. Österreichisches Museum für angewandte Kunst
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Endphase „China-Ausstellung und Kunst!
gewerbemuseum Schloß Petronell, älteste
Außenstelle des Museums
Das „Chinesische Frühiahr" im Museum herrscht
nach wie vor auch in der Endphase dieser Monster-
ausstellung. Als ob das varösterliche Treiben aus
der Stadt tagtäglich mit einer Menschenschlange
durch das weitgeäffnete Tor in das Haus einzieht.
immer wieder anrollende Busse unter einem ganz und
gar nicht musealgewünschten, seit vielen Wochen
blauen Himmel, hektisches Entreefieber. Um Punkt
"I0 Uhr trappelt tagtäglich der ungeduldige
„Tausendfüßler" Publikum an. Das in dieser Form
völlig ungewohnte pulsierende Leben im Museum
stimmt auch den hier Tätigen nachdenklich. Sind
diese Schätze aus China tatsächlich von so hoher
Strahlkraft oder was ist es wirklich, was diese
Schau so sensationell gut ankommen lüßt beim
Publikum aus allen Breiten und Schichten? Wie
werden wir uns nachher wieder im normalen
Museumsalltag zurechtfinden? Erstere Frage wird
sich wohl nie ganz treffend beantworten lassen,
wenn man auch ganz allgemein sagen kann, daß
alles Fernöstliche beim Europäer stets starke
Faszination auszulösen imstande ist. Ist es die
politische Begleitmusik, die da kontrastierend
miteinwirkt? Eines scheint für die Zukunft speziell
des Hauses sicher, man wird fürs erste auch die
China-Schätze des Museums nun wieder in einem
frischeren Licht sehen, ein neubelebtes Publikum,
echt angeregt durch die ietzt ausklingende
China-Ausstellung, schon Bekanntes mit neuen
Augen betrachten. Aber nicht nur die ostasiatischen
Sammlungen, das einzelne Musealobiekt als salches
könnte in seiner vollen Bedeutung und seinem Wert,
entsprechend neu eingeschätzt, Interesse erregen,
wenn man mit möglichen neuen Methoden Nutzen
aus diesem einmaligen Erfolg ziehen kann.
Die zwar nicht räumliche, iedoch von Sache und
Personal her totale Besetzung des Museums durch
die Ausstellung „Archäologische Funde der Volks-
republik China" brachte es nun auch mit sich, daß
die Sammlungen und die Bibliothek des Hauses für
die Öffentlichkeit während der Dauer dieser Aus-
stellung und darüber hinaus bis Ende Mai gesperrt
bleiben müssen. lm nächsten Heft wollen wir nach
einmal über diese wirkliche Ausstellungssensation
berichten, doch heute nur kurz den Besucherstand
von bald 200,000 und die unerwartet hohen Verkaufs-
zahlen des Kataloges, dzt. über 50.000, festhalten,
was diese Ausstellung wohl als das bisher stärkste
Ereignis auf diesem Sektor ausweist. Da uns hier
Raum freibleibt für andere das Museum betreffende
Obliegenheiten, möchten wir einmal etwas weiter
zurückgreifen und die älteste Außenstelle des
Museums zum Ansatzpunkt einer Rückerinnerung
und Betrachtung machen. Wenn wir daran denken,
wie zum erstenmal überhaupt die Idee aufkeimte,
die Museen mit ihren angefüllten Depots neuen
Destinationen zuzuführen, so kann die Errichtung
des Kunstgewerbemuseums in Schlaß Petronell als
erste Außenstelle des Österreichischen Museums für
angewandte Kunst als Pioniertat per excellence
i Kunstgewerbemuseum Schlaß Petronell
Der Ahnensaal mit dem Reiterbildnis Graf Otto Ehrenreich I.
(1644-1715)
gelten. Dem Hausherrn, Otto Graf Abensperg-
Traun, zufolge war dieses Schloß im Sommer l"
praktisch eine Ruine. Schloßherr und Frau werc
den ersten Rundgang durch das Schloß, wie sie
selber sagen, nie vergessen: „Das Dach des N4
traktes war durch Artilleriebeschuß weit aufgei
die Decke des Freskensaales war zum Dachboc
offen; es gab keine Fensterscheibe, keine Lam;
und keine Türklinke. Die Kriegsfurie hatte ganz
Arbeit geleistet. Eigentlich gegen alle Vernunft
hatten wir damals gleich Hand angelegt und Jt
für Jahr, Raum für Raum, wurden die schlimme
Schäden beseitigt." So sprach es Graf Traun in
Frühiahr 1965 aus, als das Schlaß, angereichert
mit Obiekten des Stammhauses am Stubenring,
Österreichischen Museum für angewandte Kunz
seiner neuen Bestimmung übergeben wurde.
Nächstes Jahr, 1975, feiert diese neue lnstitutii
historischem Grund kopuliert das zehniährige l
stehen. Anlaß genug, um gerade ietzt wieder, t
das Kunstgewerbemuseum Schloß Petronell w
anderen Außenstellen Schloß Riegersburg und
Geymüller-Schlößl den Besuchern die Pforten t
dessen zu gedenken, um es neuen Publikumskrr
zu offerieren. Ist doch diese Landschaft an der
Donau in letzter Zeit durch Schloß Rohrau mit
Gemäldesammlung noch kunstträchtiger gewor
so daß eine Fahrt den Strom abwärts sich wirk
lohnt. Wenn wir es noch ganz kurz historisch 1
streifen wollen, Petronell zählt ungeachtet der
Zerstörungen des Türkeniahres 1683 und der d:
im Gefolge auftretenden baulichen Veränderur
zu einem der künstlerisch bedeutendsten Schlot
bauten Österreichs in der zweiten Hälfte des
l7. Jahrhunderts. Es war kein leichtes, Gesichts
punkte zu finden, nach denen dieses schöne 5
erbaut von Carlane, zu einem Kunstgewerbem
umgewandelt werden konnte. Wenig sinnvoll i.
es gewesen, diesem Haus in freier Landschaft i
Wesen her die Strenge eines üblichen Museum
verleihen, sollten seine Besucher doch in erster
Linie eher neben Erholung und Entspannung K:
auf leichtere Art „k0nsumieren" können. 5a Wl
diese Außenstelle des Museums eine glückliche
Verquickung von historischem Bauwerk und
Sammelbeständen des Museums, die sich im Lc
der Jahre einen festen Freundeskreis geschafft
Wer einmal die kühl-propere Atmosphäre der
Zimmer- und Gangfluchten mit ihren Vitrinenrt
türnern durchwandert hat, dabei iene Entrückhe
und Stille um sich, wie sie nur sehr alten, feste
Bauten, eben Schlössern mit ihren so dicken
Mauern, eigen ist, der wird, ganz ahne Zweife
Abständen natürlich, immer wiederkehren, So t
ienen Freunden des Museums, die über den er
Wiener Kreis nicht hinausgekommen sind, gr
so sie die Absicht haben, hinaus in die Natura
fahren, doch einmal diesem „Museum auf dem
Lande" einen Besuch zu machen. Wie gesagt, l
feiert man in Petronell schon das erste Dezenr
während das Stammhaus hier am Stubenring l
Jahre alt sein wird. Leopold h
2 Kunstgewerbemuseum Schlot} Petronell
Der Festsaal gegen Norden