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aus ihren starren, runden Augen kann
chwerlich ihr Seelenleben erraten.
r Männerakte sind in sich gekehrt, sind
chlossene Systeme voll innerer Spannun-
ganz in sich selbst versunken, von sich
erfüllt. Eine geballte Gewitterwolke vor
ersten Blitz.
nackten Männer wälzen sich im leeren
wie die Verdammten des Jüngsten Ge-
s, wie gepeitschte und gegeißelte anonyme
llanten. Niemals ist es der Beschauer,
in sie sich wenden, der Gegenstand ihres
3tseins sein könnte. Sie gehoben sich ma-
isch wie die von tausend Zweifeln geplag-
elden der Romane Franz Kafkas. Es sind
iezentren, die Ultrawellen ausstrahlen, es
jeladene Leidener Flaschen.
lie Akte Klimts weht die warme Atmo-
e der Boudoirs, geschwängert vom Duft er-
zr, längst vergessener Parfüms. Man denkt
orte Rilkes über die Entdeckung der Frau
Rodin, der, so wie Klimt, schon in seiner
1 Jugend sein Handwerk bewältigt, über-
an hatte; es stellte beiden für den Rest
Lebens keinerlei Probleme mehr in den
Einer ihrer typischesten Zeitgenossen -
' Wilde - sagte, „nur der Frühreife wird
:h reif". Klimt hatte die Routine eines
emieprotessors schon mit 25 Jahren er-
und überholt. Seine Hand gehorchte ihm
.lfred Grünfeld die seinen, welche die Ta-
(aum zu berühren schienen. Die Bleistift-
Klimts zitterte erregt über die handge-
ften Bogen des kaiserlichen Japanpapieres,
icht kostbar genug scheinen für diese un-
baren, unwiederhalbaren Emotionen. Er
b sie hin in unerschöpflicher Fruchtbarkeit,
Zaudern und ohne Verlegenheit, ja ohne
Ermüdung, ein ewiger Jüngling voll Neu-
ind Erregung, berauscht vom Zauber der
chkeit. Schon darin ein echter Wiener. Al-
JS, was Klimt als bildender Künstler, als
. erkannt, gesehen hat, den Farmenreich-
lie Ausdrucksmöglichkeiten des weiblichen
trs, das alles hat er auf seinem Wege wie
ingefähr, ohne zu suchen, deshalb in so
m Maße gefunden, weil er kein Professor
Es ist unter seiner_zauberhaft leichten,
n Form so souverän verborgen und wurde
im in wahrhaft traumwandlerischer Sicher-
cheinbar spielerisch erreicht - so wie Mo-
eine rosigen Gletschergipfel erreichte, de-
igende Höhe man erst empargehoben vom
er seiner duftigen Schönheit schwindelnd
sich erahnt.
das typisch österreichische Phänomen, die
iung, die zartesten Liebreiz mit Größe zu
en vermag. Es ist bei Klimt vielleicht ein
nis der ungehemmten Männlichkeit, der
sicheren Eroberernatur, die, ohne sichtliche
ung, schon bei der ersten Begegnung zu
I gewiß ist. Klimt war kein schmachtender
rer einer unerreichbaren lnamorata wie
arzer, Beethoven oder Schubert. Er war
Blender wie der kränkliche Makart; er
e seine Modelle durch und durch. Er hat
rt Frauen so gesehen, wie sie sich selbst
kannten, er hat ihre Schönheit erlebt, hat
das Siegel, den Charakter seiner Persön-
it und damit seiner Zeit aufgeprägt. Klimt
an weiblichen Körper so entdeckt, enthüllt
odin. Seine Zeichnungen sind Indiskretio-
sie verraten die niegesehenen, noch nie
haltenen körperlichen Höhepunkte, Eksta-
es weiblichen Körpers. Klimt war der Pra-
vollendeter Männlichkeit. Kein Herr Pro-
, der so sehr an sein Handwerk denken
daß er darüber das lebende Modell ver-
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gener Sicherheit, daß er es sich leisten konnte,
beim Zeichnen zu träumen. Es sind in der Tat
erotische Wachträume, keine „Aktzeichnungen",
wie sogar noch bei Hadler. Klimt sublimiert
ganz unbewußt sein Augenerlebnis, seine Zärt-
lichkeit oder Leidenschaft zu zartesten Kalli-
grammen, scheinbar ohne jede Schwierigkeit,
ohne das Suchen, den Kampf, der den Charak-
ter der Zeichnungen anderer moderner Meister
bestimmt. Ein olympischer Genießer. So er-
scheint er uns, so stellt er die Frau dar - das
Kind, das Mädchen, die Jungfrau, das aufge-
blühte Weib, die von Leidenschaft verzehrte He-
täre, die verwelkte alte Frau, sie alle sieht er
als Mann, sieht in allen vor allem das Weib. Und
so ziehen die hundert Akte vor unseren entzück-
ten Augen durch unsere Vorstellung wie ein
traumhafter Reigen, wie die in Marmor erstarr-
ten Frauenakte in Rodins porte de l'enfer - noch
mehr als diese durch die Epoche gezeichnet,
ja geradezu ihr kulminanter Ausdruck, das Schön-
ste, was sie zu geben imstande war.
Das sind nicht die Soubretten Makarts, denen
die Rollen der Bacchantinnen des Rubens zu
schwer waren, um sie überzeugend spielen zu
können - es sind van ihrer ureigensten Leiden-
schaft überwältigte Frauen aus der intimen Um-
welt Klimts; sie spielten nichts var, führten nichts
auf. Sie wurden von ihm entdeckt, erlebt, erra-
ten. Es war kein Theater, was hier dargestellt
wurde. Klimts Motiv war das Leben selbst, sein
Quellgebiet, sein Ursprung, sein Kernproblem,
seine Entstehung - die traumschaffende Ur-
kraft. Klimt war eben kein Professor, diese kom-
men immer hinterdrein, er war ein Meister, das
heißt ein Anfang. Seine zwei großen Nachfah-
ren waren keine Schüler, sie waren seine Jün-
ger und haben durch ihn den entscheidenden
Anstoß, Abstoß erhalten, die Anregung, die ins
Blut übergeht.
Die Frauenakte Klimts sind, wie mit sich selbst
beschäftigt, allein in camero caritatis. Schieles
Modelle stehen dagegen in aktivster Beziehung
zum Künstler. Diese Beziehung äußert sich nicht
nur in dem meist scharf auf diesen gerichteten
Blick, oft sind die Dargestellten in geradezu ab-
wehrender oder aggressiver Haltung ihm gegen-
über. Das ist ein wesentlicher Zug seiner Kunst,
die etwas bewußt Autobiographisches an sich
hat, etwas vom Bedürfnis des Dichters zum Be-
kenntnis und Geständnis, zum Abreagieren der
eigenen Qual. Schieles Mädchen erscheinen wie
Verführte, oft geängstigt und erschrocken.
Manchmal sehen sie aus wie Freudenmädchen;
Gelassenheit ist ihnen nicht gegeben, sie wir-
ken eher gehetzt und gequält oder zornig.
Klimt ist mondün wie Beardsley, man denkt an
Rilke, Schaukal, Hoffmannsthal, an Mahler, also
gewiß an die vornehmsten Vertreter dieser Epo-
che. Aber beim jungen Kokoschka und bei Schie-
les Anfängen geht es schon um andere Dinge.
Wenn bei Klimt anfangs noch Makart oder
Stuck zu spüren waren, so wird bei seinen bei-
den Fortsetzern das psychologische Experiment
bis ins Krankhafte gesteigert, bis ins Tragische,
Geheimnisvolle. Es ist bereits die Welt, in der
Kafka, Musil, Schönberg und Webern leben, die
geistige Entdeckerzeit Otto Weiningers und
Freuds.
Man nannte diese Epoche dekadent, also das
Abklingen einer geistigen Entfaltung, sie war
aber in ihren stärksten Vertretern aszendent,
aufsteigend, also ein Anfang. Das Lebenswerk
Kokoschkas ist das großartigste Beispiel eines
sich unaufhaltsam entfaltenden Optimismus,
einer Lebensbejahung sondergleichen; die un-
gebrochene, unenttäuschbare Liebe zum Men-
schen, der unvergessene Orbis pictus seiner
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Jan Amos.
Die Aktzeichnungen Schieles bedeuten eine wei-
tere, überraschende Steigerung der Akte Klimts;
sie haben einen harten, unwahrscheinlich, ja
unheimlich sicheren Anschlag, sie zeigenikeine
duftigen Räusche mehr, ihre Wollust ist bis
zum Krampf gesteigert. Der stöhnende Seufzer
wird hier zum Aufschrei. Die Leidenschaft erhält
ausgesprochene Züge des Leidens. Hier wie bei
Klimt ist das Erlebnis aber so weitgehend durch
die künstlerische Persönlichkeit sublimiert, daß
das Erotische niemals anstößig werden kann,
weil es immer nur die Triebkraft des Kunstwerkes
bleibt, die sich in ihm restlos erschöpft und nie-
mals Selbstzweck bleibt. Die elysische Nacktheit
der Modelle Rodins und Maillols, die schwüle
Atmosphäre der Boudoirs, die üppigen Gestalten
Renoirs, sie wurden abgelöst von den Tanzübun-
gen der mageren Balletteusen Degas sowie von
den ideellen ägyptologischen Verrenkungen der
Modelle Hodlers, von deren rhythmischen Turn-
übungen und von den verhungerten Artistinnen
der blauen Epoche Picassos. Alle diese Gestal-
ten waren, wenn auch auf verschiedenste Weise,
als Motive empfunden, sie ließen den Maler
gewissermaßen aus dem Spiel. Aber in den ver-
krampften Figuren aus Haut und Knochen des
jungen Schiele spricht nicht nur die objektivierte
menschliche Verzweiflung, die als Motiv ver-
wertete soziale Not, sondern unmenschliches
Grauen. An diesem Wendepunkt begegnen wir
in der österreichischen Handzeichnung auf ein-
mal an Stelle des Motivs, der Darstellung des
Entsetzens, des Grauens vor dem Leben einem
Aufschrei des Künstlers.
Dieser Aufschrei kam vorher schon aus der
Kehle des jungen Kokoschka. Seine ersten Thea-
terstücke und deren Illustrationen waren progres-
siver als alle anderen künstlerischen Äußerun-
gen dieser österreichischen Epoche, die sich da-
mit einem Gipfel und Umschwung näherte. Je-
doch beendete die Weiterentfaltung der Kunst
Klimts und Schieles nicht etwa die Ontogenese
der österreichischen Kunst, sondern die spani-
sche Grippe. Das Beispiel Kokoschkas hat je-
denfalls erwiesen, daß ungeachtet seiner genia-
len Anfänge sein wirklicher Aufstieg, die volle
Entfaltung der weltweiten Krone seines Schöp-
fungsbaumes erst nach dem ersten Weltkrieg,
trotz schwerster Verwundungen und bitterster
Enttäuschungen, erfolgen sollte. Wäre er seinen
Verwundungen erlegen, würde man wahrschein-
lich gesagt haben: „Die Fülle genialer Schöpfun-
gen dieses friihreifen Genies hatte seine Mög-
lichkeiten erschöpft, er hatte sich in seinen jun-
gen Jahren völlig ausgegeben!" Er aber malt
zu dieser Zeit mit über 85 Jahren in Nordafrika
seine neuen Bilder, deren gelöste, hellstrahlende
Farbigkeit, großangelegte Komposition und split-
terig lockere Zeichnung einen weiteren Schritt
vorwärts bedeuten!
Die Frauen der Aktzeichnungen Klimts geben sich
in ihrer duftigen Sinnlichkeit dem Beschauer
preis wie Blumen den Schmetterlingen. Es ist
eine wonnevolle Treibhausatmosphäre um sie,
eine zu hoher Kunst geläuterte Wol-Lust, eine
Hingabe ohne Vorbehalt.
Schieles Akte dagegen sind voll Haßliebe, voll
gereizter Überspannung, als ob sie sich nicht
gerne, nicht freiwillig entblößten. Abwehr spricht
aus ihren Gesten, aus ihren Augen. Ihre Be-
ziehung zum Beschauer, zum Maler, ist augen-
fälliger als die der Modelle Klimts, die oft so
wirken, als ob sie der Meister heimlich belauscht
hätte.
Koligs Männerakte jedoch sind überhaupt keine
Gestalten des täglichen Lebens; sie wären un-
vorstellbar inmitten von Möbeln und Gebrauchs-
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