I Aktuelles Kunstgeschehen I Österreich
Wien
Museum des 20. Jahrhunderts
3. Weltausstellung der Fotografie
Wie bereits die ersten beiden Ausstellungen dieser
Art stand auch diese wieder unter einem Motto:
„Unterwegs zum Paradies". Die erste Bildgruppe
stand unter dem Titel „Unterwegs" und die letzte
der 28 Gruppen, mit insgesamt 433 Fotos, stand
wieder unter dem Titel „Unterwegs". Dieses war
auch das einzige Gemeinsame, das sich in der
ganzen Ausstellung bemerkbar machte. Schon der
andere Teil des Titels, das Paradies, wird sehr
verschieden gesehen. Da gibt es die Gegenüber-
stellungen: Prozessionen von Nonnen in Polen und
Arbeiter von Havanna mit einem Wald von
Che-Guevara-Plokaten, Friedhof und Autokolannen,
Vermassungen und Vereinsamungen. Hauptunter-
teilungen waren: „Der Traum vom Paradies",
„Fern dem Paradies", „Wie reagiert der Menscht",
„Fixierungen", „Neue Schritte". Neben den
erschütternden Bildern aus den verschiedensten
Kriegsgebieten geben die Fotos der Begegnungen
der Touristen mit den Menschen Afrikas besonders
zu denken, aber ebenso haben die Fotos eines
UdSSR-Kindergartens oder die Parade ehemaliger
Partisaninnen in Sofia eine besondere Seite eines
vermeintlichen Paradieses gezeigt. Viele gute Fotos,
wieder von Karl Pawek zusammengestellt, zeigten,
wie weit der Weg zum Paradies ist und auf welch
sonderbar verschiedene Art er gesucht wird.
(s. 91.-19. 10. 1975) - (Abb. 1, 2)
Galerie Wolkenstein
Hans Hanko
Schon lange sah man nicht so viele Arbeiten
Hankos in Wien in einer Ausstellung. Dieses Mal
sind einige ganz delikate Graphiken dabei.
Neben einer Anzahl iener vom Künstler bevor-
zugten, um Sexualität und Eros gruppierten Themen
sehen wir hier in einigen der letzten Bilder
eine neue Problematik aufkommen: die
Auseinandersetzung mit der Technik. Eine
vulkanische Wärmemaschine ist hier besonders
zu erwähnen.
(1. 10.-15. 11. 1975) - (Abb. 31
Wiener Secession
ll. Wiener Graphikbiennale
Nachdem T972 bereits in Wien eine internationale
Graphikbiennale erfolgreich abgehalten wurde,
gelang es nun, leider wegen finanzieller
Schwierigkeiten um ein Jahr verspätet, eine zweite
Veranstaltung dieser Art zu organisieren.
Aus 26 Ländern waren über 500 Arbeiten der
verschiedensten graphischen Techniken zur Auswahl
vorgelegt worden. Der Jury unter Vorsitz von
Hofrat Dr. Walter Koschatzky gehörten Dir.
P. Baum, Dr. O. Breicho, Dr. E. Mitsch, W. Lindinger
und H. Sterk an. Der T. Preis wurde Arnulf
Rainer (Ü), der 2. Valerio Adami (l), der
3. Christa (B), der 4. Fritz Steinkellner (U) zuge-
sprochen. Neben Blättern weltbekannter Künstler,
wie Matta, Shapiro, Tobey, wurden auch iene,
relativ wenig bekannter Österreicher, wie
L. Bruckmeier, K. Koller und M. Lechner, gezeigt.
Erfreulich ist auch eine verhältnismäßig hohe
Beteiligung von Graphikern aus der UdSSR mit
sehr wesentlichen Beiträgen. Der Katalog,
für den niemand verantwortlich zeichnet, ist leider
etwas fehlerhaft.
(T2. 6.-27. 7. T975) - (Abb. 4-6)
Galerie am Graben
Hans Knesl
Kleinplastiken, fast ausschließlich Bronzen. Jedem
dieser Werke merkt man es an, daß sich der
Schöpfer sehr intensiv mit dem Modellieren
auseinandergesetzt hat. Es sind also keine
Übersetzungen vom Stein ins Metall. Es ist ein
Formen aus der Erde und damit ein Aufbauen!
Sicher gibt es auch Unterschiede, sehr konzentriert
sind die säulenartigen Torsi. Bei allen Figuren ist
die Rundung wesentlich, das Quellende, Bauchige.
Das gilt auch von den Motiven, mit denen sich
die Graphiken beschäftigen. Interessant sind in
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diesem Zusammenhang stelenartige Gebilde, die
eine Anzahl traubenförmige Ausbuchtungen zeigen,
Körperrhythmen in freier Gestaltung.
(20. T0.-8. TT. T975) - (Abb. 7, B)
Historisches Museum der Stadt Wien
Franz Lerch
Der T895 geborene Wiener Maler ging T938, seiner
gefährdeten Frau zuliebe, nach Amerika. Die
Bilder vor der Emigration, zuerst dem Jugendstil
und dann der Neuen Sachlichkeit nahestehend,
waren sicher die besten der Ausstellung.
Die Unruhe des Lebens in New York spiegelte
sich in fast allen späteren Werken. Verschiedene
Einflüsse machten sich geltend. Erst in den späten
Aquarellen scheint Lerch wieder eine eigene Linie
gefunden zu haben.
(3. 7.-7. 9. T975)
Akademie der bildenden Künste
Max Gubler
Der in Österreich leider zuwenig bekannte Schweizer
Maler (1898-1973) wurde mit einer großen
repräsentativen Schau vorgestellt. Sein Guvre
umfaßt allein ca. 2500 Ülgemälde. Er war mit
Herbert Boeckl seit T924, auch und besonders
während des Krieges, befreundet. Hauptsächlich
malte er zuletzt Landschaftsbilder. Um die dreißiger
Jahre von Picasso und Matisse beeinflußt, waren
seine Farben zurückhaltend und blaß. Später
werden sie immer leuchtender und stellenweise
kühn. Die T945 gemalte Limmatlandschaft setzt
Akzente, von denen man im Wien iener Tage
nach nichts ahnte. Expressive Ausbrüche rückten
manche Bilder nahe an eine Aktionsmalerei,
doch verließ Gubler nie die Zusammenhänge der
realen Darstellung.
(28. 8.-2T. 9. T975) - (Abb. 9)
Internationales Kulturzentrum
Tudor Bonus
Ein phantastischer Realist aus Bukarest, der in
Berlin lebt. Kupferstiche, Aquarelle, Lithographien
und hondkolorierte Arbeiten. Sehr exakt gearbeitet.
Mit viel humanem Engagement. Fast durdiwegs
nur in zwei Farben gehalten.
(TO.-30. 9. T975)
Künstlerhaus Wien
Plakatausstellung Victor Th. Slama
Eine informative und wesentliche Schau, zeigte sie
doch, welche hervorragenden und künstlerisch
reifen Plakate in den zwanziger Jahren hierzulande
entstanden sind. Ganz gleich, ob es sich um
Filmwerbung, um das Angebot einer Zeitung oder
um Wahlplakate handelte, Slama bewahrte die
große Linie, immer fiel ihm etwas Besonderes ein.
Höhepunkt etwa „Der Gefangene von St. Helena",
ein Filmplakat, „Lazor", eine Sportartikelwerbung,
„Samum", Zigarettenpapier. Die Zeitungsplakate
„Der Tag", „Die Stunde". Noch viele könnte man
nennen. An wieviele erinnern wir uns noch selbst!
Ein Zeichen, doß sie uns beeindruckten.
Auch mit etlichen Wahlplakaten der Nachkriegs-
iahre erreichte Slama iene Spitzen. Im großen und
ganzen zeigten die Arbeiten der fünfziger Jahre
eine Verflachung. Gegen die Wahlplakate unserer
Tage freilich noch geistreiche Einfälle. Ein
informativer Katalog mit Abbildungen aller
T44 Exponate lag auf.
(2. 9.-5.TOT975) - (Abb.T0) A. Vogel
Galerie Wolfrum
Michael Coudenhove-Kalergi
Nachdem der Künstler mehrere Jahre nicht in Wien
ausgestellt hatte, war er nun in der letztens sehr
rührigen Galerie Wolfrum mit neuen Graphiken
und Aquarellen zu sehen. Es ist müßig, MC-K und
seine spezifische Malweise zu charakterisieren.
Bei Wolfrum hier fiel auf, daß er, ein Novum,
sich den Tieren und Blumen zuwendet. Mit
Baustellen, einem Autotriedhaf, einem sdiweren
amerikanischen Straßenkreuzer mit Doppelodler,
steht er mitten in der Gegenwart, überreich und
skurril die „Floridsdorfer Brücke" (von des
Künstlers Atelier aus gesehen), unter der ein
echt-üppiger Coudenhove-Dampfer durchschlieft.
(8.-3T. T0. T975) n
Salzburg
Galerie Welz
Max Pfeiffer-Wattenphul
Für den nun 78iährigen Maler, der aus Sachsen
stammt und in Rom lebt, war das Salzburg nach
dem zweiten Weltkrieg wichtiger Aufenthalt;
wichtig nicht zuletzt deswegen, weil viele
Salzburger Künstler unserer Tage - Herbert Breiter
oder Rudolf Hradil, um nur zwei zu nennen - ihm,
der seine Erfahrungen im Bauhaus sammelte und
mit Klee befreundet war, ihr Fundament verdanken.
Farbig zumeist von großer Verhaltenheit, lassen
seine Städtebilder und Landschaften die histori-
schen Architekturen als „lmpression" erscheinen,
nur bei einigen Blumenbildern strahlen aus den
Aquarellen zuweilen leuchtende Farben. Auch diese
Bilder lassen wieder einmal die uralten geistigen
Verbindungen zwischen Italien und Salzburg
deutlich werden.
(25. 6.-20. 7. T975) - (Abb. TT)
George Grosz
Mit fast siebzig Arbeiten - Aquarellen, Zeichnungen
und Druckgraphik - aus der wichtigen satirischen
Periode und der Zeit in New York eine bedeutende
Ausstellung des heurigen Festspielsommers.
Grosz gehörte in seiner Heimatstadt ab T9T7 der
Berliner Dada-Gruppe an und erreichte in den
Jahren bis zur Hochinflation um T923 sein unver-
wechselbar klossen- und kastenkritisches Profil.
Man kennt alle seine so „genau" dargestellten
Typen der Nachkriegsjahre, der Schieber und der
entwurzelten Militärs, der kleinbürgerlichen
Spießer und der „moralinsoueren" Heuchler. Die
Qualität der lronie wie der Bilder scheint aber
dann nachzulassen, wenn anstatt Sachverhalten
„Motive" geboten werden, wenn - wie meistens
heute - Sozialkritik mit Scheuklappenstandpunkt
verwechselt wird.
(23. 7.-2T. 9. T975) - (Abb. T2)
Kunstverein
Georg Jung
Nahezu vergessen waren die Werke des gebürtigen
Salzburgers, des schon zu Lebzeiten (1899-1957)
viel zuwenig beachteten Malers. T929 war Jung
Mitglied des Wiener Hagen-Bundes geworden,
T935 übernahm er nach dem Tad seines Vaters
ein diesem gehöriges bedeutendes Hotel in
Salzburg und richtete es nach seinen Entwürfen
größtenteils neu ein, verkaufte es aber T938 wieder.
Daneben entstanden sehr gekonnte Werke,
Porträts, Landschaften, Städtedarstellungen.
lm März T949 stellte Jung in der „Kunsthalle Wien"
völlig ungegenständliche Bilder voller farben-
kräftiger Malerei aus, „die kein anderes Thema
hatten als das der Beziehung der Farben
zueinander" und von denen Johann Muschik sagt,
„daß vor Jung niemand in Österreich etwas auch
nur annähernd Vergleichbares gemacht hat".
Aber selbst wenn man dadurch sagen könnte,
daß die Malerei Georg Jungs als eine österreichische
Abart des abstrakten Expressionismus aufzufassen
sei, so scheint es doch - gerade dank dieser
Ausstellung - in Zukunft notwendig, sich mit dem
Werk Georg Jungs eingehend zu beschäftigen.
(25. 7.-30. 8. T975)
Atelier-Galerie Pointner
Klaus Straubinger
Der T939 in VillingenlSchwarzwald geborene und
in Bremen lebende Künstler überrasdite das
Salzburger Publikum mit höchst gekonnten Arbeiten,
die sich in den bewußten Gegensatz zur Sterilität
des sogenannten „Neuen Realismus" stellen.
Vital und souverän werden Akt und Landschaft
beherrscht; eine wichtige Ausstellung.
(18-30. 8. T975 - (Abb. T3)
Franz Wagner