Horst- Herbert Kossatz
Style Mucha
Die gewaltige „Plakatbewegung" der Jahrhun-
dertwende wurde ein integrierender Bestandteil
des Jugendstils und machte ihn volkstümlich; die
neue Flächenkunst fand im Plakat das ihr ange-
messene Medium. Zu iener Zeit begann die
Scheinverschönerung der Umwelt durch bedruck-
tes Papier, die vorläufig beim modernen
„package-design" endet. Das Bildplakat, das aus
den vorher verwendeten Textonschlägen und
Flugblättern hervorging, ist ein typisches Kind
der industriellen Künste des vorigen Jahrhun-
derts, das seinen eigentlichen Anstoß vom iapa-
nischen Farbenholzschnitt erhielt. Die japanische
Kunst wurde einer großen Öffentlichkeit durch
die Weltausstellungen London 1862 und vor
allem Paris 1867 bekannt gemacht. Unter ihrem
Einfluß entstand „L'Art Nouveau" - dies war
der Name der Kunsthandlung, in welcher Samuel
Bing seit 1895 japanische Kunstgegenstände ver-
kaufte - als Protest gegen den Historismus, den
Eklektizismus und gegen den völlig erstarrten
Akademiebetrieb. Doch löste sich auch diese
Neukunst nicht völlig vom Historismus, da die
Künstler weiterhin die Musterbücher des Histo-
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rismus als Motivschatz benutzten. Ich habe des-
halb in meinem Buch „Ornamentole Plakatkunst"
(Salzburg l970) den Jugendstil einen „synthe-
tischen Historismus" genannt, weil er die über-
lieferten Ornamentrnotive als Bausteine für etwas
Neues verwendete.
Die Ausbildung eines künstlerischen Plakatstils
hatte fast ausschließlich bei Jules Cheret gelegen,
der seine Entwürfe eigenhändig auf den Stein
zeichnete. Er verstand es, in seine weit über
tausend Plokatentwürfe Anregungen einzuschmel-
zen, die er einerseits der [apanischen Kurtisanen-
darstellung, andererseits englischen und franzö-
sischen lllustrationszeichnern verdankte, die do-
mals das Thema Pariser Kokottenleben gern
behandelten.
Cheret hatte als Plakatmotiv die Halbweltdame
bevorzugt, obwohl sie nur selten in einen echten
Sinnzusammenhang mit dem anzupreisenden Ge-
genstand zu bringen war. Bis nach der Jahr-
hundertwende gehörte daraufhin das leichtsin-
nige Frauenzimmer zum Repertoire der franzö-
sischen Plakatkunst, obwohl es verschiedene
Künstler gab, die diesem Motiv einen anderen
Sinn zu geben versuchten. Da ist Eugene Grasset
zu nennen, der als Schüler Viollet-le-Ducs dem
Historismus verpflichtet war. Seine Beschäftigung
mit den Präraffaeliten führte ihn zur Bevorzu-
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Aälißllitl wir,
Alfons Mucha, La Dame aux Camelios - Sorah
Bernhardt. Forblithographie und Einstaubver-
fahren. Druck: F. Chompenois, Paris
Alfons Mucha, Gismonda - Saroh Bernhardt.
Theatre de la Renaissance. Farblithographie.
Druck: Lemercier, Paris
Alfons Mucha, lmprimerie Cassan Fils. Farb-
lithographie. Druck: Cassan Fils, Toulouse
Alfons Mucha, Salon des Cent, Juin 1897,
Exposition de Fäuvre de A. Mucha. Farb-
lithographie. Druck; F. Champenois, Paris