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Volltext: Alte und Moderne Kunst XIX (1974 / Heft 134)

 
Anläßlich des 250. Geburtstages des Malers Franz Anton Maulbertseh { 1724-1796) finden an drei verschiedenen Orten - Piaristenklaster, Wien, Schlaß 
Heiligenlrreuz-Gutenbrunn, Niederösterreich, und Schluß Halbturn, Burgenland - Ausstellungen statt, die Versuche sind, das Werk des bedeutenden öster- 
reichischen Künstlers erstmals umfassend darzustellen. Franz Antan Maulhertsch schuf seine Malereien in jener Zeitspanne, in der in den habsburgischen Ländern 
eine Frau, die Kaiserin Maria Theresia, herrschte und in der sich auch in Osterreich der Stil des Rakokn ausbreitete. Man kann Franz Anton Maulbertsch auch als 
den größten Künstler des Rokako in Österreich bezeichnen. 
Während an den mit Frankreich alliierten Höfen 
die Lebens- und Kunstformen des Rokoko schon 
frühzeitig Eingang fanden, war unter der Regie- 
rung Karls Vl. alles französische Wesen vom 
Wiener Hofe verbannt. Bis zu seinem Tode im 
Jahre 1740 bestimmte die barocke, absolutistische 
Grundhaltung alle macht- und staatspolitischen 
Entscheidungen, waren allein die Lebensformen 
eines an spanischer Würde und Strenge ausge- 
richteten Zeremoniell: gültig. Selbst Prinz Eugen, 
der „heimliche Kaiser", der auf den Gebieten 
der Künste und Wissenschaften dem französi- 
schen Geistesleben offen gegenüberstand, unter- 
stützte diese Abneigung aus machtpolitischen Er- 
wägungen heraus. 
Im Gegensatz und Widerspruch zu dem männ- 
lich-heroischen Barockzeitalter bevorzugte das 
Rokoko alles, was aus der Sphäre des Weib- 
lichen stammte. Die Entscheidungen fielen nicht 
mehr allein in Männerkollegien und Staatssälen, 
sondern in der intimen Atmosphäre der Salons, 
in den „petit maisans" sentimentalisch angeleg- 
ter Gärten. Und nur zu oft war es ein illegitimes 
„Weiberregiment", das den Lauf der Dinge mit- 
bestimmte. Die Salons der adeligen Damen waren 
geistige Zentren, von denen die sanfte Revolu- 
tion der Rokokazeit ausging. Ihre Atmosphäre 
von raffinierter Sensibilität und exaltierter Sen- 
timentalität, von Zärtlichkeit und Frivolität faszi- 
nierte Herrscher und Staatsmänner und zwang 
die Kavaliere und Abbes, die Literaten, Wis- 
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senschaftler und Künstler in ihren Bann. Dieses 
Publikum erfüllte die Salons mit dem Spiel über- 
raschender und ergötzlicher Einfälle des Verstan- 
des, mit den Spitzfindigkeiten des „Witzes", mit 
dem attischen Salze der Vernunft, mit der 
Skepsis der „Philosophen" und Selbstsicherheit 
der „Aufklärer", die leidenschaftlich das Natur- 
recht, Humanität und Toleranz verkündeten und 
mit den neuen Forschungsergebnissen der Natur- 
wissenschaften bewiesen. 
Am habsburgischen Hofe in Wien jedoch sollte 
der Anstoß zu einer Umwälzung nicht von 
außen kommen, sondern aus dem Schaße der 
kaiserlichen Familie selbst, aus Schicksalsbedin- 
gungen, die sich als eine stärkere Realität erwie- 
sen als alle traditionellen und dynastischen Vor- 
urteile. Am 12. Februar 1736 wurde die älteste 
Tochter Kaiser Karls Vl., Maria Theresia, die im 
Falle keiner männlichen Nachkommenschaft 
durch die habsburgische Erbfolgeordnung vom 
Jahre 1714 zur Nachfolge auf den Thron be- 
rechtigt war, mit Franz Stephan von Lothringen 
vermählt. Maria Theresia durfte bei der Wahl 
ihres Gatten allein ihrem Herzen folgen. Dieser 
Entschluß der Erbin des mächtigen Habsburger- 
reiches, den Prinz Eugen im Sinne der Staats- 
räson als unklug bezeichnete, diese Wahl eines 
machtpolitisch unbedeutenden Fürsten zum 
Schwiegersohn, noch dazu in einer Situation, in 
der jeder Machtzuwachs dringend notwendig ge- 
wesen wäre, diese Respektierung weiblicher und 
persönlicher Gefühle waren eine Preisgabe aller 
bisher geübten Praktiken habsburgischer Haus- 
und Heiratspolitik. Der traditionsbeladene und 
konservativste Hof Europas kapitulierte vor dem 
Herzen einer neunzehnjährigen Erzherzogin, die 
mit Hilfe ihrer weiblichen Umgebung den zö- 
gernden Kaiser schließlich bewogen hatte, ihrer 
Heirat, dieser ngrand affaire" der europäischen 
Staatskanzleien, mit Franz Stephan von Lothrin- 
gen zuzustimmen. 
Die Reaktion des Hofes und der Wiener auf 
dieses Ereignis war zwiespältig. Der Herzensent- 
schluß der jungen Erzherzogin rührte zwar ihr 
Mitgefühl, die Gattenwahl jedoch betrachteten 
sie nüchtern, voller Mißtrauen gegenüber dem 
machtlosen Lothringer. Als dann noch anstelle 
eines den Fortbestand des neuen Hauses sidtern- 
den Sohnes immer wieder Mädchen geboren 
wurden, verstärkte sich der Unmut, so daß der 
Kaiser selbst überzeugt war, daß die Vorsehung 
das Haus Habsburg vernichten wolle. Die Stim- 
mung verschärfte sich, als nach dem Tode 
Karls VI. am 20. Oktober 1740 Maria Theresia 
den Thron bestieg und ihr das Erbe von allen 
Seiten, insbesondere von Friedrich ll., dem jun- 
gen Preußenkönig, streitig gemacht wurde. Erst 
die Geburt des vierten Kindes, des Sohnes 
Joseph, im Jahre 1741 ließ die Zukunft des 
Hauses Habsburg-Lothringen wieder im hellen 
Lichte erscheinen und sicherte der jungen Regen- 
tin trotz militärischer Mißerfolge die Zuneigung
	        
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