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hat
mirms:
Farbiges Email, buntes Mosaik aus Glas und
Keramik, getriebenes, teilweise vergoldetes Me-
tall, Halbedelsteine und Perlmutter, in weißen
Marmor eingelegt, bilden den leuchtkräftigen
Fries des Speisesaales im Brüsseler Palais Stoc-
let' (Abb. 4).
ln den beiden einander entsprechenden Friesen
der Längswdnde füllt ein Baum mit spiraligen
Ästen, mit Blüten und dreieckigen Blättern,
Schmetterlingen und Vögeln ornamental die Flö-
che, eine Wiese mit bunten Blumen bildet die
Bodenzone.
Die ornamentalen Felder der beiden Friese sind
spiegelbildlich identisch, auch der Strauch, der
aus zart bewegtem Stamm und Zweigen mit
dreieckigen Blättern gestaltet ist. Nur die figura-
len Darstellungen unterscheiden sich voneinan-
der im Thema: eine weibliche Figur auf der
einen, eine Zweifigurengruppe auf der anderen
Seite des Raumes.
Über die Bedeutung der Figuren wurde bisher
viel gerätselt. Zwar entsprechen die ietzt üb-
lichen Bezeichnungen „Erwartung" und „Erfül-
lung" dem oberflächlichen Eindruck, doch gehen
sie offensichtlich nicht auf Klimt selbst zurück.
Die Zweifigurengruppe wurde auch interpretiert
als „Umarmung", „Kuß", „Liebespaar". Fest steht,
daß Klimt selbst auf dem Entwurf des Uster-
reichischen Museums die weibliche Figur der
Gruppe als „Tänzerin" bezeichnete. Arpad
Weixlgärfner benennt andererseits die „Erwar-
tung" als „Tänzerin", und Navotny-Dobai zitie-
ren Weixlgärtner, ohne näher auf diese Thema-
tik einzugehen. Die gängigen Bezeichnungen
„Erwartung" und „Erfüllung" werden wohl in
der kunsthistorischen Terminologie als notwen-
dige Arbeitsbegriffe weiterhin verwendet wer-
den müssen, doch ist es wichtig klarzustellen, daß
die ursprüngliche Bezeichnung Klimts wohl eine
andere gewesen ist. Eine völlige Klärung dieser
wie auch anderer noch offener Fragen ist nur
aus zeitgenössischen Quellen, etwa Berichten,
Schriftverkehr usw., zu erwarten, die bisher noch
unbekannt sind.
lkonographische und stilistische Gesichtspunkte
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sind nicht Thema dieser Arbeit und sollen daher
nur kurz gestreift werden. lkonagraphische Pa-
rallelen zum Beethoven-Fries („Umarmung", Abb.
8a) und zu mandwen Gemälden („Kuß", Abb. 8 b)
sind unbestreitbar, Ornamentik und Stilisierung
finden sich im CEuvre Klimts in vielen Bildern
wieder. Ungeklärt ist nach wie vor die Thematik
des Mosaiks an der Schmalseite, von manchen
Autoren als rein ornamentale Flächenfüllung,
von anderen als sehr stilisierte männliche Figur
gedeutet (Abb. 7).
Es liegt nahe, das Gesamtprogramm des Beet-
hoven-Frieses und des Stoclet-Frieses miteinan-
der zu vergleichen. Die Anordnung der Dekora-
tion an drei Wänden des Raumes (zwei Längs-
seiten und eine Schmalseite) ist verwandt. „Er-
Wartung" und „Erfüllung" in Brüssel stellen unter
gewissen Gesichtspunkten eine Art Kristallisa-
tion des Beethoven-Frieses dar, dessen drei
Grundthemen „Die Sehnsucht nach dem Glück",
„Die feindlichen Gewalten" und „Freude, schö-
ner Götterfunke" umfassen. Auf die Stoclet-De-
koration umgesetzt, entspräche das erste Thema
der „Erwartung", das zweite der im Ornament
der Schmalseite kaum wahrnehmbaren Gestalt,
das dritte Thema der „Erfüllung".
Um den Stoclet-Fries lassen sich eine Reihe von
Vorstudien in Skizzenform und mehrere Ent-
würfe gruppieren, die häufig auch als „Karton"
oder „Werkvorlage" angesprochen werden. Eine
Skizze befindet sich im Historischen Museum der
Stadt Wien (Abb. 8), ein bis ins letzte Detail
ausgeführter Entwurf mit zahlreichen Notizen
für die Ausführung im Österreichischen Museum
für angewandte Kunst (Abb. 5, 6, 7), {und ein
angeblich damit identischer Entwurf in Straßburg.
Leider bildet der Münchner Katalog des Jahres
1964 fälschlicherweise statt des Straßburger Ent-
wurfs den entsprechenden Teil aus Wien ab, so
daß mir ein Vergleich dieser beiden interessan-
ten Entwürfe nicht möglich war.
Der im Österreichischen Museum befindliche
Entwurf, allgemein zwischen T905 und 1909 da-
tiert, besteht aus neun Teilen, die von Klimt
eigenhändig von T bis 7 numeriert wurden. Zwei
Teile blieben unnumeriert, sind iedoch, wie c
anderen, ausführlich mit Notizen versehen. Kli
numerierte den Entwurf (Abb. 5) folgendern
ßen: „l. Teil von links, 2. Teil von links" us
manchmal auch nur mit einer Ziffer. Dieser t
der Bezeichnung entspräche dann die Nun
rierung des zweiten Entwurfteiles (Abb. 6) n
„l. Teil von rechts" usw., wobei als 2. Teil v
rechts die sogenannte „Erfüllung" anzuset:
wäre. Es ist wohl richtiger, diese Originolang
ben zu übernehmen, anstatt, wie dies bei f
allen bisherigen Abhandlungen geschehen
sich mit den Buchstaben A bis I oder a bis i
behelfen.
Fast iede Restaurierung bringt neben den vie
restauratorischen Problemen auch die Mögli
keit wissenschaftlicher Entdeckungen mit si
Das Verständnis eines Kunstwerkes beginnt 1
dem Original. Eine genaue Materialkennti
das Überprüfen des Kunstwerkes auf zusätzlic
Information (wie in unserem Fall der Notiz!
der Numerierung, der Materialangaben) känr
verhindern helfen, daß Arbeitshypothesen
luftleeren Raum stehen oder doß Zusammr
hänge konstruiert werden, die ieder Grundlo
entbehren. Erst nach gewissenhaftem Ausschi
fen aller Informationen, die das Werk sel
liefert, sollte man den gefährlichen Boden r
Hypothese betreten.
Der Entwurf Gustav Klimts ist neben seir
künstlerischen Qualität noch aus einem am
ren Grund besonders bemerkenswert. Er tri
eine Vielzahl von Notizen und Hinweisen, 1
sich auf Material und Technik der Ausführu
beziehen. Es ist wohl äußerst selten, dclß s
ein Entwurf zu einem Monumentalwerk mit
diesen Angaben erhalten hat.
Dieser Entwurf wird dadurch zum zeitgenö:
schen lnformationsträger für einen Arbeitsp
zeß der Jahrhundertwende und ist, soviel
ietzt bekannt wurde, das einzige Zeugnis seil
Art, das sich aus dieser Zeit erhalten hat. Die
Einmaligkeit berechtigt - mehr noch, verlang
die nachfolgende lückenlose Wiedergabe al
Notizen.