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Volltext: Alte und Moderne Kunst XX (1975 / Heft 140)

Karl Reißberger 
 
ln der letzten Zeit sind einige Maler auf die Technik 
der Monotypie verfallen, um ihre Bildvorstellungen 
zu realisieren. Bei dieser Technik, die gelegentlich 
auch von den deutschen Expressionisten verwendet 
wurde, wird eine beliebige Platte, zumeist Glas, 
bemalt und im Anschluß daran auf angefeuchtetem 
Papier ein einziger Abzug davon genommen. In 
Wien war es vor allem der verstorbene Fred 
Nowak, der mit dieser Technik expressive 
Wirkungen erzielte. 
Vergleicht man dessen Arbeiten, die wohl vielen 
noch von seiner letzten Ausstellung im Üsterreichi- 
schert Museum für angewandte Kunst her in 
Erinnerung sein werden, mit jenen von Karl 
Reißberger, so wird deutlich, zu welcher unter- 
schiedlichen Gestaltung und Aussage die Monotypie 
fähig ist. Sie erweist sich als ein Medium, das 
gleich den traditionellen Techniken alle Gestaltungs- 
möglichkeiten zuläßt. Dies gilt besonders für die 
Arbeiten von Karl Reißberger, die man vom Duktus 
her als spontan und von der Farbe als impressio- 
nistisch bezeichnen kann. Vom Thema her sind 
nahezu alle Blätter der Natur und ihren 
Stimmungen gewidmet. Diese Blätter sind jedoch 
nicht vor der Natur entstanden, sondern im Atelier, 
das heißt aus den technischen und künstlerischen 
Voraussetzungen des Entstehungsprozesses. Indem 
der Künstler den farbigen Untergrund akzentuierte 
und strukturierte, entstanden die visuell identifizier- 
baren Bildvorstellungen wie „Ein Morgen", 
„Sterbende Natur", „Winterwald", „Dunkle Stadt" 
und andere. Reißberger folgte damit einer 
Anweisung, auf die Leonardo da Vinci schon die 
Maler als einen möglichen Gestaltungsvorgang 
verwiesen hat. Da dieser Prozeß bei Reißberger 
mit Intensität, großter Behutsamkeit und ohne 
vehementen Zugriff erfolgt, verbleiben auch noch 
die zartesten Valeurs und graphischen Strukturen 
für den Gesamteindruck mitbestimmend. Dieser läßt 
sich als ein ungemein sensibles Chaos beschreiben, 
das gleich dem mythischen Begriff alle Möglichkei- 
ten der Gestaltwerdung in sich trägt und hier sich 
zumeist als eine Art dämmerhafter „Traumzustand" 
darstellt. Es ist daher nur zu verständlich, daß 
nicht die polaren Zustände von hellem Tag und 
dunkler Nacht Reißbergers Interesse finden, sondern 
iene, die sich eher durch braundunkle oder neblig- 
trübe Dämmerfarben auszeichnen. ln diesen 
Bereichen herrscht dann ein nur vage konturierendes 
Bildgestalten, das der Phantasie vollen Spielraum 
läßt und nicht die scharfe und trennende Begrifflich- 
keit des Tagbewußtseins kennt. 
ln allen Blättern Reißbergers schwingen wegen 
dieser „Verhaltenheit" oder „AnfänglichkeiW auch 
nach „hörbare" Elemente mit. Die Trennung 
zwischen „hören" und „sehen" ist noch nicht radikal 
vollzogen, die Blätter können nach „musikalisch" 
empfunden werden. Ihre Musikalität umfaßt die 
Skala der leisen und dunklen Töne, welche die 
Stimmungen der Schwermut, der Vergänglichkeit, 
den Herbst und Winter evozieren. 
Durch diese Gestaltungsweise und Aussagekraft 
haben Reißbergers Blätter vieles gemeinsam mit 
der Tuschmalerei der Chinesen. Wie bei diesen 
kommt man auch den Arbeiten Reißbergers nur 
dann nahe, wenn man nicht intellektuell an sie 
herantritt, sondern seelisch offen und gelöst wie 
bei einer musikalischen Darbietung. Erst dann 
erschließen sie sich und vermögen die vom Künstler 
angestrebte stille, aber intensive Wirkung zu errei- 
chen. Wilhelm Mrazek 
'l „Sterbende Natur", T974. Monatvpie, 36 x 65 cm 
2 „SommeW, 1975. Monotvpie, 44 x 65 cm 
3 Dunkle „Smdw (großer Ausschnitt], 1974. Monotvpie, 
orvg. 45 x es cm 
4 „Ein Morgen", 1973. Monatvpia, 34 x 49 cm 
s Karl Reißbergcr 
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