graziöser Weise eingewinkelt und den Schädel
zum Himmel gewendet, so daß die Mähne in
prachtvoll perforierter Weise abflattert. Knapp
über seinem Leib erscheint über Wolken und im
Strohlenkranz die Halbfigur Christi mit Kreuz
und Blitzbündel. Während die Figuren von Chri-
stus und Paulus noch ganz in der Tradition von
Johann Peter dem Älteren (Pramer Krippen-
werk) stehen, weist das Pferd in seiner unver-
kennbaren „individuellen" Reaktion auf die be-
rühmten Tiergruppen Johann Georgs, etwa auf
die „kämpfenden Pferde" des Linzer Landes-
museums" hin. Die flammenartig stilisierten
Schweifhaare, die in die Wellenbewegung des
Berges einzumünden scheinen, und die spezifi-
sche Formung der Wegsteine als Polyeder bieten
Ansatzpunkte für einen Vergleich. Der Auswei-
tung der Salzburger Gruppe, indem Johann
Georg Landschaft in seine Komposition auf-
nimmt, wodurch diese wieder in die Nähe des
Augsburger Kupferstiches gerückt erscheint, wi-
derspricht eine Verknappung der figuralen Szene
auf zwei Personen, wobei im Brennpunkt seines
künstlerischen Interesses die Darstellung von
„Natur" im weiteren und die des Pferdes im
engeren Sinne gelegen ist.
3. Die zweite Salzburger Gruppe Pauli Bekeh-
rung (Abb. 5), St. Peter, stellt eine iüngere Fas-
sung dieses Themas dar. Bedauerlicherweise
scheint dieses Werk in keiner der zeitgenössi-
schen „Stiftsraittungen" oder lnventare auf, so
daß eine Erwerbung im 19. oder 20. Jahrhun-
dert zwar nicht völlig auszuschließen, aber den-
nach wenig wahrscheinlich ist'. Am ehesten
noch ist eine Erwerbung dieser Pendants unter
Abt Beda Seeauer anzunehmen. Er, der der bür-
gerlichen Nebenlinie der Grafen von Seeau
(Schloß Seeau am Hallstätter See, OÖ) ent-
stammte, hat die Verbindung mit seiner Heimat
stets gepflegt. So lesen wir in seinem Tagebuch
am 28. Juli 1779:" „Auf besdwehenes Ansuchen
des H(errn) Salzb(urger) Ambtsmann zu Gmünd-
ten (am Traunsee) hab ich disen Altar" in das
neu erbaute Gotteshaus zu lschl in Oberöster-
reich bestim(m)et, wo noch gar kein Hochaltor
ist". Nach in diesem Jahre reiste er anläßlich
einer Abtswahl in Stift Admont durch seine
Heimat, um die Verwandten zu besuchen. Es ist
nicht ganz von der Hand zu weisen, daß man
später, als Dank für den geschenkten Hochaltor,
diese Gruppen als „Verehrungen" übergab".
Abt Beda, der die Stiftskirche St. Peter von 1760
bis 1782 im Sinne des Spätbarock und Rokoko
hatte ausstatten lassen, wobei er den damals in
Salzburg vorherrschenden Frühklassizismus Ha-
genauerischer Prägung kaum beachtete, konnte
der Adressat dieser zierlichen Gruppen sein,
wobei man wohl eine Einflußnahme des Abtes
als „Auftraggeber" wird ausschließen müssen.
Auf einer dunkelbraun politierten, reich ge-
schwungenen Platte (Länge 53 cm, Breite min.
17 cm, max. 26,9 cm), die auf fünf blütenförmi-
gen Füßchen ruht, sind zwei gestürzte Reiter mit
ihren Pferden sowie, im Strahlenkranz schwe-
bend, die Halbfigur Christi mit Kreuz und Blitz-
bündel dargestellt. Während die Figur des rück-
lings am Boden liegenden hl. Paulus, mit Muskel-
panzer, Mantel und Stulpenstiefeln bekleidet,
ienem der Gruppe im Dommuseum weitgehend
entspricht - diese Entsprechung trifft auch auf
die Halbfigur Christi zu -, wurde anstelle der
Versatzstücke, die Natur und Landschaft mor-
kieren sollten, ein zweiter Reiter eingefügt. Da-
imit nähert sich Johann Georg wieder stärker
der Textvorlage, die von Begleitern spricht, und
dem „Linzer" Relief. Hier wie dort tritt stärker
eine V-färmige Komposition der „irdischen"
Gruppen in den Vordergrund. Auch die Ähnlich-
keit der beiden Pauluspferde, mit Felldecke und
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fliegender Mähne dargestellt, ist evident, indes
die zweite Reiter-Pferd-Gruppe die seitenver-
kehrte Paraphrase einer Paulusdarstellung zu
sein scheint, die als barodces Andachtsbild noch
vor der Jahrhundertmitte entstanden ist. (Die
Abb. 6 zeigt bewußt eine seitenverkehrte Repro-
duktion.) Das bockende, mit den Hinterhänden
weit ausschlagende Pferd vereint eine derart
verblüffende Naturbeobachtung (Detailverismen)
mit einer vom Klassizismus geforderten Stilisie-
rung, wie sie von den Tiergruppen Johann
Georgs her bekannt sind "l. Diese Gruppe in St.
Peter ist nicht nur, weil sie auf Staffage, um
Landschaft anzudeuten, verzichtet, nach iener im
Dommuseum anzusetzen, wobei dies im Sinne
einer inneren Entwicklung zu verstehen ist.
4. Das „Linzer" Relief Bekehrung des hl. Huber-
tus (Eustachius) (Abb. 2) ist laut Signatur „1779"
entstanden. Daß es trotz der Differenz von zwei
Jahren zum Paulusrelief als echtes Pendant ent-
standen ist, bezweifelten weder Gustav Guggen-
bauer noch Hermann Ubell'. lm Gegensatz zu
der tumultartigen Szene der Paulusbekehrung
vollzieht sich die Bekehrung des hl. Hubertus
(der ikonographische Unterschied zur Bekehrung
des hl. Eustachius fällt kaum ins Gewicht) in der
Stille. Unter Laubbäumen, deren Geäst die obere
Bildhälfte füllt, erscheint dem in die Knie gesun-
kenen leidenschaftlichen Jäger zwischen dem
Geweih eines prachtvollen Zwölfenders das
Kreuz Christi. Das an einem Baum angehalfterte
Pferd wendet seinen Blick dem Hirsch zu, wäh-
rend die mit einer Leine verbundenen Jagd-
hunde den Vordergrund markieren. Hubertus,
durch Degen und Hifthorn als Jäger ausgewie-
sen, kniet auf einer Bodenschwelle, die zum
Wald hin ansteigt. Diese Darstellung entspricht
weitgehend einem ikonographischen Typus, der
durch niederländische Tafelbilder (Meister des
Marienlebens") formuliert, durch A. Dürer" tra-
diiert und durch Augsburger Stecher des Barock
unserem Meister bekanntgeworden sein mußte
(Abb. 7).
5. Die Salzburger Gruppe der Hubertusbekeh-
rung, Dommuseum (Abb. 8), bildet aufgrund der
gleichen Gestimmtheit den stärksten stilistischen
Zusammenhang mit dem „Linzer" Relief von
„1779", so daß man es sich bald danach ent-
standen wird vorstellen müssen. (Sogar ein völlig
identisches Motiv, wie das zur Hälfte in ein
Baumloch gekrochenes Eichhörnchen, tritt zu-
tage.) Wie bei dem Pendant der Salzburger
Paulusbekehrung sind die Einzelfiguren und Ver-
satzstücke auf einer Basisplatte eingezapft (Länge
52,3 cm, Breite min. 16,6 cm, max. 23,3 cm;
max. Höhe 34,5 cm) und mit Ausnahme des ab-
hebbaren hl. Hubertus fest verleimt. Kleine Be-
sd1ädigungen finden sich am Geweih und der
Kleidung des Heiligen, sonst ist die Gruppe sehr
gut erhalten. Die Arbeit aus Lindenholz ist
weißlich überfaßt, wobei nur die Augen der
Figuren und das Eichhörnchen in den natürlichen
Farben erscheinen. Mit Rücksicht auf das Pen-
dant ist die Szene verkehrt worden, wodurch im
Gegensatz zum „Linzer" Relief der Hirsch eine
Bewegung einleitet, die im passiven Sinn zum
knienden Heiligen führt. So entsteht im Bild
eine Stille, die vorn Künstler zu lyrischer Ge-
stimmtheit ausgewertet wird. Aus hohlen Baum-
ruinen blicken Fuchs und Käuzchen zu, der Hund
verhofft, Eidechsen, ein Vogel und sogar eine
Gemse verharren reglos; es ist der Zauber eines
Märchenwaldes. Ein Vergleich mit einem zeit-
genössischen Augsburger Andachtsbild des hl.
Eustachius mag beweisen, daß Johann Georg
Details, wie die gedrungenen Baumruinen mit
den an Eichenlaub erinnernden Blättern sowie
die Gemse auf dem Felsgipfel solchen Vorlagen
entnommen hat (Abb. 7).
6. Die andere Salzburger Gruppe der Hubertus-
bekehrung (Abb. 9), St. Peter, die hier erstmals
publiziert wird, weist die vorhin beschriebene
Gestimmtheit der Gruppe des Dommuseums
nicht mehr auf. Wie ihr Pendant ist sie auf einer
dunkel politierten, reich geschweiften Holzplatte
mit Füßchen (Länge 33,5 cm, Breite max. 27,3 cm,
min. 18 cm; Höhe 37 cm] montiert, Alle Figuren,
aus Lindenholz geschnitzt, sind naturfarben.
Zaumzeug und Steigbügel bestehen aus Leder-
riemchen und Blech. Durch den Verzicht auf
iene Versatzstüdre, die die Waldlandschaft mar-
kieren - davon blieb lediglich eine Baumruine
im Hintergrund erhalten -, durch das Hinzufü-
gen eines Pferdes und dreier Hunde und durch
die Kompositionsweise, die diese relativ großen
Figuren in einer Ebene einander gegenüber-
stellt, entstand, im Gegensatz zur Paulusbekeh-
rung von St. Peter, eine weitgehende Neuinter-
pretotion des Themas. Nicht das Erscheinen des
Gekreuzigten im (lädierten) Geweih, und nicht
die zauberische Stimmung der Dommuseums-
gruppe, sondern eher der kurze Moment einer
erzwungenen Rast, wenn der Jäger sein Halali
geblasen hat, ist hier intoniert. Darauf deuten
die starke Betonung der Tierleiber und ihre na-
türlichen bis ins veristische Detail nachgezeichne-
ten charakteristischen Bewegungen hin". Gerade
diese Tiere sind es, die formal und stilistisch mit
den bekannten, für Johann Georg Schwonthaler
in Anspruch genommenen Tierhatzgruppen über-
einstimmen.
Es ist - stilgeschichtlich gesehen - eine Spät-
zeit, die solche Kabinettstücke schafft, deren
Typus seit dem 16. Jahrhundert nachweisbar ist.
Anstelle der kostbaren Materialien (Edelmetalle,
Elfenbein, Halbedelsteine), wodurch die Arbeiten
eines B. Cellini und M. Steindl unter der Kate-
gorie „Kunsthandwerk" und „angewandte Kunst"
subsummiert wurden, tritt bei Johann Georg
Schwonthaler Holz (bzw. Ton), der angestammte
Werkstoff des alpenländischen Barock. Es war
eine neue gesellschaftliche Schicht, für die solche
Kabinettstücke geschaffen wurden, der Beamten-
adel, das im späten 18. Jahrhundert zu größerer
kultureller Bedeutung gekommene Bürgertum und
die Geistlichkeit, die von den Söhnen der eben
genannten Stände genommen wurde. Wenn die
Porzellanmonufakturen" des adeligen Europas
nach den Stichen Riedingers (1718-1765) ihre
zauberhaften Gruppen um die Jahrhundertmitte
geschaffen haben, so ist dies grundsätzlich kein
anderer Vorgang als bei Johann Georg Schwan-
thaler. Nur die Tonlage hat sich geändert.
Anmerkungen 8-17
' Schwonthaler-Katalog a. a. O., Nr. 237, Abb. 68.
'Die Sommeltätigkeit des Abtes Albert Nagnzaun er-
streckte sidi auf Mineralien, Vögel, Hölzer etc., die des
Abtes Albert Eder auf nazarenische und mittelalterliche
Kunst. Abt Romuald Homer sammelte überhau t nichts
Einschlägiges, und der bekannte Herausgeber es Salz-
burger _Urkundenbuches AbtHWillibald Hauthaler war
w iißiilveäifhrsiindfilx'Q9333? '"'"ess"""
"Gemeint ist der ehem. Hochaltor von St. Peter von
n. Woldburger. _
" Die Kirchenrechnungen der ab 1770 durch Maria Theresia
ggstiftäten lFsd1ler Jflilffälfdle Sgeben "kleineln Bßhiäfsiittä?
ü er iese rage. g. ranz tiiger rsg., a s .
Ein Heimatbudl . . . zur SUU-Jahr-Feier der Markterhebung.
A Linz W66.
"EGs ist hinslänglich bikagnt, daß Jshalnn Gheorg für diese
ru en tidie von ie inger zur orage atte.
"V LpPThieme-Becker, Künstlerlexikan, Bd. 37, 219, 220,
H . Eustachius, London.
"(RgL Albsrieäht lgürälnNDalswäesamle graphische Werk ll.
agner ern a1 r. .
" Vgl. Katalog Schwonthaler a. a. O., Nr. 238-246. Die
Tiere sind aufgrund der originalen Zopflöcher richtig
aufgestellt. Leider ist der stehende Hund im Vorder-
grund dn den Laufen ergänzt worden. Der liegende
zlundkrimlklifnterlgränd (aufmdeml Spie verdeckt) hat
en rmerdu e e emurn s. zu e en.
"Zwischen 1741- 7M schuf z. B. J. J. Kändler eine viel-
figurige Bekehrung des hl. Hubertus, Dresden.
f] Unser Autor:
Dr. Adolf Hahnl, Kunsthistoriker
A-SOlO Salzburg, Postfach 113