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Volltext: Alte und Moderne Kunst XX (1975 / Heft 138)

am Rande der Vorstadt interessant, da daraus 
ersichtlich wird, wie weiträumig und riesenhaft 
Fischers Plan für die kaiserliche Residenz ge- 
dacht war. 
Das Bibliotheksgebäude selbst ist eines der be- 
deutendsten barocken Bauwerke Europas. Sein 
riesenhofter Bibliothekssaal, den Säulenordnun- 
gen dreiteilen, zeigt die geniale Form der Durch- 
dringung einer Längstonnenwölbung mit einer 
Querovalkuppel und bringt damit gleichsam die 
Vollendung römischer Hochbarockideen im pro- 
fanen Raum. Das Konzept geht in gewisser 
Weise auf die römische Galeria Colonna, die 
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ab 1654 von Antonio del Grande und Girolamo 
Fontana im Palazzo Calonna errichtet worden 
war, zurück, wie es auch ldeen Berninis und 
Vignolas verarbeitet. 
Das hervorragendste Werk Fischers und des 
barocken Wiens aber ist die als Stiftung Kaiser 
Karls Vl. in der Zeit um 1720 am Rande der 
Vorstadt, an den Ufern der Wien, errichtete 
Karlskirche. Zum Triumph des Kaisers wie dem 
der Kirche, zur Überwindung der Türken und 
der Pest ist diese Kirche gedacht. Wenn der 
tonnenüberwölbte Saal auch nur mehr in An- 
deutungen vorhanden ist und das mächtige Tief- 
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oval den Raum eigentlich beherrscht, so 
das Bauwerk doch gleichsam eine Summe 
römischen Hochborock dar, nicht nur durch 
nen antik-römischen Portikus mit den b( 
Triumphsäulen und der Außenwirkung der 
pel. Wie diese Kirche in ihrem Altarraum ar 
Tempel Salomonis anspielt, will ihr Äul 
die Erinnerung an die Großartigkeit der 1 
Rom wiedergeben und zeigen, daß es sich 
um eine kaiserliche Repräsentationskirche 
delt. Das Zentrum der Christenheit soll nun 
nach Wien verlegt sein, und diese Kirche so 
kennbar machen, daß der römisch-imperiale 
danke nach Wien übertragen worden ist. 
Das entscheidend Römisch-Imperiale dieser 
in Wien aber ist, daß nicht nur ein einzi 
Gebäude die Veränderung erfährt, sondern 
die Stadt als Ganzes und auch die kaisei 
Residenz verändert werden. Eigentlich Vt 
die ganze alte Stadt damals neu gebaut. .1 
Adelige und jeder auch nur irgendwie ve 
gende Bürger baute sein Haus neu. Gesc 
sene Straßenzüge und Plätze wurden neu 
staltet, und immer wieder steht der kaiser 
Wille nach Manifestation der Universalität 
hinter. Es geht um die Stadt, die zu e 
Nova Roma werden sollte und wurde. 
Nach dem Tode Karls Vl. im Jahre 1740 E 
die große imperiale Idee und Leitlinie rai 
ab. Weder in Wien noch in Rom nach son 
in Europa gab man sich einer Fortführung I 
nationaler ldeen hin, sondern förderte an 
Orten, begünstigt durch die Aufklärung, 
Nationalismus, der oft auf kleinste Territorii 
ihrem Bestreben nach Unabhängigkeit bez 
war. 
Erst mit der Kaiserkrönung Napoleons I 
Jahre 1804 erlebte die römische Kaiseridee 
gewisse Renovatio, wenn auch Napoleon 
eher als wiedergebarener Octavianus Aug 
fühlte, wie dieser einer Republik entstamrr 
Daher schloß er, obwohl er sich von l 
Pius Vll. krönen lassen hatte, nicht an die g 
Tradition der letzten drei Jahrhunderte an. 
Sogenannt „klassizistische" Tendenzen ga 
zwar im Verlauf des 16. bis 18. Jahrhun 
mehrfach. Der von Winkelmann und Ca 
gepredigte Anschluß an „die Griechen" ist 
auch in der Zeit um 1800 nicht gelungen. lr 
Architektur blieb man weiterhin bei dem 
schluß an das römische Vorbild. In der Aus 
der „varbildlichen" Denkmäler wechselte 
allerdings und griff nun auf die ouguste 
Zeit zurück. Ein besonders gutes Beispiel ( 
ist Napoleons bedeutender Bau in Paris, di 
sprünglich als Ruhmeshalle 1806 begonnene, 
1842 zur Kirche geweihte Madelaine; außer 
römischer Tempel, wie das sogenannte Mr 
Corree in Nimes, innen wie ein Thermer 
mit drei Flachkuppeln. Wenn aber auch 
Kaisertum Napoleons augusteische Prägung 
weist, so ist es doch immer eine Sonderlö 
geblieben. 
England hat merkwürdigerweise zu diesem 
zen europäischen Konzept so gut wie n 
beigetragen. So sehr sich auch dieser Natir 
staat zum übernationalen und außereun 
schen Kolonialreich entwickelte, dessen kolr 
les Konzept so viel Ähnlichkeit mit der römis 
Kolonialpolitik aufweist, so verschieden von 
mischen System blieb seine innere Struktur. 
einzige beachtliche Bau des 17. Jahrhunder 
London, die SL-Pouls-Kathedrale von Chi 
pher Wren aus der Zeit von 1675-1710, 
nur äußerlich barock-römischen Formen. 
Roumanlage selbst führt trotz der Aufnc 
einer Kuppel das mittelalterliche Schema wi 
Die Tradition des „römisch-koiserzeitlichen' 
Jahrhunderts nimmt erst in der Zeit um 1860
	        
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