrecht 
Dürer begründet hat, im Farbenholzschnitt eine 
neue Stütze erwachsen! Was in diesem Sinne 
hier etwa angebahnt wurde, gesdiah dann auch 
im Geiste Dürers." 
Hätte man jedoch tatsächlich im Sinne Albrecht 
Dürers arbeiten wollen, wäre es nicht viel ver- 
ständlicher gewesen, einen von seinen druck- 
graphischen Zyklen neu aufzulegen? Einem 
Beispiel zu folgen, das rund 100 Jahre zuvor 
in Wien durch den Vorstand der Kupferstich- 
sammlung der Hofbibliothek, Kunstgelehrten 
und ausübenden Künstler Adam Bartsch bereits 
gegeben wurde, etwa im Sinne der von ihm 
1781 herausgegebenen „Sammlung verschiede- 
ner alter Holzschnitte größtenteils nach Al- 
brecht Dürers Zeichnungen, wovon sich die 
Originalplatten auf der k. k. Hofbibliothek be- 
finden". 
So aber wurde weit weniger der Meister ge- 
würdigt als vielmehr ein Dokument der Zeit 
publiziert. Gerade in den siebziger Jahren des 
vorigen Jahrhunderts war ganz Europa um 
die Wiedererweckung der sogenannten altdeut- 
schen Kunst, der deutschen Renaissance, be- 
müht, und es bot wohl das Dürer-Jubiläum 
einen willkommenen ersten Anlaß, in ganz be- 
sonderer Weise propagandistisch vorbildhaft 
zu wirken. Das erklärt auch, warum die Aus- 
wahl der Reproduktionen gerade auf die Trach- 
tenbilder fiel, deren Originale im Besitze der 
Albertinischen Sammlung und nicht des Mu- 
seums waren, obwohl das Museum zu dieser 
Zeit bereits über eine stattliche eigene Samm- 
lung von durchaus reproduzierungswürdigen 
Holzschnitten Dürers verfügte wie auch über 
einen lange als verschollen geglaubten Holz- 
stock aus der Ehrenpforte. Man sah in den 
Trachtenbildern wohl verwertbare Vorlagen zur 
Beeinflussung und Bildung des Geschmackes 
wie auch durch die uns heute geradezu wider- 
sinnig anmutende Umsetzung des Aquarells 
zum Holzschnitt eine Möglichkeit, der Kunst- 
industrie den Weg zum Experiment in Hin- 
blick auf technische und handwerkliche Verfei- 
nerung auf Grund eines gegebenen Vorbildes 
zu weisen. Interessant aber bleibt immerhin, 
daß ein zu seiner Zeit bedeutender und heute 
noch beaditenswerter Kunsthistoriker derartige 
Überlegungen gegenüber einer objektiven Wür- 
digung des Künstlers in den Vordergrund stellt. 
Eine ganz andere Einstellung und Denkart liegt 
bei der Jubiläumsausstellung vor. Wohl im Be- 
wußtsein der Bedeutung des Österreichischen 
Museums, das „älteste" Museum im organisa- 
torisdien Sinne auf dem Kontinent zu sein, 
fühlt sich Eitelberger zur Durchführung einer 
umfassenden Ausstellung des graphischen 
CEuvres Dürers berufen, wobei für die Be- 
schränkung auf die Graphik einerseits der 
knappe im Ballhaus zur Verfügung stehende 
Platz, andererseits wohl auch das Statut des 
Museums ausschlaggebend gewesen sein mögen. 
Albrecht Dürer, Das Marir-nlcbcn, Heimsuchung. 1503104 
Albrecht Dürer, Die Groll: Passion, Auferstehung, 1510 
Albred-ir Dürer, Die Große Passion. Beweinung, 1498199 
Albredu Dürer, Simson, den Löwen bezwingend, 1496197 
wmvm 
fAhi-nerkiirgen 14-21 s. s. n)
	        
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