zen Kastens, Trapaneser Arbeiten' des II. Jahr-
hunderts sind, die erst anläßlich der Aufstellung
1882 aus der Sammlung für Plastik und Kunstge-
werbe des Kunsthistorischen Museums entlehnt
wurden. Der Komplex der frühen Stücke (Abb.
12, 13), Rarissima in ihrer Art, läßt annehmen,
doß ihre Attraktion für den Sammler eher in
den naturwissenschaftlichen Bereich fällt. Dies
wird durch eine ganze Anzahl noch erhaltener
„Corallener Zinggen", die zusammen mit
Schwämmen und „Mörstainen" zu stillebenarti-
gen Gruppen komponiert sind, in der das sel-
tene Naturprodukt als solches dargeboten wer-
den sollte, deutlich gezeigt. Die nächste Phase
in Richtung auf eine Bearbeitung der Koralle
repräsentieren die Darstellungen von drei Päs-
sen (Abb. 12 unten). Das sind ca. 40 Zentimeter
hohe Nachbildungen bekannter Alpenübergänge,
die zwar getreue Kopien der Wirklichkeit sind,
durch die Bekrönung mit Korallen aber zu über-
aus artifiziellen Gebilden einer die verschiede-
nen Erscheinungsformen der Wirklichkeit austau-
schenden Phantasie geworden sind. Auch die
Figurenszenen, wie Kreuzigungen (Abb. 13) oder
ein Kampf des Herkules mit der Hydra, lassen
den Wunsch erkennen, die Naturforrn der Ko-
ralle zu bewahren und gleichsam nur dort, wo
sie nach Art einer Alraune der menschlichen Ge-
stalt nahekommt, für die gewünschte Darstel-
lung auszunützen.
Eine Besonderheit in diesem Zusammenhang
stellen die ursprünglich im Kasten, heute, zum
Zweck einer besseren Sichtbarmachung, auf den
alten Ferdinandeischen Sockeln postierten Ka-
binette dar. Hier sind in einem hausartigen,
nach vorne verglasten kleinen Raum Muscheln,
Schneckenhäuser, Korallen und Spiegelgläser zu
wunderlichen Höhlen zusammengefaßt, die in
kleinem Format und kostbarer Ausführung die
monumentalen Grotten des italienischen Manie-
rismus zu einem Gegenstand des fürstlichen
Spieltriebes werden ließen. Über den Entste-
hungsort dieser frühen Korallenarbeiten ist so
gut wie nichts bekannt, die Erwähnung einer
Zahlung im Jahre 1581 läßt an Genua denken,
doch kann der „Genuesische Handelsmann" auch
nur ein Vermittler gewesen sein".
Die wohl merkwürdigsten Gegenstände der Am-
braser Kunstkammer, Unikate ohne Parallelen in
einer anderen Sammlung, sind Aufbauten aus
Holz oder Elfenbein, die, teils frei stehend (Abb.
3, I), den Lnarakrer uoeraus rragller Arcni-
tekturen haben, teils aber in Verbindung mit
einer dunkelblau bemalten Holzrücklage als
Wandbehang iagdlichen Charakters erscheinen
(Abb. 2, 6). Diese Arbeiten sind Kunstkammer-
stücke par excellence, da sie einzig und allein
dem persönlichen Geschmack des Erzherzogs,
der auch eine eigene eingerichtete Drechsler-
werkstatt besaß, ihre Entstehung verdanken. Ty-
pisch für den Zeitgeschmack ist es wohl, daß die
an die Grenzen des Möglichen reichende Zart-
heit der handwerklichen Ausführung durch einen
praktischen Verwendungszweck ad absurdum ge-
führt wird. Einer der kleinen Zentralbauten war
bei abnehmbarem Deckel eine Schreibgarnitur
(Abb. 7), der andere ein Nöhzeug, das große
rechteckige Haus mit seinem spitzgiebeligen Dach
ein Heiliges Grab (Abb. 3.). Über einen ausfüh-
renden Künstler ist nichts bekannt, und es er-
scheint bis zu einer möglichen Auffindung neuer
Quellen nicht sehr zielführend, Zuschreibungen
an bekannte Namen vorzunehmen. Sicher aus
derselben Werkstatt stammen die Aufbauten
und Wandbehänge aus Elfenbeinspänen (Abb.
2, 6), denen aber in bezug auf ihre Bedeutung
ein etwas anderer Akzent verliehen ist. Das
größte Stück ist nach Art einer Festung mit
einer Unzahl von Kanonen und Figürchen be-
setzt (Abb. 6), ein kleines Haus dient als Heiliges
Grab, ein fast rokokoartig anmutender Kiosk ist
das Gehäuse für eine Auferstehung Christi.
Mindestens ebenso rätselhaft, was ihre Entste-
hung angeht, ist eine Serie von Bildern (Abb. 5),
teils alttestamentarischen, teils mythologischen
lnhalts, die aus Glas, Perlen, Email, Gold und
Silberplättchen zusammengefügt sind und in der
Zeit ihrer Entstehung - auch sie sind durch das
Nachlaßinventar von 1596 beglaubigt - ohne
irgendeine Entsprechung in anderen Sammlun-
gen sind. Eine Lokalisierung noch Nevers, für
das in der Technik ähnliche, aber doch spätere
Arbeiten sprechen könnten, ist wohl abzulehnen,
so daß außer der traditionellen Glasstadt Vene-
dig nur mehr die Tiroler Glashütten von Inns-
bruck oder Hall bleiben. Für Venedig sprechen
zahlreiche Ornamentdetails, die sich in ähnlicher
Form auch an weitgehend gesicherten Obiekten
finden", wobei aber die Tatsache der absoluten
Rarität der Stücke an sich gegen eine breitere
Produktion und eher für die Ausführung in der
engsten Umgebung des Erzherzogs, nach sei-
nerri persunncnun vvuusui ullu wväulllluux,
lich wie im Fall der Holzaufbauten, spreche
Besonders gut erhalten ist iener Bestand l
schiedlichster Herkunft, der sich seiner l
nach der Ordnung nach dem Gesichtspunk
Materialgleichheit entzog und deshalb in
genannten Variokasten aufbewahrt wurd
sind dies einige „Möhrische Pünden", seh
tene Kleidungsstücke, z. T. außereuropäi
Provenienz, Schuhwerk und Stiefel des 15
16. Jahrhunderts, aber auch „ein Kirbis,
weit und oben eng", verschiedene Bernst
guren, darunter „ain altfrenckisch gelb agst
Marienbild, so das Kindl Jesu auf der S
helt", wohl eines der wenigen erhaltenen l
plare des 15. Jahrhunderts.
Weit über die räumlichen Grenzen des Sar
wesens seiner Zeit trat Erzherzog Ferd
durch die prononcierte Vorliebe für ostz
sche Erzeugnisse. In Ambras wird heute nor
Großteil ienes Bestandes verwahrt, der GI
Anfang von dem zu setzen ist, was späte
europäischen Chinamode wurde. Neben 111
ragend erhaltenen Malereien von Landsc
bildern und figürlichen Szenen sind es 11
Hauptsache Gefäße aus Porzellan, aber
aus Holz und geschnittenem Horn, die zi
men mit späteren Arbeiten des 17. bis 18.
hunderts zwei große Kästen füllen. Der
über den der Erzherzog diese Vorliebe l:
digte, läßt sich heute nicht mehr nachvollz
möglicherweise war ihm sein Vetter, König
lipp ll., dabei vermittelnd behilflich.
Durch diese über die lokalen Grenzen h
reichende Universalität des Sammelns, eint
System und Akribie auf die Dokumentatio
Ganzen gerichteten Willensäußerung, erhel
Ambras über die meisten anderen Unternel
gen seiner Art. lm Unterschied zur Prager l
kammer Kaiser Rudolfs ll., in der nebe
Goldschmiedekunst vor allem die Glypti
minierte, lassen sich bei Erzherzog Ferd
bestimmte Akzentsetzungen nicht feststellt
Ambras waren gleichwertig Objekte der
sten künstlerischen Qualität mit Gegensti
vereinigt, die noch vor kurzem als Kurios
abgetan wurden. Ihnen den Rang zukomn-
lassen, den sie zur Zeit ihrer Entstehung zv
los hatten, war die wichtigste Aufgabe der
aufstellung der Ambraser Kunstkammer.
14 Schloß Ambros aus Mericns Welhopogruphie
Anmerkungen 9-11
7 Anlonio Duneu: „L'Arte Trapanese del Corulln",
1964, 5. 95 ff.
"Jahrbuch des A, H, Kciserhuuses XlW1B93, Nr. 1091
" MiNeilung von Mr. R. J. Chorleslon vom 15. Q1001:
Ü Unsere Auiorin:
Dr. Elisabeth Scheicher
Kusfos der Sammlungen des
Kunsfhiskzrischen Museums Wien
im Schloß Ambras
6020 lnnsbruck-Ambrcs