Notizen
Aachen - Aus der Neuen Galerie
Podiumsdiskussion am 27. September 1974 „Die
documenta 511972 und ihr Einfluß auf die aktuelle
Kunst". Harald Szeemann, Generalsekretär der
documenta 5, und Bazon Brock, deren Architekt mit
ungewöhnlichem Gestaltungskonzept, hatten als
Widerpart Wieland Schmied. Diskussionsleiter war
Dr. Becker. Ausgangspunkt der Veranstaltung:
die These, inwieweit große internationale Aus-
stellungen die Entwicklung der Kunst beeinflussen
können, weil umfangreiches Material dabei
geordnet, gruppiert und stilbezeichnet wird.
Das immer wieder auftretende Risiko solchen
Einflusses sollte aufgezeigt werden, das entweder
einen zeitlichen Querschnitt einseitig bewertet oder
eine kunstgeographische Beschränkung mit sich
bringt. Ein äußerst heißes Eisen also, das da
anzufassen war.
Wir stellen vor: „Schule der Neuen Prächtigkeit".
Vier Berliner Maler, Bluth, Grützke, Koeppel, Ziegler,
kommen mit einem Dialogmanifest. Vorgang: Sie
stellen ihre Bilder auf und rezitieren gleichzeitig eine
Textkomposition, gespickt ieweils mit ihren künst-
lerischen und gesellschaftspolitischen Interessen. Wer
da meint, daß das an Moritatensänger auf Jahrmärk-
ten erinnert, sollte indes glauben, daß diese Form der
(Iuvre-Repräsentation tatsächlich neu sei. In zwei
Stunden, von 20-22 Uhr, an einem Samstag,
dem 12. Oktober, geschah solches in Aachen.
Kunstfrühschoppen, 13. Oktober 1974. Künstler und
Kunstinteressierter heben zum gemeinsamen Wohle
die Molle? Nun denn, Kunst wirft immer Fragen
auf. Darüber reden können, bringt besseres
Verständnis auf beiden Seiten. Dr. Becker will den
Kunstfrühsdtoppen fest etablieren. Dazu gibt's
neuerdings ein Restaurantl Glückliches Aachen!
Berlin - Heinrich Richter
Vom 16. September-W. November 1974 zeigte die
Galerie Nierendarf Gemälde, Aquarelle, Zeich-
nungen und Graphiken von Heinrich Richter, Berlin.
Das Ausstellungsplakat „Pärchen" ist in der
immer seltener angewendeten Technik des Original-
linolschnittes ausgeführt. (Abb. 25)
Brüssel - Delmotte
In der Avenue Louise 62 A gibt's die Galerie Isy
Bradiot. Im September dieses Jahres präsentierte
man hier das Werk von Marcel Delmotte.
Der Künstler im avant-propos: „L'art est la
transfiguration des choses par Ia magie de la
sensation. La tronsfiguratian est d'autant plus forte
que notre emotion est intense." Delmottes
Surrealismus wird zum Ritual und erfaßt alle Themen
des Universums, reicht bis zum vorauszusehenden
Untergang des Menschen, aspektiert van einem
durchgängigen Wurzelmanierismus als tragende
Bildsymbolisierung. (Abb. 26)
Cleveland - Neuerwerbung des
Art-Museums
Ohios Cleveland Museum of Art mit seinem
Direktor Sherman E. Lee konnte das importante
Werk, hl. Katharina, des deutschen Meisters
des 16. Jahrhunderts Matthias Grünewald erwerben.
Am 17. September d. J. wurde es den Besuchern
des Museums als ein Gemälde von exzeptioneller
Individualität zum erstenmal nach über 300 Jahren
in der „Early German and Flemish Paintings
gallery" präsentiert. (Abb. 27)
Düsseldorf - Neu: Galerie La Bertesca
In einem alten Haus am Rhein richtete sich die in
Genua und Mailand beheimatete Galerie „La
Bertesca" ihre dritte Niederlassung ein. Zehn
Räume und 400 Quadratmeter sind italienischer
Stützpunkt des Galeristen Francesco Masnata,
der hier mit allerlei Aktivitäten die kontemporäre
internationale Kunstszene und die Italiens publik
machen will. Eine Eräffnungsausstellung zeigte
Werke u. a. von Adami, Boetti, Costa, Darboven,
Erben, Flavin, Girke, Judd, Kosuth, Le Witt Noland,
Ongaro, Poons, Roth, Simonetti, Twombly, Vostell,
Warhol bis Zeniuk.
70
DresdenlWien - OKZ: Museen der Welt -
Zyklus
Im Usterreichischen Kulturzentrum, Gem-Sekr.
Prof. Herbert Gaisbauer, fand am 26. September
1974 ein Lichtbildervortrag anläßlich eines stolzen
Jubiläums statt. Im Zyklus „Museen der Welt stellen
sich vor" sprach Dr. Joachim Menzhausen,
Direktor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden,
über die Neueinrichtung der Sächsischen Schatz-
kammer (Grünes Gewölbe] anläßlich ihres
250. Gründungstages.
FrankfurtlM. - Thonet-Ausstellung
Hilmar Hoffmann, Kulturdezernent der Stadt, und
Dr. Annaliese Ohm vorn Museum für Kunsthandwerk
Frankfurt luden zu einer Ausstellung von
Bugholzmöbeln des alteingesessenen Wiener
Hauses Thonet aus der Zeit von 1830 bis 1974.
Wer heute in der Wiener Innenstadt am neuen
Haus Thonet vorüberkommt, wird immer wieder
zwischen den Neuschöpfungen der Gegenwart die
Alt-, ia fast Uraltmodelle dieses Weltruhm
besitzenden Unternehmens erblicken. Beweis dessen,
daß ein in seiner Form und Funktion optimales
Obiekt die Zeiten überdauern kann und das heute
- wir erlebten dasselbe bei der Shaker-Präsentation
- in ieder Beziehung praktikabel und ein
Nonplusultra in seiner Art bleibt. Thonets
ewigiunge Renaissance hält unvermindert an.
Esslingen - Aus der Künstlergilde
Als Mitveranstalter fungierte die hiesige Künstler-
gilde bei einer Dokumentation des architektonischen
Werkes des Wiener Otto-Wagner-Schülers
Joseph Maria Olbrich im Düsseldorfer Haus des
deutschen Ostens im Oktober I. J. und einer Schau
des liebenswerten österreichischen Malerpoeten
Oskar Laske, der in Bildern, Aquarellen, Zeichnun-
gen, Druckgraphik, Bühnenbildentwürfen sowie
Buchillustrationen seine Universalität in der
Regensburger Ostdeutschen Galerie von ietzt,
5. Dezember 1974, noch bis zum 19. Jänner1975
unter Beweis stellt. (Siehe auch unser Laske-Beitrag
in diesem Heft, S. 60l)
lllinoislWien - University Art
Unter dem Titel „University Art. Moderne Grafik
USA" zeigte die Grafik-Ausstellung der University
of lllinois - Leiter Prof. Dennis Rowan - Arbeiten
ihrer Schüler aus dem Jahre 1973. Mit diesen
Arbeiten zugleich wird auf die Anerkennung
hingewiesen, die eine Universität durch Einsatz
vortrefflicher Lehrer und modernst eingerichteter
Studios erwirkt hat.
Amerikahaus, 17.-31. Oktober 1974.
Lausanne - Louis Soutter
Ausgangspunkt einer größeren Tournee einer
Werkauswahl des Schweizer Malers Louis Soutter
ist das im hiesigen Palais de Rumine etablierte
Musee Cantonal des Beaux Arts. Der 1871 geborene
Künstler, Vertreter der L'Art Brut, wurzelt im
„psychopathologischen" Bereich. Le Corbusier in
seinem Buch über Soutter: „Ces dessins sont.
Voila l'homme!" Die Exhibition wird, aus Basel
kommend, im März 1975 im Wiener Künstlerhaus,
im April anschließend im Kulturhaus Graz und
darnadi in den Städten Ulm, Bochum, Gent, Turin,
Mailand, Bologna, Paris, Madrid und Winterthur
anlaufen. (Abb. 2B)
London - Henry Moore bei Gibson
Thomas H. Gibson, Direktor der gleichnamigen
Gallery, arbeitete mit Henry Moores Sekretär David
Mitchinson und Alan Wilkinson, Kurator des
Moore-Centres, Toronto, an einer Abfassung eines
Kataloges über Zeichnungen und Aquarelle
Henry Moores. Im August war in der New Bond
Street 9a unter anderem des Künstlers „Mother
and Child with Bath", 1946, zu sehen. (Abb. 29)
MarylandfWien - Tadeusz Lapinski
Ein Künstler, der seit 25 Jahren nur lithographiert,
ist eine Seltenheit. Einer, der nach diesen 25 Jahren
erklärt, daß seine Leidenschaft, anstatt nachzu-
lassen, eher noch stärker geworden ist, kann nur
von echter Liebe zum Medium getrieben sein.
Er gilt demnach wahrscheinlich zu Recht als der
erste Farblithograph der Welt. Raritäten sind daher
auch seine oft löfärbigen Arbeiten, die er mühevoll
selber druckt. 1928 bei Warschau geboren,
nach Akodemiestudium selbst Professor, lebt
Lapinski nach Lehraufträgen in Warschau, Paris,
New York und Porto Alegre heute als Amerikaner
an der Universität von Maryland. Der Künstler
kam extra nach Old Europe, um in der Wiener
Galerie Pabst seine neuesten Lithographien zu
zeigen. 23. 10.-16. 11. 1974. (Abb. 30)
Mönchengladbach - Spurey-Porzellon
In der Kunstkammer Ludger Köstenßtlbertusslraße 4,
waren, wie noch der Wiener Ausstellung im
Österreichischen Museum für angewandte Kunst
vorgesehen, vom 10. Oktober-B. November 1974
Kurt und Gerda Spurey mit ihrem „Modernen
Porzellan aus Wien" zu Gast.
Nürnberg - Aus der Kunsthalle
Bis in den August hinein dauerte eine Ausstellung
des gebürtigen Schlesiers Christian Mischke.
Der Wiener Schule verwandt, Meisterklassengast bei
Hausner in Wien, findet man bei Mischke starke
Affinitäten zum Phantastischen Realismus. Doch ist
er weniger gesellschaftskritisch als seine deutschen
Kollegen, und der Bereich des Absurden wird
nicht so geschichtsbezogen abgetastet, wie dies die
Wiener tun. Mehr romantisch-naturmystisch sind
seine Ansätze.
Ottawa - News aus der National Gallery
of Canada
Tagtäglich Betrieb in der Galerie eines riesigen
Landes. Selbst im Sommer ein Reigen von Veran-
staltungen. Daraus hervorgehoben die Shaw des
kanadischen Architekten Moshe Safdie „for
everyone a garden". Eindrucksvoll daraus das
Modell „Western Wall Square, Jerusalem",
das in seiner Anlage bestechend wirkt: Vision eines
befriedeten Nahen Ostens. Eine Walker-Evans-
Ausstellung, Photographie, City-Series, Galleryv
Talks, Children's-Programme, Visitor-lntroductions,
Films Taurs, Education-Services . . . Der Aktivitäten
kein Ende! Das kann ein Publikum binden! (Abb. 31)
Paris - Reunion des Musees nationoux
Über die Universite de Paris und das Institut
Francais de Vienne kam uns Nachricht über
Veranstaltungen in den Musees nationoux zu.
Vom 21. September-24. November 1974 in den
Galeries Nationales du Grand Palais „Centenair
de Vlmpressionisme". 42 Werke der großen Meister
dieser faszinierenden Malerepoche.
20. Juli-14. Oktober 1974 - Orangerie des Tuileries
„Cezanne dans les Musees nationoux". 31 Werke
des genialen Revolutionärs der Malerei zum
erstenmal im Gesamten dem Publikum freigegeben.
(Abb. 32)
Regensburg - Ostdeutsche Galerie
Mit zwei Ausstellungen wartete man hier im August
und September auf. Heinrich Klumbies [Das Neue
Werk) und Johannes Molzahn. Ersterer, Professor
in Karlsruhe, liegt mit seinem Schaffen zwischen
dem lnfarmel und dem Konstruktivismus. Der
zweite, ein gebürtiger Duisburger, siedelt vor-
wiegend im Bereich konstruktivistischer, spiritueller
Kunst, im Auslauf religiösen Aspekten unterworfen.
Vaduz - Neues Zentrum für Kunst
Ein neues Zentrum für Kunst und Kommunikation
wurde in der ersten Augusthälfte im benachbarten
Fürstentum Liechtenstein eröffnet. Zum Anlaß
erfolgten zwei Vernissagen von Ausstellungen:
Paul-Armand Gette, „Du Rhin a la prairie alpine,
notes et observations sur la principaute du
Liechtenstein" und Villegte.
Leopold Netopll