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Volltext: Alte und Moderne Kunst XX (1975 / Heft 138)

I Aktuelles Kunstgeschehen I Österreich 
 
Wien 
Galerie Ulysses 
Eröffnun sausstellung 
Paul Jen ins 
Wiens wenige bemerkenswerten Galerien für 
moderne Kunst haben einen ernst zu nehmenden 
Konkurrenten hinzubekommen: John Sailer, 
bislang Kunstfreund und Sammler aus Passion, 
eröffnete im Hof der Bundestheaterkassen, 
Goethegasse 1, ein aus einer Garage umgebautes 
Ausstellungslokal mit dem gleichermaßen klang- 
wie anspruchsvollen Namen „Ulysses". Wie die 
Eröffnungsschau deutlich unterstrich, will sich Sailer 
nicht zuletzt um eine kunsthändlerische Renaissance 
der ursprünglich der Galerie St. Stephan 
zugehörenden Maler Mikl, Hollegha und Prachensky 
bemühen. Da er zugleich sein Augenmerk auch 
vergleichbaren jüngeren Usterreichern zuwendet 
(u. a. Friedrich Panzer und Gottfried Maierwöger), 
var allem iedoch internationale Kontakte zu 
führenden amerikanischen und englischen Galerien 
aufgenommen hat, deren Programm durchwegs den 
neueren Tendenzen der Abstraktion gilt, darf 
eine gewisse Durchschlagskraft auf dem für die 
reine Abstraktion besonders harten Wiener Boden 
erwartet werden. Nach dem qualitätsvoll gemixten 
Cocktail zur Lokaleröffnung präsentierte Sailer 
in seiner ersten One-Man-Show den Amerikaner 
Paul Jenkins. Dessen handwerklich brillante, 
malerisch weiche Aquarelle transparent ineinander- 
fließender Formen erwiesen sich in ihrer 
anspruchsvollen Dekorativität dann auch als 
günstiger Start zu akzeptablen Preisen. 
(OktoberlNovember bzw. NovemberlDezember 
1974) - (Abb. 1) 
Secession 
Neue Mit lieder: 
Ferdinan Stransky, Daniel Eckert, 
Ernst Zd ra hal 
Mit der Aufnahme von neun durchwegs iüngeren 
Malern, Plastikern, Graphikern und Obiektebauern 
hat die Secession für Blutauffrischung und 
sinnvolle künstlerische Ergänzung in den eigenen 
Reihen gesorgt. Wenn auch noch lange nicht alles 
zum besten steht, um der Zukunft sorglos 
entgegenzusehen, sa zeichnet sich dach eine immer 
stärker werdende Phalanx iener ernsthaft Bemühten 
ab, die Österreichs traditionsreichste Künstler- 
vereinigung samt ihrem zentral gelegenen 
Ausstellungslokal nicht zum permanenten Spielball 
rein persönlicher Interessen und tagespolitischer 
Opportunitäten degradieren. Von der Wiener Presse 
alles eher denn optimal unterstützt (der Gegen- 
secession widmet man jedenfalls mehr Aufmerk- 
samkeit), stellten sich die neuen Mitglieder in einer 
bemerkenswerten Gruppenschau dem Publikum: 
Christa Hauer, Cornelius Kolig (mit neuen Plexiglas- 
Stahl-Obiekten und Skizzen), Karl Korab, Richard 
Kriesche, Jürgen Messensee (darunter zwei 
gelungene Großformate), Gerhard Moswitzer, die 
sehr konsequent fortschreitende Meina Schellander 
(Obiekte und Zeichnungen), das Ehepaar Jörg 
Schwarzenberger und Renate Kretschmar sowie der 
seit längerem in Wien lebende tschechische Plastiker 
Zbynek Sekal (kleinformatige Reliefs mit sensibel 
gesetzten Strukturen aus Holz und Metall). 
Professor Ferdinand Stransky zählt zu den 
bemerkenswertesten und konsequentesten 
österreichischen Vertretern eines in unsere Zeit 
durchaus legitim übergeleiteten Spätexpressianismus. 
Nicht zu Unrecht fühlt er sich selbst als Fortsetzer 
der Tradition eines Gerstl, Kokosrhka und Boedd, 
und nicht zu Unrecht wurde dem heuer Siebzig- 
iöhrigen eine große, umfassende Retrospektive 
gewährt, die die Bedeutung seines Gesamtwerkes 
in großen Bildern einer kraftvollen, hart 
kämpfenden, doch bewußt zupackenden, pastosen 
Malweise ebenso unterstrich wie im aufbauenden 
Strich seiner gut beobachteten Architekturen und 
Akte. Ein repräsentativer Katalog mit einem 
lesenswerten Text Krislian Sotriffers begleitete die 
auf weiten Strecken überaus qualitätsvolle, einem 
Bekenntnis zur reinen Malerei geltende Schau. 
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In den kleineren Secessionsräumlichkeiten begegnete 
man zur selben Zeit den ungestüm-expressiven, 
mitunter bedrohlich wirkenden Mischtechniken des 
iungen Daniel Edrert (Jahrgang 1961) sowie neuen 
Malereien und Collagen des Wieners Ernst Zdrahal 
im Stile eines sehr plakativen, popähnlichen 
Realismus. 
(14.-31. 10. bzw. 15.-24. 11. 1974) - (Abb. 2) 
Galerie Gras 
Adolf Frohner - „Körperrituale" 
Eine informative, kleinere Schau älterer Material- 
bilder und neuerer Malereien und Zeichnungen 
aus Anlaß der Präsentation des bei „Jugend und 
Volk" erschienenen Bildbandes „Körperrituale". 
Das in insgesamt drei verschiedenen Ausgaben 
erschienene Werk gibt in der Gegenüberstellung 
zeitbezogener Fotodokumentation von Alltags- 
phänomenen und künstlerischer Werke ein reich 
strukturiertes, aktuelles Anschauungsmaterial, das 
in seinen hochinteressanten Zusammenhängen durch 
kluge Texte des Kunstsoziolagen Peter Gorsen und 
Erfahrungen Frohners adäquat ergänzt wird. Den 
bebilderten (Iuvrekatalog stellte Manfred Chobot 
zusammen. Preis der Normalausgabe: 980 Schilling. 
(NovemberlDezember 1974) - (Abb. 3) 
Galerie Stubenbastei 
Heinz Stangl 
Stangls erotisch inspirierter, vor allem in der 
Zeichnung geglückt umgesetzter, feinnerviger 
Realismus bewahrt seine unverkennbare Poesie und 
Eigenart. Das ist das knapp formulierte Fazit 
einer Schau, die wiederholt Fortschritte einer sehr 
persönlich ausgeprägten Möglidikeit, Erotisches 
ins Bild umzusetzen, erkennen ließ. 
(19. 11.-7. 12. 1974) - (Abb. 4) 
Galerie Basilisk 
Doris Reitter, Rudolf Moratti 
Eine Doppelschau, die in geglückter Gegenüber- 
stellung neueste Arbeiten der iungen steirischen 
Malerin und des gleichfalls der Generation um 
dreißig angehörigen oberösterreichischen Bildhauers 
vereinte. Die Reduktion, der sich Doris Reitter in 
ihren penibel gemalten Realitätsausschnitten 
bedient, besitzt im malerialodäquaten Kontrast 
der wuchtig umgesetzten Holz-Seil-Skulpturen von 
Moratti nicht nur ein inhaltlich, sondern auch in 
seiner herben Ästhetik vergleichbares Gegenstück. 
(SeptemberlOktober 1974) - (Abb. 5, 6) 
Galerie Schottenring 
Robert Adrian 
Der seit 1959 in Österreich lebende Kanadier 
(Jahrgang 1935) zählt zu den wenigen in unserem 
Lande, die die künstlerischen Möglichkeiten der 
reinen Abstraktion mit äußerster Konsequenz - 
vergleichbar den iüngsten amerikanischen 
Tendenzen - wahrnimmt. Anhand großformatiger, 
überlegt gemalter Acryltafeln dokumentierte die 
Schau Arbeiten der letzten beiden Jahre. Eine 
Ausstellung, die dem Anliegen Adrians durch ihre 
großzügige, klare Höngung und neutrale 
Repräsentanz besonders entgeenkam. 
(20. 11.-21. 12. 1974) - (Abb. 7) 
Galerie Pabst 
Max Oppenheimer 
Ulbilder und Graphik (vorwiegend Radierungen) des 
dem Kreis um Schiele und Kokoschka zugehörigen 
österreichischen Expressionisten (geboren 1885 in 
Wien, gestorben 1954 in New York). Eine verdienst- 
volle, von einem gewissenhaft erstellten Katalog 
begleitete Schau im Sinne notwendigen 
Nachholbedarfes. 
(20. 9.-31. 10. 1974) - (Abb. B) 
Galerie Grünongergasse 
Walter Pichler 
Es ist selten, daß in Wien von einer Ausstellung 
„gesprochen wird". Bei der - übrigens ausverkauften 
- Präsentation der sechzig neuen Zeichnungen 
Walter Pichlers war dies der Fall. Pichlers wiederholt 
mit Erdforben bereicherte Zeichnungen lassen 
sich in ihrer inneren Logik, in ihrer Poesie und ihrem 
verschlüsselten Beziehungsreichtum mit kurzen 
Worten nicht abtun. Es sind meisterhaft formulierte 
Bekenntnisse einer „individuellen Mythologie", 
die zumeist über die ideale Balance von Aussprecher 
und Zurückhalten verfügen und gerade darin 
die intellektuelle Sensibilität ihres Urhebers adäquat 
widerspiegeln. 
(7. 11.-14. 12. 1974) - (Abb. 9) 
Galerie Spectrum 
Gottfried Helnwein 
Eine harte Show des einem illustrativen Journalismus 
nicht abgeneigten, zweifellos vor allem als 
Zeichner begabten Wieners. Helnweins realistische 
Kinderbilder und Greueltaten gehen unter die 
Haut, da die Effekte gut sitzen. Mit dem für 
beständigere Kunst essentiellen Mehr hat der 
ehemalige Hausner-Schüler freilich gleich vielen 
anderen weiter zu kämpfen. 
(NovemberlDezember 1974) - (Abb. 10) 
Peter Baum 
Künstlerhaus 
Graphik - Kleinplastik 
Es ist die zweite Ausstellung unter einem neuen 
Leiter, und zeigte die erste einen sehr hoffnungs- 
vollen Auftakt, so ist diese eher wieder ein Schritt 
zum alten Mischmasch. im Hauptsaal ist noch die 
erfrischende Einheit und qualitätsvolle Zusammen- 
stellung annähernd bewahrt. Zu erwähnen 
Wolfgang Haidinger und Roland Berger mit ihren 
Plastiken, vor allem aber Gotthard Muhrs und 
Sigi Schenks Graphiken, ebenso die im linken 
Nebensaal placierten Graphiken der E. Retter-Peters 
und die ausgezeichneten Blätter Bernhard 
Hollemanns. Wer aber kam auf die Idee, die 
T. Alberti de Poia in diesem Kreis zu zeigen? 
Wo, so fragt man sich, ist der Krenn der 
vergangenen Jahre? Da geht man gerne hinüber 
in die. . . 
Künstlerhausgalerie 
Erich Steininger 
zeigt Holzschnitte und Lithographien. Seine 
großen, kraftvollen Schwarzweißschnitte haben 
nichts von ihrer starken Aussage verloren. Sie 
sind etwas heller geworden, das Schwarz wurde 
etwas zurückgedrängt, das Bedrohliche wird 
darum aber nicht geringer. Steininger stellt auch 
eine große Anzahl Lithographien und dabei erstmals 
auch farbige aus. Auch hier sind seine Formate 
groß, und es scheint sich ihm ein weit rüumlicheres 
Sehen zu erschließen, der feine Strich kommt 
deutlicher als im Holz heraus. Wir glauben, in 
dieser Technik noch vieles van ihm erwqrten 
zu dürfen. 
(29.1l.1974-15. 1.1975)-(Abb. 11,12) 
Galerie in der Blutgasse 
Erich Buchegger 
Der Linzer Künstler zeigte 14 Ülbilder. Er geht 
von einer konstruktiven Richtung aus, auch Mondrian 
wird bei ihm immer zitiert. Seine Arbeiten werden, 
wie in dieser Ausstellung ersichtlich, langsam 
gegenständlicher. Waren noch vor Jahren die 
Farben allein flächengestaltend, so gewinnen die 
Bilder nun räumliche Tiefe. Es sind unbestimmte und 
unbestimmbare Räume, denen wir hier gegen. 
überstehen. Die Gegenstände sind geometrische 
Körper in freien, man möchte sagen schwerelosen 
Lagen. Eine Hinneigung zu einer surreolen 
Sinngebung ist aufzuspüren. Ein Titel wie „Durch- 
dringung" scheint uns bezeichnend. Die Farben 
sind durchwegs satt und ruhig. Ausgeglichene Bilder 
ohne Hektik, die aber nicht spannungslos und 
langweilig wirken. 
(25. 11.-14. 12. 1974) 
Galerie Basilisk 
Bilder zur neuen österreichischen Literatur 
Mit dieser, der 150., Ausstellung der Galerie, die 
auch in die Bundesländer gehen soll, wird versucht, 
eine nähere Beziehung der verschiedenen Künstler 
zueinander, aber auch zwischen den verschiedenen 
„Kunstkonsumenten" herzustellen.
	        
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