3...."...
taillierte Beschreibungen existieren von diesen
Werken nicht. Unser Gewährsmann J. K. von
Lippert teilte dazu mit, daß Straub wegen die-
ses Auftrages seinen Meister verlassen habe. Er
fügte hinzu: (er) „unternahm aus eigenen Kräf-
ten die ihm angewiesene Arbeit, die er in Zeit
von zwey Jahren zu Stande brachte". Eine bis-
her unveröffentlichte Aktennotiz (1725) ergänzt
unsere Kenntnis über diese frühen häfischen Ar-
beiten Straubs in ganz entscheidender Weises.
Sie belegt urkundlich, daß der damals erst ein-
undzwanzigiährige Bildhauer namentlich unter
den Kistlergesellen aufgeführt wird, die unter
den Meistern Johann Georg Baumgärtl und Jo-
hann Adam Pichler nach Plänen des Oberhof-
baumeisters Joseph Effner die künstlerische
„5chneidarbeit" (d. h. Wandvertäfelungen, Lam-
brien, Gemälderahmen, Konsoltische und andere
Schnitzereien) für den Speisesaal und für das
Paradeschlafzimmer des Kurfürsten in Schloß
Schleißheim ausführten. Während die in dem
gleichen Zusammenhang genannte Erstdekora-
tion des Speisesaales an der Nordseite des Ve-
stibüls noch unter Kurfürst Max lll. Joseph völlig
verändert wurde, hat man aufgrund der er-
wähnten Aktennotiz und angesichts der voll-
ständig erhaltenen Ausstellung des kurfürstlichen
Paradeschlafzimmers ietzt eine reelle Chance,
einigen der anonym gebliebenen Erstlingswer-
ken Straubs zu begegnen. Zu ihnen gehören
außer einem geschnitzten Konsoltisch, von dem
nach zu sprechen sein wird, gleichsam als Ho-
heitszeichen erscheinende Bayerische Löwen
(Abb. 2). Als Relief sind sie an der Bettbalustrade
geschnitzt. In ihren Pronken halten sie Kartusch-
schilde mit dem ME-Monogramm. Es bezieht sich
auf den Erbauer des Schlosses, den Kurfürsten
Max Emanuel. Diese Löwendarstellungen wur-
den von der höfischen Bildhauerwerkstatt aus-
geführt, deren Meister Johann Adam Pichler
war. Nach der oben genannten Archivalie be-
steht inoffi ell kein Grund, sie nicht als bisher
unidentifizierte Frühwerke Straubs zu betrach-
ten. Daß sie nicht auf seine eigenen Entwürfe,
sondern auf solche von Joseph Effner zurück-
gehen, beeinträchtigt keinesfalls ihre nicht zu
bestreitende Qualität. Soweit es heute zu über-
sehen ist, gehören die für Schleißheim geschnitz-
ten Dekorationen zu den letzten Werken Straubs,
die er unmittelbar vor seiner Abreise nach
Wien schuf, wo er, wie wir an anderer Stelle
sagten, vermutlich um 1726 eintraf".
Als der Bildhauer nach achtjähriger Abwesen-
heit 1735 nach München zurückkehrte, akzep-
tierte man ihn hier erstaunlicherweise sofort.
Laut J. K. von Lippert bestand einer der ersten
nachweisbaren Aufträge für ihn darin, im Jahre
1736 eine sieben Schuh hohe - vermutlich aus
Holz geschnitzte und vergoldete - Venus anzu-
fertigen „samt dreyen Genien". Sie war für
einen Springbrunnen in dem späteren „Grafkö-
nigsfeldischen" Haus bestimmt. Seinem Typus
nach muß es sich um einen Wandbrunnen ge-
handelt haben. Darauf deutet iedenfalls eine
Nische hin, die noch heute in dem offenen Hof
erhalten ist. Das Haus (heute Erzbischöfliches
Palais) ist mit dem von Francois de Cuvillies im
Jahre 1737 fertiggestellten Holnstein-Palais iden-
tisch. Bei der Ausführung der Brunnenskulptur
kam der iunge Straub erstmals mit dem kur-
fürstlichen Oberhofboumeister Francois de Cu-
villies in Berührung. Von Straub aus gesehen,
kann man hier von einer schicksalhaften Be-
gegnung sprechen. Die erstaunliche Diszip'
heit der Formensprache, die alle seine höfischen
Werke auszeichnet, ist ohne den stilbestimmen-
den Einfluß von Cuvillies nicht zu erklären. Er
bestimmte den Stil der Münchener Hofkunst bis
30
...,..gc.............a ...............g.... ....... a-
wie es Max Hauttmann so treffend formulierte,
die „letzte Instanz". Um das ausgezeichnete Ver-
hältnis Straubs zu seinem Auftraggeber, dem
kurfürstlichen Hof, richtig zu interpretieren, ist
dazu vorauszusetzen, daß alle seine höfischen
Werke, insbesondere die von uns nicht behan-
delte figürliche Ausstattung des Cuvillies-Thea-
ters, nicht ohne den Konsens des unter der Lei-
tung von Cuvillies stehenden Oberhofbauamtes
ausgeführt werden konnten. Auf diesen Umstand,
der auch urkundlich nachweisbar ist, wird zu
gegebener Zeit zurückzukommen sein. Das in
Rede stehende Palais, für das der bereits ge-
nannte (nicht erhaltene) Venus-Brunnen von J. B.
Straub ausgeführt wurde, war die Stadtwoh-
nung des nachträglich legitimierten Sohnes Karls
Vll. Albrecht, des Grafen Franz Ludwig von
Holnstein aus Bayern (1723-1780). Wir folgen
wieder J. K. von Lippert, der sich dazu notierte:
„Mit dieser Arbeit erwarb (zu erg.; Straub)...
sich so großen Beyfall, daß lhro damals re-
gierende Churfürstliche Durchlaucht in Baiern,
Karl Albert, churmildesten Andenkens, bewogen
wurden, den Herrn Straub als Hofbildhauer
huldreichst zu ernennen". Zum kurbayerischen
Hofbildhauer wurde er am 7. Juni 1737 ernannt'.
In diesen Zeitabschnitt der bildhauerischen Tä-
tigkeit Straubs für den Münchener Hof gehören
zwei „Bilderschlitten" (Marstallmuseum) in Schloß
Nymphenburg" (Abb. 3 und 4). Es ist keineswegs
zu hoch gegriffen, wenn man von ihnen behaup-
tet hat, sie seien „wahre Gipfelleistungen"" des
deutschen Schlittenbaues im 18. Jahrhundertm.
Bevor wir uns mit ihnen beschäftigen, ist erneut
auf J. K. von Lippert hinzuweisen. Nach seinen
Aufzeichnungen, die, woran nicht zu zweifeln ist,
auf persönliche Mitteilungen des mit ihm be-
freundeten J. B. Straub zurückgehen, waren
außer allen damals bei Hof in Gebrauch be-
findlichen „Paradeschlitten" auch die „Parade-
wagen" mit Schnitzereien des Bildhauers ver-
sehen. Von den zuletzt genannten Stücken ist
bedauerlicherweise kein Exemplar erhalten ge-
blieben". Als willkommene Bestätigung bietet
sich eine noch unveräffentliche Aktennotiz an".
Zu ihr ist vorweg zu bemerken, daß es sich bei
„lhro Excellenz" um den kurbayerischen Käm-
merer, Hofrat und späteren Hofratspräsidenten
Johann Maximilian V. Franz Xaver Graf von
Preysing-Hohenaschau (1736-1827) und bei dem
„Hof Paumaister" um niemand anderen als um
Francois de Cuvillies d. Ä. handelt. Wörtlich
lautet das Zitat: „Vor lhro Churfürstl. Durchl.
durch Anbefelchung lhro Excellenz Herrn Grafen
Von Preysing, wie auch Von dem Hof Paumai-
ster. .. gemacht worden, wie Valgt. Verfaßt den
20." april 1766... Model zu einer Gutschen,
oder Wagen mühesamb, und zweymahl ge-
macht, verdient 30. flJJohann Babist Straub!
Churfrstl. Hofbildhauer". Ergänzt und bestätigt
wird dieser Aktenfund durch einen zweiten. Er
stammt vom 10. Januar 1762. Damals wurde die
Hofkammer angewiesen, für ein ebenfalls nicht
erhaltenes Modell für „Gutschen" einen Betrag
von 45 fl. an J. B. Straub auszubezahlen". In
beiden Fällen handelt es sich bei den im Nym-
phenburger Marstallmuseum erhaltenen Stücken
um „Carrousels"- oder Rennschlitten. Wir ver-
danken Heino Maedebach" den Hinweis, daß
seit dem 17. Jahrhundert bei den Hoflustbarkei-
ten auch prunkvolle Schlittenfahrten und Schlit-
tenaufzüge auf einem vorbereiteten Festplatz in
Mode kamen. Der allgemeinen Wandlung des
Turniers zum Ritterspiel folgend, beteiligten sich
auch Damen des Hofes am Wettstreit, d. h. beim
sogenannten Schlitten-„Carrousel". Ein derarti-
ges „Carrousel" wurde ausschließlich mit dem
Schlitten durchgeführt. Dazu benützte man künst-
Anrnerxungen l-lu (Anmerkungen l-lf s. iexr
'P. Steiner, Johann Baptist Straub (: Münchner
historische Abhandlungen VI), München und Züric
Abb. 2, 3 und 4. Trotz eines Hinweises in ThB. X
S. 163, blieb hier ein kleineres Straub-Porträt (l
403.45] Cm) unerwähnt. Es stammt ebenfalls von
Albrecht. Vgl. Kat. der Gemälde des Bayerischen
nolrnuseums, Vlll, München 1908, Nr. 202. Ein vc
Straub-Neffen F. X. Messerschrnidt ausgeführtes
orträt als Bleiguß (um 1768?) ist verschollen. Erwi
ei: Lippert, a. a. O., S. 64. Vgl. auch: H. W.
All emeiner Bildniskatalog, Xll, Leipzig 1934, Nr
un 88072 (Stiche: F. X. Jungwirth - F. J. Oefele
Beide Bilder (ÖllLw.; 162-122 bzw. 162:117 cm) entsl
sich im Format fast vblli Vgl. Bayern-Kunst- und
Ausst. München 1972, Ka . Nr. 9951996 mit Abb. S. 4
J München, Staatsarchiv für Oberbayern. HZR1765, N
Diesen wichtigen Hinweis verdanke ich Dr. P. Vo
Im vollständigen Wortlaut abgedruckt bei: P. 1
J. B. Straub, a. a. O., S. 7-12.
fMünchen, Staatsarchiv von Oberbayern. Fasc.
Zit. nach: M. Hauttmann, Stilgeschichte. Münchens
leben im 18. Jahrhundert. Preisaufgabe der Uni
München für das Jahr 1909110. Philos. Fakultät, I. E
Ms. l, p. 76 mit Anmerkung 261 in: IV, p. 293.
In Unkenntnis dieser Stelle läßt P. Steiner, Op. zit
den Bildhauer nach bis „ca. 1726" in der Lef
G. Luidl sein und datiert deshalb die oben ger
Arbeiten in der Münchener Residenz viel zu spät, (
die Jahre „1726l1727". Das gleiche gilt für die ang
Ankunft Straubs in Wien im Jahre 1727. Diese Al
ist schon deshalb zu revidieren, weil die erste no
bare Wiener Arbeit Straubs die 1727 datierte
maschine ist, die s. Zt. von uns veröffentlicht wurde
VThB. XXXll (1938), S. 163 (N. Lieb).
C. Giedion-Welcker, Johann Baptist Straub, Münchi
Anmerkung 5, S. 68 ("eine Schlittenplastik der l
burg, einen Drachenkompf [sicl] darstellend"). P. 1
op. zit., Abb., Rückseite des Umschlages (Diana- cl
Die ahne Be ründung vorgeschlagene Dotierung .. i
ist unzutref end. Vgl. auch: N. Lieb, München
Geschichte seiner Kunst", München 1'771, Abb. S. 20
' H. Kreisel, Prunkwagen und Schlitten, Leipzig 1927
und 158 mit Taf. 46 B und 50 B. W. Holzhausen, I1
werke auf Kufen und Rädern, Kutschen und Schlil
fröhlichen Tagen aus dem Marstallmuseum in M
Privatdr. Herbig-Haarhaus A. G. Köln-Bickendarf
burg, Dez. 1954 (r Herbol-Nachrichten Nr. 43). L.
Marstallmuseum in Schloß Nymphenburg, Hotwag
und Sattelkammer, München 1959, Nr. 6 und 15
und 29 mit Abb. 13714. P. E. Battelmüller, Der
zu München, München 1967, Abb. S. 9 (Strichzeii
Herkules-Schlitten).
I" Wenn man von der lange zurückliegenden Veröffenl
H. Kreisels (vgl. unsere Anmerkung 9) absieht, fehl
iede zusammenfassende Publikation über Schlil
deutschem, österreichischem bzw. skandiriavisctiem
besitz. Allein in den Kunstsammlungen der Veste
befinden sich 13 „Carrousel"- bzw. Rennschlitfen a
17. und 1B. Jahrhundert. Hinzuweisen wie bei H.
wäre z. B. auf Prunkschlitten, die einst in Sdiloß Mi
in Berlin aufbewahrt wurden (Photo ehem. Staat
stelle Berlin C. 541554). Ein Schlitten befand sich
(d. h. ab noch?) in Schloß Schwarzburg in Thü
Vgl. Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens, Fürst
Schwarzburg-Rudolfstadt, Bd. I, Jena 1894, S. 224 rr
auf Tat. gegen. S. 225. Ikanographisch interessante
tenplastiken (Drachen bzw. Hirsch) sind im Bes
Staatlichen Kunstsammlungen in Kassel bzw. im
nischen Natlonalmuseum in Nürnberg. Ein um i
datierender Schlitten befand sich einst im Bes
Fürsten Auersperg. Vgl. Galerie Fisdier, Luzern.
Kat. 157, Nr. 107 mit Abb. Tat. 7. Ehemals in d
Sandor, Eisenstadt, war ein süddeutscher Schlitl
Mahrenkopf um 1720. Vgl. UKT, 24, S. 132 mit Ab
und Galerie Fischer, Luzern. Verst.-Kat. 126 v. 17
1958, Nr. 149 mit Abb. Tat. 8. Von dem Prager Bi
Johann Anton Quittainer (1707-1765) haben sich d
dem Jahre 1741 stammende Entwürfe für Prunks
(Venus und Adonis, Centaurus und Deianira bzw
bin"?1 erhalten. Sie befinden sich im Fürstl. Löwi
Wertheim-Rasenbergsdien Ardiiv (Klebeband C. S
43 auf Folie 37 aufgeklebt) in Wertheim. Photo:
(Anmerkungen 10ff.-2B s. S. 33)
2 Münchener Hofwerkstatt um 1725 (J. A. I
unter Mitarbeit von J. B. Straub). Bayei
Löwe mit M.-E.-Monagramm - Detail vc
Bettbalustrade. Schleißheim, Schloß, Pi
schlafzimmer des Kurfürsten