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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIX (1974 / Heft 134)

Heinrich Tahedl 
1 iaanivsche Impression, n, ms, 
„Alles fließt" soll Heraklit gesagt haben, und in 
diesem Fließen ist das Leben, in dieser sich 
ständigen Wandlung, im Weiter- und Fortschreiten 
von einer Möglichkeit zur anderen, von einer Form- 
findung zur nächsten ist das Lebendigsein des 
schöpferischen Menschen. Was gestern Feuer war 
und brannte, ist heute Wasser und löscht und 
morgen feste Erde, aus der das Leben keimt. Form 
als fester, starrer Umriß ist immer etwas Vorläufiges, 
ein Zwischenglied auf der Suche nach dem letzten 
Endgültigen. Das ist es auch, was Heinrich Tahedl, 
Mitglied der Wiener Secession und nun seit Jahren 
im niederösterreichischen Weinviertel ansässig, 
bewegt und was uns bestimmt, sein Werk nicht allein 
nach seinen Lebensiahren zu messen. 
Hier ist nichts Erstarrtes. Ein Thema, einmal 
aufgegriffen, wird immer weiter auf seine 
Vollendung hin von neuem zu gestalten unter- 
nommen. Tahedl weiß, iede Arbeit ist nur ein Stein 
im ganzen Bau des Lebenswerkes, wie iede Stufe der 
Entwicklung vorn Einzeller zum Menschen nur eine 
Phase im Ablauf der Evolution ist. Im Dasein eines 
ieden Künstlers gibt es aber immer wieder 
Erlebnisse, die gewisse Zündungen zu einer neuen 
Phase, zu einer neuen Stufe seiner Verwirklichung 
werden. Ein solches Erlebnis war offensichtlich für 
Tahedl eine Spanienreise. Die rote Erde, die 
gewaltige menschenleere Landschaft, die Bilder des 
Francisco de Goya gaben Anstoß zu einer ganzen 
Reihe von großen Arbeiten. In den roten Bildern 
brennt die Sonne der spanischen Hochebene. 
Es ist ein rollendes, bewegtes Rot. Schwarz stehen 
die Dinge im roten Raum. Einer aufgesprungenen 
Rosenknospe gleich reiht sich Rand an Rand, Blatt 
an Blatt. 
Von der Struktur der Farbe ausgehend, malt Tahedl 
ein Landschaftsbild, und es ist mehr als das Bild 
einer Landschaft, es ist gleichsam die Summe der 
Landschaft. Geschautes, Gehörtes, Gefühltes und 
Gehorchtes geht in diese Farbkomposition ein. 
„Man sieht nur mit dem Herzen gut", sagt der 
kleine Prinz Saint Exuperys, Solche mit dem Herzen 
gesehene Dinge will Tahedl auf seine Leinwand 
bannen. Es ist nicht die Dimension des Raumes, also 
der Tiefe, die diese Bilder allein erschließen. Es 
sind vielmehr andere Dimensionen, die in den 
Schwingungen der Farbe ihre Präsenz haben. lst ein 
solches Werk abstrakt zu nennen? Kaum. Es birgt 
mehr an Realitäten als manches bis in iedes Hälm- 
chen ausgemalte Bild. Wer ein Herz hat, der sieht es. 
Eine mehr geistige, meditative Seite des mensch- 
lichen Seins wird von Tahedls Collagen und den 
letzten Bildern, mit Kunstharzlack gemalt, ange- 
sprochen. lmmer wieder von geometrischen Ver- 
spannungen, etwa dem Kreis, dem Quadrat, dem 
Dreieck - uralten Symbalfarmen -, ausgehend und 
oft auch vorgegebene Elemente, wie die Wieder- 
gabe einer Goya-Graphik, die Farbfotografie 
eines Sternenbildes, Leonardos Proportionsstudie 
des Menschen, einbauend, werden Beziehungen 
hergestellt, die den Betrachter gleichsam in dieses 
Ordnungschema miteinbeziehen und ihm seinen 
Mit-Spielraum anweisen. Es ist ein kosmischer 
Raum, in den von allen Seiten gleich einzusteigen 
ist, daher finden wir auch in einer Folge kreis- 
förmige Zentren. Diese Kreise beeindrucken 
besonders durch ihre ausdrucksstarke Farbigkeit. Es 
ist gewissermaßen die Manifestation eines Läute- 
rungsprozesses, ein Streben aus den dunklen 
Ecken zum lichten Kerne. Ein in den Kosmos 
deponierter Optimismus bricht hier immer wieder 
durch. Alois Vogel
	        
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