MAK

Volltext: Hohe Warte - Illustrierte Halbmonatsschrift zur Pflege der künstlerischen Bildung und der städtischen Kultur, 1. Jahrgang 1904/05

Außerdem besitzt die französische Münze auch ein eigenes 
Medaillenmuseum. — Der französische Staat stellt, wie wir 
sehen, die Medaille in ein hohes Ansehen. 
Nun ist, dank der Förderung einer Anzahl von Kunst 
freunden, obenan k. k. Regierungsrat August von Loehr, 
der sich mit seinem Buche „Wiener Medailleure“ mit der 
Inszenierung interessanter Ausstellungen und mit seiner 
Gründung der österreichischen Gesellschaft zur Förderung 
der Medaillenkunst und Kleinplastik ein bleibendes Verdienst 
geschaffen hat, auch die österreichische Medaillenkunst im 
freundlichsten Aufstiege begriffen. Daß sie aber zu vollem 
Glanze gelange, dazu bedarf sie staatlicher Unterstützung. 
Meister Scharff ist gestorben! Wer je diesen Mann gekannt, 
mit dem impulsiven Temperamente, mit der sprudelnden 
Liebe zu allem Schönen und zur Kunst, wird diese intern 
essante Persönlichkeit nicht aus dem Gedächtnisse verlieren. 
Und wie schön sind seine plastischen Werke! Da zittert in 
jedem Relief die Emsigkeit durch, mit der die Vollendung 
angestrebt ist, da ist kein Nebending im Porträt zu gering, 
als daß es nicht mit derselben Sorgsamkeit durchgeführt 
wäre wie die Hauptzüge des Gesichtes. Seine Arbeiten sind 
gerühmt und besprochen worden und sie bilden in zahh 
reichen Familien das Hauskleinod. Meister Scharff ist ge 
storben und mit ihm die große künstlerische Persönlichkeit, 
die der österreichischen Münze angehört hatte. Sein liebes 
lauschiges Atelier, das der Maler TEMPLE in einem bekannten 
Bilde festgehalten und das von dem Medailleur F. X. Pawlik, 
seinem besten Schüler, auf der Reversseite des Scharff-Porträts 
in Relief dargestellt ist — wurde alsbald ausgeräumt. 
Scharff hatte sich, obwohl er in eine Beamtenklasse einge 
reiht war, kraft seiner Persönlichkeit und seines internatio 
nalen Rufes — die Freiheit bewahrt. — Und frei muß der 
Künstler allezeit sein! 
Die Direktorstelle der sogenannten „Graveur-Akademie“ im 
Münzamte ist von großer Wichtigkeit für die österreichische 
Medaillenkunst. Sie muß mit einem erstklassigen Künstler 
und sollte nicht mit einem MUNZEN-MENSCHEN besetzt 
werden. Aus budgetären Gründen und auch um Kollisionen 
mit den amtlichen Leitern der Münze zu vermeiden, könnte 
doch die Direktion der Graveur-Akademie zu einer Stelle 
umgewandelt werden, die einer Professur an der Akademie 
der bildenden Künste gleichkäme und mit einer Medailleur 
schule verbunden wäre. 
Dieser Professor wäre dann dem Münzamte als künstlerischer 
Ratgeber überwiesen. Er wäre dazu berufen, bei allen öffent 
lichen Aufträgen, welche an die Münze hinsichtlich der An 
fertigung von Medaillen ergehen, zu fungieren. Ihm müßte 
im Hause des Münzamtes ein Atelier zugewiesen werden, 
worin er auch seinen Privataufträgen unbehindert nachgehen 
könnte. EINE ÄHNLICHE STELLUNG HAT CHAPLAIN 
BEI DER FRANZÖSISCHEN MÜNZE INNE. Die öster 
reichische Münze könnte — ähnlich wie die französische Münze — 
EINEN MEDAILLENVERKAUF BETREIBEN, DER IHR 
WESENTLICHE FINANZIELLE VORTEILE BRACHTE.' i, 
Vor nicht langer Zeit prägte das österreichische Münzamt für 
die österreichische Gesellschaft zur Förderung der Medaillen 
kunst und Kleinplastik eine Medaille „Das Wiener Wäscher- 
mädl“ aus, welche von Scharff modelliert worden war. — 
Wer dieses kleine Stück gesehen, war nicht nur von dem 
Kunstwerke, sondern auch von der überaus schönen Aus- 
* Es wird Sache des Professorenkollegiums an der Akademie der 
bildenden Künste sein, einen Künstler namhaft zu machen, der die 
Nachfolgerschaft Tautenhayns und Scharffs antreten könnte. VIEL 
LEICHT PFLANZT MAN EINEN FRANZOSEN HIEHER? Wenigstens 
für kurze Zeit, damit er hier eine neue Schule schaffe. 
prägung erfreut. Es kann gar nicht besser und gefälliger 
gemacht werden! ALSO IST DIE KUNST DOCH WOHL 
BEHÜTET IM HAUSE DER ÖSTERREICHISCHEN 
MÜNZE UND ES IST BESTIMMT ZU ERWARTEN, 
DASS SIE TALENTE HERANZIEHEN UND DIE 
SELBEN ZU IHREM RUHME UND ZUM RUHME DER 
ÖSTERREICHISCHEN MEDAILLE IN IHRE DIENSTE 
STELLEN WIRD. 
DAS NEUE SCHAUSPIELHAUS IN DÜSSEL 
DORF. 
ir sind um eine Hoffnung ärmer. Mit Ausschluß 
der deutschen Kunst wurde der Bau des Schau 
spielhauses in Angriff genommen und bereits 
unter Dach und Fach gebracht. Nach einer Düssel 
dorfer Meldung sind selbst die mildest urteilenden Leute 
über die Lösung der Fassade entrüstet. Sie ist im angeblichen 
Louis XVI.-Stil durchgeführt, auch für die gesamte Innen 
architektur wird ausschließlich Louis XVI.-Stil maßgebend 
sein. Im XX. Jahrhundert! Dagegen wird die Fassade des 
Bühnenhauses den burgenartigen Stil des Mittelalters imi 
tieren. Louis XVI., das Mittelalter, Ritterburg und neu 
zeitliches Theater alles in einem. Wenn man es bloß sagen 
hörte, hielte man es für einen schlechten Witz. In Wahrheit 
ist es blutiger Ernst, zu Düsseldorf zugetragen. Und im 
heiligen Deutschen Reiche harrt die Kunst der Aufgaben! 
Man sage nicht, die Kunst sei im Rückstand, es ist die 
Menschheit, die noch tief im Mittelalter steckt. Wann sie 
sich einmal in ihre eigene Zeit vorwärts finden wird? Hoffen 
wir auf ein andermal! 
DER LÖWE VON CHÄRONEA. 
u Ehren der im makedonischen Kriege 338 v. Chr. bei Chäronea 
gefallenen thebanischen Helden wurde ein marmornes Löwenbild 
als Grabstein der hellenischen Freiheit errichtet. In Trümmer ge 
sunken, von Schutt und Sand begraben, lag der Löwe. Nun hat die 
griechisch-archäologische Gesellschaft seine Restaurierung und Wieder 
aufstellung vorgenommen. Die Spuren einer nahezu zweitausend 
jährigen Geschichte wurden fein säuberlich ausgebessert und ver 
wischt. Ein häßlicher Sockel von 3 Meter Höhe wurde der 4 Meter 
hohen Denkmalfigur unterbaut. Es ist nicht mehr das alte künstleri 
sche Wahrzeichen eines denkwürdigen Ereignisses, es ist vielmehr ein 
Merkmal neuzeitlichen Kunstunverstandes, mit dem die gelehrte Ge 
sellschaft ein historisches Kunstwerk, an dem ein fast zweitausend 
jähriges Schicksal mitgearbeitet hatte, zu erneuern vermeinte. So ist 
dieser wie überhaupt jeder Versuch der ERNEUERUNG ein Beispiel, 
wie eine Restaurierung NICHT sein soll. 
DIE „LAUBEN“ AUF DEN ALTEN STADTPLÄTZEN 
UND IN SCHÖNLINDE. 
ine Hauptzierde des älteren Stadthauses sind die sogenannten „Lauben“, 
galerieartige Gänge, unter denen die Geschäftsläden untergebracht 
sind und in denen die Fußgänger, von Hitze und Regen geschützt, auch 
bei schlechtem Wetter trockenen Fußes wandeln können. Sie erhöhen 
den wohnlichen Charakter einer Stadt und sind an alten Stadtplätzen 
häufig anzutreffen. In Schönlinde, einer Stadt Nordböhmens, hat man 
bedauerlicherweise begonnen, solche Lauben zu vermauern und die 
Stadt solcherart um eine praktische Einrichtung, die zugleich eine 
bauliche Zierde ist, zu bringen. Es ist kaum zu begreifen, daß der 
Stadtrat und die Bürgerschaft einen solchen Vandalismus geschehen 
lassen konnten. Die Urheber einer solchen baulichen Entstellung werden 
nicht viel Freude und Ehre auf heben und es fehlt in der dortigen 
Gegend nicht an Stimmen, die diesen Vorgang verdammen, leider, wie 
so vielerortens, zu spät. 
335
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.