aire Lemoine-lsabeau
L'homme de Neuvitte"-
er Mann aus Neuwied
der David Roentgen
n Brüssel
Y
wehe Bildtexf 3, Raum 6 4, Raum 7 V
O
In den Aufzeichnungen des Karl Alexander von
Lothringen, „Journal Secret" genannt, in dem
der Statthalter der österreichischen Niederlande
seine persönlichen Ausgaben und die beim
Spiel und anderen Gelegenheiten erlittenen Ver-
luste eintrug, finden wir kurze Anmerkungen
über Käufe von Kunstwerken. Gelegentlich ste-
hen die Namen der Künstler dabei, doch macht
die persönliche Handschrift des Statthalters ihre
Identifizierung oft schwierig. In den meisten
Fällen nahm sich Prinz Karl nicht die Mühe,
den Namen des Künstlers genauer anzugeben
und schrieb einfach: „un larroin" oder „un
d'Anvers" oder eben „l'homme de Neuvitte"
(der Mann aus Neuwied). Dieser „homme de
Neuvitte" scheint in den Aufzeichnungen von
1775 bis 1779 auf und wurde bereits 1928 von
Hans Huth als David Roentgen, der berühmte
Kunsttischler aus Neuwied, identifizierth Er lie-
ferte hauptsächlich zwei große, intarsierte Panne-
aus, die für das Palais in Brüssel bestimmt
waren.
Einige Dokumente, die wir kürzlich in den
„Archives generoles du Royaume" in Brüssel
ausheben, ermöglichen uns, die Tätigkeit
Roentgens in den österreichischen Niederlan-
den zu präzisiereni.
David Roentgen (1743-1807) war Sohn und
Schüler des deutschen Kunsttischlers Abraham
Roentgen, in dessen Werkstatt in Neuwied (bei
Koblenz) er mitarbeitete und dessen Platz er
später einnahm.
lm August 1774 begann er den europäischen
Markt zu erobern. Da er gebildet, geschickt und
geschäftstüchtig war, hatte er schnell Erfolg
und wurde vor allem Lieferant der Höfe Frank-
reichs und Rußlands.
Die erste Spur, die wir von Roentgeri in Brüssel
fanden, geht auf den Frühling des Jahres 1775
zurück. Es handelt sich um ein Gesuch des
Kunsttischlers an den „Conseil des Finances" in
Brüssel, in dem er um besonders günstige Be-
dingungen für die Einfuhr seiner Möbel in die
österreichischen Niederlande bittet. Diese Maß-
nahme, die er immer traf, wenn er einen neuen
Markt erobern wollte, scheint keinen Erfolg ge-
habt zu hoben]. Wahrscheinlich zählte er seit
dieser Zeit zu den Lieferanten des Karl von
Lothringen, obwohl die erste Lieferung, die wir
mit Sicherheit feststellen konnten, erst in den
Mai 1775 fällt. Prinz Karl bezahlte ihm nämlich
am 26. Mai 50 doppelte Souvereigns (etwa 900
Gulden) für zwei Sekretäre und einen Schreib-
tisch; später, am dorauffolgenden 18. Novem-
ber, 8 Louisdar (104 Gulden) für eine Kassettet.
Zur selben Zeit begann Roentgen seinen Kun-
denkreis auf die Umgebung des Statthalters zu
erweitern; Madame de Crumpipen, die Gemah-
lin des Kanzlers von Brabant, bestellte bei ihn-i
einen Toilettetischs.
In Zukunft war Roentgen ein regelmäßiger Lie-
ferant des Brüsseler Hofes, zumindest bis zum
Tode des Prinzen Karl.
Nachstehend, in chronologischer Reihenfolge,
die Käufe, die wir nachweisen konnten.
Im August 1776 liefert „der Mann aus Neuwied"
Karl von Lothringen „einen Schreibschrank, auf
dem eine Uhr ist... mit vielen Geheimnissen".
Der Prinz gibt ihm eine ähnliche Uhr zurück, die
er schon besaß, und zahlt die stattliche Summe
von 5950 Gulden. Die Uhr, welche Karl von
Lothringen zurückgibt, als ob sie nunmehr un-
nütz wäre - vielleicht war sie der des neuen
Schreibschranks zu ähnlich - hatte er bereits
früher einmal bei Roentgen gekauft, zu einem
Zeitpunkt, den wir nicht genau wissen. Dieser
Kunstschrank mit Spieluhr wurde im Brüsseler Pa-
lais aufgestellt, und zwar im Schreibzimmer des
Statthalters, wie wir später noch sehen werdenf.
Anmerkungen 1-12
lHans Huth: Abraham und David Roentgen ui
Neuwieder Möbelwerkstatt, Berlin, Deutscher Ve
Kunstwissenschaft, 1928.
F. Windisch-Graetz: Möbel von David Roenti
„Alte und moderne Kunst", 1963, Nr. 69, p. 31-35.
Siehe auch die Bibliographie in: J. Viäux: Biblic
du meuble, Mobilier civil francais, Paris, 1966, p.
711211 möchte nidit versäumen, folgenden Herren
allerherzlichsten Dank auszusprechen: Herrn Jeai
Präsident der „Societe reyale de Numismatickue
gien, dessen umfassende Kenntnisse und kluge a
eine große Hilfe für midi bedeuteten. Herrn Dr. Ha
Ebrenkurator des „Art Institute", Chikago, der so
würdig war, mich an seinem profunden Wissen i
Kunst Roentgens teilhaben zu lassen, sawle
Dr. Franz Windisch-Graetz, der es mir ermöglic
Schönheit dieser Möbel kennenzulernen.
Verwendete Abkürzungen:
A.G.R. Archives generales du Rovaume, Br
Dort befinden sich;
S.E.G. Secretairerie d'Etat et de Guerre.
cr. Ä Conseil des Finances.
Mss. divers : diverse Manuskripte
M.C.L. : Maisan de Charles de Lorraine.
C. PI. Cartes et Plans.
25. März 1775. Siehe C.F. 630, fol. 49 versa; C
t 26. Mai und 18. November 1775; siehe Anhang 1.
5 Mss. divers 3110: Brief von Weiss, Kabinettssekri
Karl von Lothringen, an Giron, Kämmerer des
datiert 5. Oktober 1775, Mariemont: Madc
Crumpipen, Gemahlin des Kanzlers von Brabant,
faire au meme ebeniste ollernand qul a ver_idu r
de ses ouvrages a 5.A.R.", einen Tailettetisch,
21. September aus Neuwied abgeschickt wurde
Ihre Königliche Hoheit adressiert war._Da der He
Mariemont aufhielt, bittet Weiss Giron, ihn i
Ankunft der Kiste in Kenntnis zu setzen.
fSiehe Anhan 1, 23. Au ust 1776, und Anhan 2,
gust 1776. C. . 6911. am . September 1776 stel te I
passeport pour la sortie e" exemption de droits c
d'une caisse contenant une grande glendule
nomme Roentgen reexpartera a l etranger aus.
Anhang 1, 19. September 1777.
' Anhang 3, 21. Februar 1778.
'C.F. 5444. ln einem Brief an den „Tresorier g
datiert 6. März 1778, Brüssel, leitet Crumpipen r
positiven Empfehlung eine Bitte Roent ens weiter
kleine Kisten zollfrei ausführen zu dür en; die bc
Aufstellung gibt an, daß drei Kisten „des tabls
ont servi de modeles paur San Altesse Royale"
ten, und vier Kisten „des ouvrages de branze
eie dores a Bruxelles pnur servir dornementt
meubles". Roentgen nahm also mindestens drei Bi
C.F. 6911: der Paß wurde ihm am folgenden 7. M
gestellt.
'" Mss. divers 3110: Brief von M. H. De Pree an I
Lothringen, Köln, 23. Februar 1779. er schidit i
Kiste von Roentgen, die die Aufschrift SNI tr
778 Zentner wiegt.
"Siehe Anhang 4 und 5. Die Briefe Roentgens
sich in einem an Giron adressierten Korres onde
Claude Giron, ein Lothringer, vielleicht Sa n eii
narren, besaß nun Einfluß auf Karl von Lathrini
dem er durch die Bankinhaberin Nettine Untersti
erhielt und für den er Löhne, Renten und vers
Rechnungen zahlte. Giron vermittelte Zusamm
und verfaßte die Urkunden. Raeritgen hatte vei
sich gut mit Giron zu stellen, und hielt ihn üb
Lieferungen auf dem laufenden. Nach dem Tod
von Lothringen kam man darauf, daß Giron 16.lJlJ(
veruntreut hatte. Möglicherweise war die dari
stehende Untersuchung der Grund dafür, da
Korrespondenz erhalten blieb. In Wirklichkeit
der erste Brief Roentgens vom 12. März 1776: er
aus Lünicti, daß er die rrpendule a instrumenl
bei der Lotterie gewannen habe. Es handelt sich
um dieselbe Lotterie, die der Kunsttisctiler i
Brief an Karaline-Louise von Baden im Dezem
erwähnt. Siehe H. Huth, p. 57, n. 32.
" C.F. 6567: Brief des Baron de Beeten an d. ,
principaux des Draits de S. M.", Herve, B. N
J. M. Rummer (1747-1812). Siehe H. Huth, p. 47.