uraund
Schleusenhaus am Donoukonul, 1971
Christine Heuer
Federzeichnung, Titelcallage
Landschaft bei Assisi, 1972
Baumuschine, 1972
Christine Heuer
Das Malen mit Wasserfarben, jener Technik, bei
der mit weichem Pinsel flüssige Farben auf Papier
aufgetragen werden, ist unter den iüngeren
Künstlern nicht allzu beliebt. Nur wenige widmen
sich dem Aquarell und den dieser Technik eigenen
Gestaltungsmöglichkeiten. Die graphischen Techni-
ken finden größeres Interesse als diese maleri-
scheste Gestaltungsweise mit ihren reichen
kolaristischen Möglichkeiten, Tönungen, flöchigen
und fleckigen Strukturen, obwohl sie in Usterreich
durch Namen wie Oskar Kokoschka, Wilhelm
Thöny und Herbert Boeckl so hervorragend ver-
treten ist. Es mag wohl daran liegen, daß bei der
an sich einfachen Technik erst ein spontanes
Gestaltungsvermögen und eine subtile Empfindungs-
fähigkeit für farbliche Ausdruckswerte sich vereinen
müssen, um daraus ein Kunstwerk zu machen.
Wer daher gegenwärtig die Wasserfarbenmalerei
zu seiner bevorzugten Technik erwählt hat, steht
bewußt oder unbewußt in der Nachfolge iener
Maler, die seit Beginn des Jahrhunderts das
Aquarell zu einem autonomen Kunstwerk machten,
indem sie es nicht nur aus der Sphäre dilettierender
höherer Töchter und älterer Damen, sondern auch
vom Gegenstand befreite : die deutschen Expressio-
nisten, die Maler der „Brücke", des „Blauen Reiters"
sowie die norddeutschen Meister Emil Nalde, Lovis
Corinth und Christian Rohlfs.
Christine Heuer ist eine Schülerin Karl Rössings,
eines Meisters subtilster Farbigkeit. Sie hat Wien zu
ihrer zweiten Heimat erkoren. Und wie zumeist in
solchen Fällen, erlebt sie bewußter und empfindlicher
alles das, was eine solche Stadt den sensiblen Augen
darbietet. Die alten Höuser und krummen Gassen,
die Bauwerke der Gegenwart und einer reichen
Vergangenheit, der Stadtrand und das Wiener
Umland liefern ihr die meisten Vorwürfe für ihre
Aquarelle. Die meisten ihrer Arbeiten zeigen
Architektur- und Landschaftsbilder, darunter auch
einige, die anläßlidi einer Reise nach Italien
entstanden sind. Es rnuß angemerkt werden, daß
die Stadtarchitekturen var den Landschaften ge-
schaffen wurden, und diese daher den letzten Stand
der malerischen Entwicklung Christine Heuers dar-
stellen. Wie realisiert Christine Heuer ihre Bild-
Vorwürfe?
Allen Arbeiten liegt die spontane Handhabung der
flöchig-fließenden Farbe zugrunde. Die fließende
Konsistenz, durch ein Malen naß in naß gesteigert,
verstärkt den Eindruck des Unmittelbar-Unbeküm-
merten. Der in Flecken und Flächen von intensiv-
ster Fabigkeit durchgeführte Bildaufbau ist mit
zupackender Energie gestaltet. Nicht mehr der
mehr oder minder erkennbare Gegenstand - die
Architektur, die Landschaft - ist das Wesentliche,
sondern eine van allen Hemmnissen befreite
Farbigkeit, ihr kraftvolles Eigenleben, ihre psychisch-
emotionale Funktion. Christine Heuers „offene"
Malweise findet sich bei den Architekturbildern,
entsprechend der Thematik, noch durchsetzt mit
graphischen Anklängen. In den Landschaftsbildern
sind diese kaum mehr zu finden. Ein hachangesetz-
ter Horizont erlaubt es, fast das ganze Blatt mit
einem sensiblen Farb-„Chaas" zu füllen und allein
die fleckig-flöchigen Strukturen farbiger Flüssigkeit
als bildnerische Mittel einzusetzen. Hier „leuchten"
dann reine und gemischte, warme und kalte Farben
von elementarer Kraft und evozieren in den
Bildern vom Stadtrand und vom Wiener Umland
oft eine dunkle Schwermut, in denen aus Italien eine
sonnige Heiterkeit. In diesen Arbeiten hat sich
Christine Heuer frei gemalt, das heißt, sie handhabt
alle Freiheiten, die dem Aquarell eigen sind, mit
größter Sicherheit und persönlicher Gestaltungs-
kraft. Ihre Aquarelle sind ein eindrucksvoller Beitrag
zu dieser malerischesten Disziplin, von der man
sagt, daß sie „Anfang und Krone der Maltechnik"
ist.
Wilhelm Mrazek
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