MAK

Volltext: Alte und Moderne Kunst XIX (1974 / Heft 134)

 
Frankreich beeinflußten Schauspiel aber bl 
in Wien die ganz oder halb extempor 
Commedia dell'Arte, die „Kunstkomödie", 
dem Wiener Hanswurst als Helden, dem Kas 
dessen „Gspas" immer aus einer lebend 
Phantasie und einem herzhaften Gemüt g 
ren war. Zum Kasperl, der auch Zentral 
des genialen Kamödiendichters Philipp H( 
war, gesellten sich die von Felix von Kurz e 
dene Figur des Bernardo und die von den 
rektor des Kärntnertortheaters Weißkern 
schaffene komische Maske des alternden Oc 
do von Einhorn, bei dem Kasperl in Die: 
stand. Durch ein Dekret aus dem Jahre 
wurde jedoch die Stegreifkomödie verboten 
1770 unter dem Aufklärer Sonnenfels auch 
Extemporieren. In der Zwischenzeit tobte 
Kampf um die Stegreifkomödie und um 
Gestalt des Kasperls, des Repräsentanten 
österreichischen Volksseele. Erst die im J 
1776 verkündete Theaterfreiheit brachte auc 
den Kasperl eine neue Glanzzeit. Jetzt kor 
sich die Wiener auf den zahlreichen Volk: 
nen der Vorstädte wieder sattlachen und 
den großen Schauspielen im Burgtheater t 
len, ein Bedürfnis, das ihrer Lebensauffa: 
entsprach, die, gleich der Antike, erst in 
Polarität van Lachen und Weinen, von t 
schem Ernst und anmutiger Heiterkeit die 
Existenz des Menschen verwirklicht sah. 
ln keinem anderen europäischen Hof wurd- 
Etikette so streng eingehalten und das V 
verhalten in den Beziehungen der Geschle 
so streng beachtet wie in Wien. Wie der Ol 
hofmeister der Kaiserin, Graf Khevenhülle 
seinen Tagebüchern berichtet, hatte die Kai 
selbst „in puncto sexus sehr geschörfte o 
ergehen lassen", um die an den Höfen ük 
Libertinage nicht einreißen zu lassen. Als 
und Mutter von 16 Kindern war sie unerschi 
lich davon überzeugt, daß Ehe und Familii 
antastbare Einrichtungen sind, ja, daß 
einzige wirkliche Glück dieser Erde eine g 
liche Ehe ist". 
Diese Kaiserin, die ihrer Tochter Maria Antr 
te für ihre Ehe mit Ludwig XVI. und ihr Ve 
ten an dem französischen Hof die Lebens 
heit mitgab, daß „alles von der Frau abh 
wenn sie nachgiebig, gut und amüsant ist", 
Frau, die vom ersten Tag ihrer Regentscha 
bewies, daß ihr auch „das Herz eines König 
eigen war, betrachtete sich trotz ihrer Lieb: 
Sorge für die Familie und die Kinder als 
„Länder allgemeine und erste Mutter", die r 
„Wohl und Gutes ihrem particulari, Familir 
Kindern", zu allen Zeiten vorgezogen hat 
dieser Auffassung einer „allgemeinen und e 
Mutter" erfuhr die Existenz der Frau in de 
kokozeit eine Überhöhung und Verklärung 
ren Bedeutung für die allgemeine Entwic 
erst von der Gegenwart her voll und ganz 
standen werden kann. 
Sitzende Dame, um 1780, Wiener Parzt 
manufaktur, Modell Anton Grassi (großer 
schnitt]. Wien, Österreichisches Museum h. 
gewandte Kunst 
Sitzender Kavalier, um 1780, Wiener Porz 
manufaktur, Modell Anton Grassi (großer 
schnitt). Wien, Österreichisches Museum fE 
gewandte Kunst _ 
Bernardo Bellotto, Wien vom Oberen Belv 
aus gesehen, 1758-1761, Ausschnitt mit Ro 
gesellschaft. Wien, Kunsthistorisches Museu 
Unser Autor: 
Wirkl. Hofrat Prof. Dr. Wilhelm Mrazek 
Direktor des Österreichischen Museums 
für angewandte Kunst 
1010 Wien, Stubenring 5
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.