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Volltext: Alte und Moderne Kunst XX (1975 / Heft 139)

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sienkunst iener Zeit, zu vervollständigen und da- 
zu beizutragen, die tirolisch-österreichischen Er- 
zeugnisse besser von den augsburgisch-süddeut- 
schen unterscheiden und abgrenzen zu können. 
Die hohe Qualität und der dokumentarische 
Wert dieses Kabinettschranks waren auch die 
Begründung dafür, ihn auf der großen Ausstel- 
lung „Renaissance in Osterreich" in Schloß Schal- 
laburg 1974 zu zeigen. 
Hatte der zuvor erwähnte Kabinettschrank nur 
indirekt mit Augsburg als dem Ursprungsort der 
Mäbeltorm und der lntarsiendekoraticn zu tun 
gehabt, so begegnet uns mit diesem Elfenbein- 
und Ebenholzschrein (Abb. 4) eine Arbeit, deren 
Herkunft aus der Fuggerstadt eindeutig gesichert 
ist. Gesichert deshalb, weil dem Möbel mitten 
auf die waagrechte Sockelplatte mit einem 
Schlagstempel die Bezeichnung EBEN und dar- 
über das Augsburger Wappenzeichen, der Pi- 
nienzapfen, eingeprägt sind? So genau also 
hielten es die Augsburger Kunsttischler oder 
Kistler mit der Verwendung des Ebenholzes, daß 
sie, wenn einer ihrer Zunftgenossen das kost- 
bare Material zu Furnieren und Profilleisten ver- 
arbeitet hatte, das betreffende Möbel mit einem 
Beschaustempel versahen. Aber bei diesem Ka- 
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binettschrank wurde nach ein übriges getan. Auf 
der Rückseite des Kastens steht mit weißer Ol- 
farbe in kalligraphischen Maiuskeln geschrieben 
HIN-DE-N GE-BE-lS-T (hinten gebeizt). Welche 
Gewissenhaftigkeit! Mit den beiden Hinweisen, 
dem Stempel und der lnschrift, sollte beim zu- 
künftigen Käufer des Schranks von vorneherein 
iedem Mißverständnis oder der Möglichkeit eines 
Verdachts a-uf Übervorteilung mit aller Deutlich- 
keit begegnet werden. Es handelt sich also in 
diesem Falle bloß an den drei Schauseiten um 
Ebenholz, an der Rückseite hingegen um ein- 
heimisches Holz-zumeist Birnbaum- oder Ahorn- 
holz -, das mittels schwarzer Beize dem Eben- 
holz angeglichen worden war. In der allgemein 
zugänglichen Fachliteratur ist bisher noch kein 
Möbel mit einem derartigen Vermerk veröffent- 
licht worden. - Die figürlichen lntarsien auf den 
Ladenvorderstücken und auf der Türe des mitt- 
leren Schließfoches sind von Motiven aus der 
antiken Mythologie angeregt: Jupiter, Neptun, 
Apollo, Diona, Venus, Europa, Perseus und Ika- 
rus. Wie es zu einem solchen Kunstschrank ge- 
hört, enthält er außer den sichtbaren Ablage- 
möglichkeiten eine Vielzahl wohlverborgener Ge- 
heimladen, insgesamt achtunddreißig, deren ge- 
tarnte Unterbringung vom Hersteller des Schranks 
viel Geschick und Findigkeit verlangte. Ehe man 
nämlich an sie herankommen und sie benützen 
kann, müssen die Wände der hinter den beiden 
Türchen gelegenen Kastenräume, die wie eine 
nach vorne offene Kiste zusammengefügt sind, 
aus dem Schrank herausgezogen werden. Aber 
gerade das Spiel mit den verschiedenen kleinen 
Verstecken, um deren Kenntnis nur der Besitzer 
des Schrankes wußte, erhöhte den Reiz dieser 
Art von Möbeln und trug zu ihrer Beliebtheit 
bei. Die knarpelartige Struktur der gravierten 
Ornamente, die Trachten der beiden Bewaffne- 
ten, eines Jügers und eines Soldaten, im Mittel- 
teil der Sockellade sowie die Rumpel- oder 
Flammleisten sprechen dafür, das zweite Viertel 
des l7. Jahrhunderts als Entstehungszeit anzu- 
nehmen. 
Der Kabinettschrank (Abb. 7) des Abtes Alex- 
ander a Lacu (1601-1613) ist für die österreichi- 
sche Möbelgeschichte von unschätzbarem Wert, 
weil er mit der Jahreszahl 1601 bezeichnet ist 
und daher als verläßlicher Datierungsbehelf und 
als Vergleichsbeispiel dienen kann. Man sehe 
sich also daraufhin alle hier zur Verzierung 
herangezogenen Ornamente gut an, um aus
	        
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