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fullscreen: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe X (1895 / 7)

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Ungetheilten, alles Umfassenden ist der Grund, warum auch jetzt noch 
der Bischof bei der Priesterweihe das Messkleid mit den Worten dem 
Ordinanden überreicht: nNimm hin das priesterliche Kleid, unter dem 
die Liebe verstanden wird, denn Gott ist mächtig, Liebe und Vollkommen- 
heit in Dir zu mehrenu. (Pontif. Rom.) Das Allseitige, Abgeschlossene und 
Vollkommene dieses Kleides sollte die unverletzliche, jede Scheidung ab- 
lehnende Liebe symbolisiren. So weist selbst die Symbolik auf den antiken 
Ursprung unseres Paramentes zurück, und wenn gegenwärtig noch immer 
der Ministrant bei der hl. Wandlung das Messkleid emporhebt und ähnlich 
auch die assistirende Geistlichkeit beim Hocharute dem Pontificanten dient, 
deutet selbst diese unwesentliche Kleinigkeit auf die tausendjährige Ent- 
wicklung eines Kleides hin, dessen Schwere des Stoffes und besonders 
der Falten einen solchen Dienst früher einfach nothwendig machte. Und 
an mehreren Stellen setzt auch in der Gegenwart noch das Ceremoniale 
Episcoporum diesen alten Schnitt der Casula voraus. 
Wie aber wurde das profane Kleid der Antike zu einem litur- 
gischen, auch in seinem Schnitt unterschieden vom Profanen? Durch die 
Pforte der Ehre zog es in's Heiligthum ein. 
Um dies näher darzustellen, greifen wir noch einmal in's Alterthurn 
zurück, und beachten einen für die ganze Costümentwicklung merk- 
würdigen Process. Der Unterschied zwischen antikem und modernem 
Costüm ist am prägnantesten in dem BenndorPschen Worte gegeben, die 
antike Art bestehe in einem Systeme von Hüllen, das moderne Costüm 
sei ein System von Hülsen. Wann aber kam dies beengende, kürass- oder 
röhrenförmige Element an Stelle jener leicht und natürlich fließenden 
Falten, die plastisch und malerisch zugleich den Vorzug tingezwungener 
Natürlichkeit auch darin hatten, dass die Schultern, die vom Schöpfer 
bestimmten Träger einer Last, auch die einzigen Trag- und Haltpunkte 
jener Kleidung genannt werden können? Schon von den gallischen und 
parthischen Kriegen brachten die römischen Soldaten "kürzere, wohl nur 
bis zum Knie reichende Beinlingeu, wie Weiß sich ausdrückt (Costüm- 
geschichte I. 4,38), vom 3. Jahrhunderte aber wurde diese für FuBJ 
truppen gewiss praktische Beinkleidung, die vor den modernen Pantalons 
nur die Verschnürung oder Bindung voraus hat, allgemeiner und ging 
schließlich auch auf andere Stände über, so dass am Ende des 4. Jahr- 
hunderts Kaiser Honorius 395 n. Chr. das Tragen derselben innerhalb 
Roms verbieten musste. Aber wie die Hosen von den Barbaren ge- 
kommen waren, sollten sie durch und mit den Barbaren Rom erobern. 
wDurch das Hereinbrechen der germanischen Völker traten sich nämlich 
zwei Culturstufen gegenüber: die römische und die germanische; 
römisch war in Sprache, Sitte und Kleidung Gegensatz zu germanisch 
oder barbarisch. Und bezüglich der Kleidung lagen die beiden Typen, 
das kurze germanische Kriegskleid und das lange römische Friedens- 
gewand weit auseinander. Die Römer hielten an ihrer alten Tracht und
	        
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