Buchbesprechungen
Georges Charriere, Die Kunst der Skythen.
Von Sibirien bis zum Schwarzen Meer.
Mit einer Einführung von N. l. Artamonow.
258 5., 379 Abb. in Schwarzweiß und Farbe.
Verlag DuMont-Schauberg, 1974
Im Jahre 1974 brachte der Verlag die deutsche
Übersetzung der im Jahre 1971 in Paris erschienenen
Originalausgabe „L'art Barbare Scythe.
De la Siberie a Ia Mere Noir" heraus. Seit dieser
Zeit ist das Gold der Skythen wieder im Gespräch
und ietzt von neuem auf Reisen. Im Augenblick
findet unter dem Titel „Gold der Skythen [L'or des
Scythes] im Pariser Grand Palais eine Ausstellung
statt, die 200 besonders kostbare Zeugnisse dieser
Nomadenzivilisation enthält, die zwischen dem
7. und 4. vorchristlichen Jahrhundert bei den
Steppenvälkern zwischen Südrußland und
Zentralasien beheimatet war. Das Buch des DuMont-
Verlages ist daher gerade ietzt für den deutschen
Sprachraum von größter Aktualität. In einer
Einführung von N. l. Artamonow „Die Kunst der
Steppe" werden die Geschichte und Auffindung der
archäologischen Funde zur skythischen Kunst
geschildert. Über die Kapitel „Die nomadischen
Ausdrucksformen", „Die entmystifizierte Kunst",
„Die tierischen Symbole" und „Der Künstler in der
nomadischen Gesellschaf " gelangt der Leser zum
Verständnis dieser faszinierenden Gebrauchs- und
Kultgegenstände, der Waffen und dem Schmuck
der Skythen. Die graphische und plastische Intensität
dieser Arbeiten wird durch hervorragendes
Abbildungsmaterial - Strichzeichnungen,
Schwarzweiß- und Farbfotos - bestens dokumentiert.
Die Kraft und Faszination der Bildzeichen dieser
nomodischen Kunst, die vor allem in den Stücken
aus der „Kunstkammer" Peters des Großen, aber
auch in den Funden der alleriüngsten Vergangenheit
aus dem Eis des Altai-Gebirges zum Ausdruck
kommen, lassen eine ungemein originelle
nomadische Ausdrucksweise erkennen, die in ihrem
Abstraktionsgrad und Symbolgehalt zum ältesten
Erbgut des Menschen gehören. Ein Sachwort-
verzeichnis, eine ausführliche Bibliographie sowie
eine Übersichtskarte und chronologische Tabellen
sind willkommene Ergänzungen dieses Standard-
werkes über die Kunst der Skythen.
AMK-Prädikat: Besonders wichtige Standard-
publikation für Kultur- und Kunsthistoriker sowie
für Völkerkundler und interessierte Laien.
Wilhelm Mrazek
Thomas lmmoslErwin Halpern, Japan -
Tempel, Gärten und Paläste.
Verlag M. DuMont-Schauberg, 1974. 264 Seiten
mit 15 mehrfarbigen und 185 einfarbigen Abbil-
dungen, 33 Zeichnungen und Plänen im Text
In der Reihe der DuMont-Kunst-Reiseführer nimmt
dieser Japan gewidmete Band einen besonderen
Platz ein. Sind doch in diesem Land, trotz stürmi-
scher Modernisierung in vielen Bereichen, uraltes
Brauchtum und mythisches Denken noch weitgehend
erhalten geblieben. Der Zugang zum Verständnis
der Kultur Japans führt daher nicht nur über
Dokumente historischer Entwidclung, sondern auch
das älteste Traditionen bewahrende Leben der
Gegenwart. Zwei hervorragende Autoren garantie-
ren für verläßliche bild- und textliche Aufbereitung
des Themas: Prof. Dr. Thomas lmmos, tätig an der
Sophia-Universität Tokyo, und Erwin Halpern
(Bildbeiträge). Die übersichtliche Gliederung des
Bandes erlaubt rasche Grundinformation auf
wesentlichen Gebieten (Geographie, Geologie,
Klima, Flora, Religion, Geschichte, Literatur,
Japanisches Theater, Kunst und Architektur).
Neunzehn ausgewählte Reiserouten führen zu den
bedeutendsten Stätten japanischer Kunst und
Kultur, die für den ausländischen Besucher von
Interesse sind. Ein „gelber Teil" vereint viele
praktische Hinweise, deren Beachtung dem Landes-
fremden so manches Mißverständnis ersparen
dürfte. Ein Reiseführer, der schon bei erster
Lektüre Fernweh zu wecken vermag; dem Japan-
reisenden ist er wohl ein kaum entbehrlicher,
höchst wertvoller Ratgeber.
AMK-Prädikat; Umfassend informierender Reise-
führer, auch als Nachschlagewerk empfehlenswert.
C. N.
Peter Weninger, Niederösterreich in alten
Ansichten - Österreich unter der Enns.
Herausgegeben vorn Kulturreferat der
Niederösterreichischen Landesregierung.
380 Seiten, 11 Tafeln, davon 60 in Farbe,
90 Abbildungen im Text, Format 35 x 30 cm,
Leinen, Schmudrschuber.
Residenz-Verlag Salzburg
Der von Peter Weninger bearbeitete Band
„Niederösterreich in alten Ansichten" ist der fünfte
innerhalb der von Franz Fuhrmann herausgegebenen
Reihe „Österreich in alten Ansichten" und zugleich
der zweite Band iener Reihe, der nicht der Erfassung
alter Ansichten einer Stadt gewidmet ist, sondern
der eines Gebietes. Bot sich bei den Ansichten von
Salzburg, Linz oder Wien die chronologische Ord-
nung an, so war bereits Egg in seinen Tiroler Ansich-
ten bemüht gewesen, dem Land mit all seinen Eigen-
heiten in der Auswahl der Darstellungen gerecht
zu werden und ordnete diese daher nach topo-
graphischen Gesichtspunkten. Demselben Prinzip
folgt auch Peter Weninger. Die von ihm geschaffene
Auswahl alter Ansichten vermag sowohl Vielfalt
und Gegensätze des Landes Niederösterreich
deutlich und zugleich reizvoll zu zeigen als auch
topographischen, historischen und künstlerischen
Anforderungen, die an ein solches Buch gestellt
werden können, gerecht zu werden. Besonders
dankenswert erscheint, daß Weninger großen Wert
auf die Wiedergabe von bisher noch nicht oder
nur selten reproduzierten Ansichten gelegt hat,
daß er damit vom Klischee der ietzt so beliebten
„schönen" Ansichtenbücher abweicht und wissen-
schaftlich neues und interessantes Material in den
Vordergrund seines Buches stellt. Die originalgetreue
Wiedergabe von Aquarellen, Gouachen, Hand-
zeichnungen und Graphiken im Tafelteil des Buches
wird höchsten Ansprüchen gerecht. Nicht nur allein
in der Auswahl und Wiedergabe der Bilder aber
liegt die Bedeutung des Buches, auch die Erläuterung
der Tafeln im Katalogteil ist präzise sowohl in den
historischen als auch den topographischen Angaben,
unter Berücksichtigung einer guten und genauen
Literaturauswahl. Die Darstellung des Landes selbst
wird im Katalogteil erweitert durch eine Reihe
kleinfarmatiger Abbildungen, größtenteils sind es
iene vielfach bekannten Darstellungen, auf die
im Tafelteil verzichtet wurde, die aber in Verbindung
mit einer wissenschaftlichen Beschreibung das
Gesamtbild abrunden.
In den einleitenden Artikeln hat der Autor die
geographischen und historischen Grundlagen des
Landes sowie die Entwicklung der Landschafts-
malerei zu behandeln. Sicherlich eine undankbare
und schwierige Aufgabe. Der Geschichte Nieder-
österreichs in wenigen Seiten gerecht zu werden,
ist iedem Historiker ein kaum zu bewältigendes
Problem, und über Landschaftsmalerei wurde in
den vorausgegangenen Bänden der Reihe schon
sehr viel und einläßlich geschrieben. Dennoch,
die Einleitungen sind dem Autor etwas zu kursorisch
geraten, die Auswahl der historischen Tatsachen
ist nicht immer sehr glücklich, wenngleich
hervorgehoben werden muß, daß auch hier die
Literaturangaben auf sehr gründliche Beschäftigung
mit dem Thema schließen lassen. Die eigentliche
Bedeutung des Buches liegt aber in der Auswahl
und Erläuterung des Bildmaterials.
AMK-Prädikat: Repräsentativer Bildband mit
ausgezeichnet gearbeitetem Katalogteil. Wertvolles
Nachschlagewerk für den Sammler von Land-
schaftsgraphiken. Hanna Egger
Melinda Tath, Arpäd-kori falfesteszet
(Die Wandmalerei der Arpadenzeit in Ungarn,
Ungarisch mit Deutsch. Resümee), 192 Seiten und
78 Abbildungen, brosch.; Akademiai Kiadö, :
Müveszettörteneti füzetek 9, Budapest 1974.
Grundlegende Studie über die frühen Wand-
malereien in Ungarn; da ein großer Teil mit den
vielen Baudenkmälern der romanischen und früh-
gotischen Epoche zugrunde gegangen und verloren
ist, ist eine vollständige Sammlung des Materials
besonders zu begrüßen. Die Entstehung der
frühesten ungarischen Werke kann man kaum vor
1130-1140 annehmen. Die ersten uns bekannten
Werke entstammen bereits der 2. Hälfte des
12. Jahrhunderts - der sichtbare itala-byzantinische
Einfluß mag lombardischen, eventuell venezianischen
Ursprungs sein und durch die Vermittlerrolle
Salzburgs und der unter seinem Einfluß stehenden
Zentren in den österreichisdten Ländern gewirkt
haben.
AMK-Prädikat: Wichtige Materialsammlung. w
Josef Schulz, Tapisserie, eine Monographie mit
einem Essay van Wilhelm Mrazek.
Jugend und Volk, Wien-München, 1975, 105 S.
Das großformatige Buch wird mit einem Essay des
Direktors des Österreichischen Museums für
angewandte Kunst eingeleitet. Eine besonders
berufene Stimme dafür, befindet sich doch in dem
Haus, dem Direktor Mrazek vorsteht, eine außer-
ordentlich große Anzahl hochqualitativer Wand-
teppiche, auch ist der Kontakt des Museums seit
seiner Direktion zu zeitgenössischen Künstlern
besonders rege. Einleitend geht Mrazek kurz auf
die Geschichte dieses Kunstzweiges ein, erklärt
auch, daß für die Wandteppiche in erster Linie die
Technik des Wirkens in Frage kommt; diese
Arbeiten werden Tapisserie und seit dem 17. Jahr-
hundert auch Gobelin genannt. Im europäischen
Westen entwickelt und besonders in Frankreich in
Blüte, wo es bereits im 13. Jahrhundert in Paris
eine Handwerksordnung für diesen Beruf gab,
verlagerten sich die Spitzenleistungen im 15. und
I6. Jahrhundert auf niederländische Werkstätten
Wir erfahren auch, daß die Sammlung des Hauses
Habsburg mehr als 700 dieser kostbaren Wand-
behönge aufweist.
Die eigenständige österreichische Gobelinwirkerei
ist iungen Ursprungs, und Mrazek ist einer der
wenigen, der um ihr Herkommen weiß. Er schreibt,
daß erst durch die Umwandlung des ehemaligen
kaiserlichen Restaurierateliers zu einem Privat-
unternehmen, in der Ersten Republik, der Boden
für eine eigenständige Produktion gegeben war.
Nach dem zweiten Weltkrieg taten sich einige
iunge Künstler zusammen und propagierten eine
„freie Weberei", also ein Arbeiten ohne Karton als
Vorlage. Fritz Riedl trat als Bahnbrecher besonders
hervor. Hier wird die Wolle, wie die Ölfarbe beim
Malen, direkt als Gestaltungsmittel verwendet.
Josef Schulz, heute Professor an der Akademie der
bildenden Künste in Wien, dessen Arbeiten dieses
Buch dokumentiert, arbeitete mit Riedl zusammen
an dem von Herbert Boeckl entworfenen Gobelin
für die Brüsseler Weltausstellung. Eine Arbeit, die
ihn sicher für sein zukünftiges Leben bestimmt hat.
Herbert Boeckl als Künstler und Mensch beein-
druckte ihn so sehr, daß wir die Handschrift des
Meisters noch lane in seinem Werk finden.
Die 40 großen Abbildungen zeigen Aquarelle,
Zeichnungen und Ölbilder sowie etliche von Schulz
geschaffene Gobelins. Es sind das 15 meist sehr
großflächige Wandteppiche, die sich fast aus-
schließlich bereits im Besitz von Schweizer oder
amerikanischen Sammlern befinden. Einige sind im
Besitz öffentlicher Institutionen Österreichs. Ein
großer Gobelin, 425 x 190 cm, befindet sich in der
Agneskapelle in Klosterneuburg. Die Zeichnungen
und Bilder weisen die Zusammenhänge des
bildnerischen Schaffens, und hier, besonders bei
den Aquarellen, ist die Brücke von Boeckl her
besonders deutlich. Diese offenen Farbwischer,
mit denen sehr viel Atmosphäre gegeben ist, ohne
eine starre Kontur einzugehen, werden in die
Tapisserie übertragen. Das Material Wolle, mit der
Möglichkeit, verschiedene Farbschattierungen zu
einem Faden und damit einer neuen Farbtönung zu
vereinen, kommt einer solchen Arbeitsweise
besonders entgegen.
Eine Werkstattmonographie eigener Art, mit
Beleuchtung einer zu Unrecht zuwenig bekannten
Kunstsparte.
AMK-Prödikat: Künstlermonographie, sehr
informativ. Für Sammler.
Alois Vogel
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