Hodler zu verbinden scheinen, so verbindet ihn
mit Munch die Fähigkeit, den seelischen Status
des modernen Menschen dargestellt zu haben
vermittels einer intensiven, vorbehaltlos ehrlichen
Dokumentation der ,condition humaine', wie sie
sich in Liebe, Leben und Tod offenbart." Messer
schreibt aber weiter: „Das ganze Problem der
wechselseitigen Beeinflussung ist viel komplexer,
als die vorwiegend mit Intuition und festen Ka-
tegorien arbeitende Kunstgeschichte es wahrha-
ben will. Tatsache ist, doß ieder Künstler als
Rohmaterial aufgreift, benutzt und absorbiert,
was ihm für seine Kunst von Nutzen erscheint:
Gutes und Schlechtes, Lebendiges und Totes,
Optisches und Literarisches, Psychologisches und
Wissenschaftliches - dies alles dient dem Jagd-
instinkt des schöpferischen Menschen als Beute,
2 Egon Schiele, „Doppelbildnis Heinrich und Otto
Benesch", 1913. Ol (Kot-Nr. 50)
3 Egon Schiele, „Selbstbildnis", 1910. Schwarze
Kreide und Deckforben (Kali-Nr. B7]
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und im besonderen Maße trifft dies auch auf
einen Künstler wie Schiele zu."
Für das Ergebnis der „Beutezüge" Schieles sind
drei Elemente wichtig, auf die Hans Kinkel [in
seiner vorzüglichen Besprechung der Ausstellung
vom 12. März 1975 in der „Frankfurter Allge-
meinen Zeitung") hingewiesen hat: Der neugie-
rig gespannte, zwischen Hypnose und Verzük-
kung fixierte Blick, der als monochromer Farb-
raum gegebene, immaterielle Körper und die
zum flächensüchtigen Ornament stilisierten, auf
Aktion und Besitz gerichteten Hände.
Die Kunst Schieles war und ist nicht „populör",
nicht „volks-nah" und wird es auch nie sein.
Sie wird aber immer das sein, was Schiele 1913
auf eine seiner Zeichnungen geschrieben hat:
„Die Wahrheit wurde enthüllt."
1 Unser Autor:
Franz Wagner
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