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sienkunst iener Zeit, zu vervollständigen und da-
zu beizutragen, die tirolisch-österreichischen Er-
zeugnisse besser von den augsburgisch-süddeut-
schen unterscheiden und abgrenzen zu können.
Die hohe Qualität und der dokumentarische
Wert dieses Kabinettschranks waren auch die
Begründung dafür, ihn auf der großen Ausstel-
lung „Renaissance in Osterreich" in Schloß Schal-
laburg 1974 zu zeigen.
Hatte der zuvor erwähnte Kabinettschrank nur
indirekt mit Augsburg als dem Ursprungsort der
Mäbeltorm und der lntarsiendekoraticn zu tun
gehabt, so begegnet uns mit diesem Elfenbein-
und Ebenholzschrein (Abb. 4) eine Arbeit, deren
Herkunft aus der Fuggerstadt eindeutig gesichert
ist. Gesichert deshalb, weil dem Möbel mitten
auf die waagrechte Sockelplatte mit einem
Schlagstempel die Bezeichnung EBEN und dar-
über das Augsburger Wappenzeichen, der Pi-
nienzapfen, eingeprägt sind? So genau also
hielten es die Augsburger Kunsttischler oder
Kistler mit der Verwendung des Ebenholzes, daß
sie, wenn einer ihrer Zunftgenossen das kost-
bare Material zu Furnieren und Profilleisten ver-
arbeitet hatte, das betreffende Möbel mit einem
Beschaustempel versahen. Aber bei diesem Ka-
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binettschrank wurde nach ein übriges getan. Auf
der Rückseite des Kastens steht mit weißer Ol-
farbe in kalligraphischen Maiuskeln geschrieben
HIN-DE-N GE-BE-lS-T (hinten gebeizt). Welche
Gewissenhaftigkeit! Mit den beiden Hinweisen,
dem Stempel und der lnschrift, sollte beim zu-
künftigen Käufer des Schranks von vorneherein
iedem Mißverständnis oder der Möglichkeit eines
Verdachts a-uf Übervorteilung mit aller Deutlich-
keit begegnet werden. Es handelt sich also in
diesem Falle bloß an den drei Schauseiten um
Ebenholz, an der Rückseite hingegen um ein-
heimisches Holz-zumeist Birnbaum- oder Ahorn-
holz -, das mittels schwarzer Beize dem Eben-
holz angeglichen worden war. In der allgemein
zugänglichen Fachliteratur ist bisher noch kein
Möbel mit einem derartigen Vermerk veröffent-
licht worden. - Die figürlichen lntarsien auf den
Ladenvorderstücken und auf der Türe des mitt-
leren Schließfoches sind von Motiven aus der
antiken Mythologie angeregt: Jupiter, Neptun,
Apollo, Diona, Venus, Europa, Perseus und Ika-
rus. Wie es zu einem solchen Kunstschrank ge-
hört, enthält er außer den sichtbaren Ablage-
möglichkeiten eine Vielzahl wohlverborgener Ge-
heimladen, insgesamt achtunddreißig, deren ge-
tarnte Unterbringung vom Hersteller des Schranks
viel Geschick und Findigkeit verlangte. Ehe man
nämlich an sie herankommen und sie benützen
kann, müssen die Wände der hinter den beiden
Türchen gelegenen Kastenräume, die wie eine
nach vorne offene Kiste zusammengefügt sind,
aus dem Schrank herausgezogen werden. Aber
gerade das Spiel mit den verschiedenen kleinen
Verstecken, um deren Kenntnis nur der Besitzer
des Schrankes wußte, erhöhte den Reiz dieser
Art von Möbeln und trug zu ihrer Beliebtheit
bei. Die knarpelartige Struktur der gravierten
Ornamente, die Trachten der beiden Bewaffne-
ten, eines Jügers und eines Soldaten, im Mittel-
teil der Sockellade sowie die Rumpel- oder
Flammleisten sprechen dafür, das zweite Viertel
des l7. Jahrhunderts als Entstehungszeit anzu-
nehmen.
Der Kabinettschrank (Abb. 7) des Abtes Alex-
ander a Lacu (1601-1613) ist für die österreichi-
sche Möbelgeschichte von unschätzbarem Wert,
weil er mit der Jahreszahl 1601 bezeichnet ist
und daher als verläßlicher Datierungsbehelf und
als Vergleichsbeispiel dienen kann. Man sehe
sich also daraufhin alle hier zur Verzierung
herangezogenen Ornamente gut an, um aus