MAK

Volltext: Alte und Moderne Kunst XX (1975 / Heft 142 und 143)

. Österreichisches Museum für angewandte Kunst 
 
Südamerikanische Impressionen 
Wandteppiche aus Bolivien 
von Erika Steinmeyer 
Katalo , Neue Folge Nr. 37 
Altes aus, Eitelbergersaal und Galerie 
Wien I, Stubenring 5 
22. 52.-29. 6. 1975 
Rot durchbridit Grau! Mehr als nur ein künstlerisches 
Thema, eine spontan inspirative künstlerische 
Motivation steckt hinter diesem eigentlichen Titel 
einer Folge von neun Wandteppichen, die in 
diesem Sommer in Wien erste Station machten. 
Dieser Titel ist das Programrnatische der aus 
Agram gebürtigen Erika Steinmeyer, die in Wien 
aufwuchs und einen starken Hang vorerst zu 
Architektur und Mode hatte, der ihr Sdiaffen prägt. 
Rot - die Farbe, die für das Lebendige, das 
Aktive steht - durchbricht Grau, das sterile, 
bestenfalls geriffelte Fassadengrau der rundum 
unter smoggrauen Sfadthimmeln sich aufschichtenden 
Betonkaskaden und deren gläsernkalten 
Innenräumen. Einmal mehr ist es Bedrückung, 
das Überhandnehmen eigentlich unästhetischer 
Komponenten wie funktionspuritanische Zweck- 
architektur, die den Künstler herausfordern. 
Dieser lebt in keiner Enklave, er ist Mensch und 
Mitbürger und in der Lage, abzuhelfen. Er sieht den 
unerbittlidien Diskrepanzen der Umwelt um so 
stärker ins Auge, ie stärker er der Natur verbunden 
ist. Und er sammelt eine stets wachsende Summe 
von Erlebnissen, Eindrücken und Erfahrungen, die er 
verwertet, umsetzt, mittels seinen künstlerischen 
Mitteln anwendet. Nicht selten über das Exotische, 
das Fremdartige, wie im Falle Erika Steinmeyers, 
die das südamerikanische, im Konkreten für ihre 
Bildteppiche das bolivianische Hochlond entdeckte. 
Hier begegnen einander Vergangenheit und 
Zukunft in erstaunlicher Parallele. Diese Urein- 
wohner eines längst hinabgegangenen großen 
Reiches, die in völlig diametralem uneuropäischem 
Rhythmus, Uhr und Zeit negierend, leben, von 
keinerlei zivilisatorischen Zwängen bedrängt, 
hausen seit alters her in einer öden lehmgrauen 
Welt. Doch der Indio webt sich buchstäblich die 
Farbe in sein sonnenverdorrtes, vegetationsarmes 
Dasein. Eine Skala reichen, bestechenden, so 
typischen Südamerika-Spektrums in von Rot, 
Brillantrosa, Orange und Gelbtönen dominierten 
Textilbehängen. Solche Schöpfungen waren auch 
Anstoß für Frau Steinmeyer, ihre hier präsentierten 
Bildteppidie unter anderen Voraussetzungen und 
Konzeptionen, aber mit Hilfe der Indios in einer 
künstlerischen Symbiose zu verfertigen. 
Thematisdi der Geometrie abhängig, sind es 
Impressionen imaginärer lateinamerikanischer 
quadrigfügiger Stodt- und Mauerorganismen, 
die abstrakte Umsetzungen naturhafter Realitäten 
fixieren. Ihre Farblichkeit ist zyklisch durchgehalten, 
gebändigt intensiv. Das Besondere der Herstellung 
charakterisiert Direktor Wirkl. Hofrat Prof. 
Dr. Wilhelm Mrazek unter dem Titel „Zukunfts- 
aspekte kunsthandwerklichen Schaffens" u. a. so, 
daß diese Wandteppiche „das Resultat eines 
Prozesses, eines lebendigen Miteinanders von 
einem westlich-europäischen Gestaltungswillen 
und der Einfühlung und völligen Hingabe einfacher 
bolivianischer Weber, einer Intelligenz des Kopfes 
und der Sinne mit einer Intelligenz der Hände sind. 
Dieses Miteinander erscheint uns für die Zukunft 
eines globalen kunsthandwerklichen Schaffens 
von besonderer Bedeutung zu sein. Nodi ist der 
gestaltende Künstler in der westlichen Welt ein 
Faktor der Kultur, vorn Kunsthandwerker aber kann 
dies nicht mehr behauptet werden. Allzu schnell hat 
die lntellektualisierung und Kommerzialisierung 
der westlichen Industriegesellschaft die ursprüng- 
lichen und künstlerisch-schöpferischen Kräfte der 
europäischen Völker dezimiert. Von da her gesehen, 
kann diese Ausstellung mit ihren Erzeugnissen 
einen neuen Weg aufzeigen . . ." 
In einem ousfiihrlich-questionären Dialog, der die 
große Mitte des Kataloges bildete, konnte Frau 
Dr. Elisabeth Rücker, Direktorin der Bibliothek 
des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg 
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und der Albrecht-Dürer-GeselIschaft mit vorstehend, 
Person und Werk Erika Steinmeyers sachlich 
verlebendigen. Analog zu ihren Tapisserien hatte 
die Künstlerin ein wohlassortiertes Ensemble 
südamerikanischer Textilien und Geräte zu einer 
gelungenen Demonstration vereinigt, die deutlich 
die koloristische Abkunft, iedooh auch die völlige 
Andersartigkeit dieser Arbeiten in gutem Kontrast 
bezeugte. Ob Erika Steinmeyer in Verfolgung ihrer 
Prinzipien, die kalte Wohnquadratur aufzulockern, 
deren immer penetranterer Geometrie zu 
begegnen, daran denkt, in ihren künftigen Arbeiten 
einer freieren Bildsprache zu huldigen? Mit den 
Mitteln ihrer künstlerischen Ausdruckskraft und 
Intensität? 
Zum kommenden Jahresende werden die neun 
Variationen, nachdem sie vorher in Nürnberg 
zweite Station machten, in Caracas, im Goethe- 
Institut, gezeigt werden, und man kann gespannt 
sein, wie die Südamerikaner dieser Synthese 
europäischer und lateinamerikanischer Kunst- 
bemühung gegenüberstehen werden (Abb. 1, 2). 
Künstlerische Fotografie 
aus der Volksrepublik China 
Altes Haus, Säulenhof 
Wien 1, Stubenring 5 
I0. I0.-Q. 11. 1975 (verlängert) 
Der Begriff „künstlerisch" besonders im Zusammen- 
hang mit dem Medium Fotografie erfährt aus 
verschiedener Sicht naturgemäß auch verschiedene 
Deutung. Zum Exempel, das moderne oder 
zeitgenössische okzidentale Auge sieht und wertet, 
wie im gegenständlichen Falle, anders als das 
orientalische, fernöstliche. Notabene das eines 
Volkes, das sich in revolutionärem Aufbruch 
befindet, wie das bei dem BOO-Millionen-Volk der 
Chinesen der Fall ist. Dieser Aufbruch, der diese 
Riesenmasse Menschen in Verfolgung sozialer 
Ziele in ununterbrochener Bewegung hält, 
bedingt eine Fixierung ihres Daseinsbezuges aus 
der harten Realität, dem Ringen mit Natur und 
Elementen, der stolzen Selbstachtung seiner 
gigantischen Leistungen und der Durchdringung 
mit sozialistischer Ideologie. Das erklärt den 
Standpunkt des anonymen chinesischen Fotografen, 
der nichts verzerrt, nichts verfremdet sieht und der 
nur Realitäten festhält. Das d-iarakterisiert in 
dichter Sequenz die Ausstellung unter obigem Titel. 
Die Fotografie marschiert auf allen Linien unauf- 
haltsam voran auf ihrem We als autonome Form 
künstlerischer Kreativität. Zumindest momentan 
in Wien: „3. Weltausstellung der Fotografie" 
(Museum des 20. Jahrhunderts), „Lord Snowdens 
Assignements" [Zentralsparkasse) und hier im Haus 
die „Künstlerische Fotografie aus der Volksrepublik 
China" und „Kurt-Mimmler-Fotografik". Seit 
seinen Anfängen öffnete das Museum der 
Fotografie in allen ihren Spielarten in richtiger 
Einschätzung ihrer Kraft und Entwicklungsmöglich- 
keiten seine Tore. Darum audi nun nach den 
„Archäologischen Funden" aus China die 
chinesische Fotoschou. 
Wir wollen uns fürs erste kurz mit dem Lächeln 
auseinandersetzen, denn „Allmutter China" 
lächelt aus vielen Bildern wirklich echt und nicht 
nur „vogerW-bedingt in eine ideologische Fotolinse. 
Ein Lächeln, das befreiende Merkmale, das 
Herzlichkeit und Freude zeigt, das Lächeln, das aus 
und nach der Revolution, nach den Wirren und 
Schrecken iahrzehntelangen Bruderkrieges geboren 
wurde. Ein durchaus plausibles, erklärbares Lächeln 
also?! Man sollte sich von Vorurteilen befreien 
und den chinesischen, den einfachen unbekannten 
chinesischen Menschen so sehen, wie er ist, 
wie er lebt, wie er - und das mit reiner Freude - 
arbeitet. Das ist's, was diese Bilder sprechen läßt. 
Es sind einfache „unkomplizierte", wahre 
Fotografien heutigen chinesischen Lebens, aus 
denen naturgemäß in erster Linie das Hohelied der 
Arbeit, das Tätigsein in der Gemeinschaft, die 
Freuden an Spiel und Artistik, des Feierabends 
nach hartem Tagwerk, in volksschlichter Bilddialektik 
aufklingen. Ein reicher Bilderkreis, dem es 
manchmal trotz starken Realitätsbezügen nicht 
auch an besonderen Stimmungen, ia verhaltenen 
Bildlyrismen mangelt. Das beweist der Blick vom 
Berg Omei ebenso wie der Blidt in die Felsen- 
schluchten des tief darin hinabgefressenen 
Jangtsekiang und der im Wasser watende 
Gänsehüter vor seinem ornamental flatternden 
Gänseheer, umgeben vom Hauch persönlicher 
Freiheit, ia selbst das Ölfeld mit seinen spinnen- 
türmigen Silhouetten im roten Morgenlicht. 
Und hier findet das westliche Auge auch 
Berührungspunkte zu den iahrtausendealten 
künstlerischen Traditionen des Reiches der Mitte. 
Da sind noch Bilder, in denen Soldaten unter 
wolkendräuendem Abendhimmel, in glitzernder 
Winterpracht oder in reichgefiederten Palmen- 
hainen ihren Dienst versehen. Menschliche 
Fixpunkte in stimmungsvollen Landschaften. 
Im wesentlichen aber untersteht dieser didite 
Bildkanon dem Generalthema Arbeit. Arbeit am 
Land, Arbeit am Menschen, Arbeit am Volksganzen. 
Und es sind gewaltige Leistungen, die da aus 
„toten" Bildern aufregend zu sprechen vermögen; 
Kanalbauten und Wasserreservoirs über und 
auf schwindelnden Höhenzügen und Bergkuppen, 
durd1 und in Wüsten, Anlagen von Terrassen- 
feldern, von Straßen in hoch entlegene Regionen, 
dem Urbarmachen verdorrten steinigen Landes. 
Und dann ist da das gesunde Leben auf dem 
Lande, Erntetreiben, Weidesuchen, das Fangen 
wilder Pferde, der Fischfang, das „wäßrige" 
Bauen des Reises. Bestimmend und kompakt 
festgehalten die harte Welt der düster-schweren 
Kombinate, der Hochöfen, der Iodernden Stahl- 
essen, der Generatoren und Computer, der Abbau 
von Erzen. - Hauptakteur und immer wieder 
entscheidend „inmitten" stehend und gesehen der 
Mensch, der selbst aus rußverschmiertem Antlitz 
lächelt. Ein Propagandalächeln nur, wie manche 
meinen? - Sicher, eine Paradefront von Traktoren, 
ein Riesenfeld mit abertausend Ackerfurchen sind 
simple „BiIdkompositionen", sind den Intentionen 
des westlichen TV- und Fotoouges völlig konträr, 
das da raffiniert cuttef, verfremdet und verzerrt. 
Daher gerät dieses simple Aufzeichnen bildhafter 
Tatbestände durch den unbekannten chinesischen 
Fotografen um so eher in den Anruch ideologischen 
Zweckauftrages. Aber bedenken wir, dieses 
ungeheure Reich kennt nicht den mahnenden 
Verfall rosttoter Autofriedhöfe, dort regiert das 
Wachsende, die Freude an iedem Traktor mehr, 
und so wird eben eine breite Front knallroter 
Traktoren zur Manifestation des Aufwärtsgehens, 
des besseren Weiterlebens und der Freude daran. 
Über Ideologien und Systeme hinweg ist vor allem 
des Menschen Tun und Bemühen zu stellen und 
hilft zum besseren Verstehen und Verständnis auf 
dieser höchst maroden Welt. Mit dieser Schau 
lernten wir mittels ungeschminkter Bilder das China 
von heute besser kennen, wobei wir gar nicht 
ungern wieder mit „geraden" Augen - für eine 
Weile zumindest - schauen lernten und dabei ein 
Quentchen Ursprünglichkeit des Sehens zurück- 
gewannen. 
Kurt Mimmler - Fotografik 
Unter Patrgnanz der KODAK Ges. m. b. H. 
Altes Haus, Saal 1 
Wien 1, Stubenring 5 
17. lO. bis 16. 11. 1975 
Er mußte mit Michelangelo konkurrieren. Presse- 
konferenz zu gleicher Zeit in der Albertina. 
Diesem Titanen der Kunstgeschichte mußte auch 
der Tiroler Tribut zollen, erschütterte ihn aber nicht, 
und die haustreuen Kritiker kamen direkt, andere 
folgten nach. Das weltweite Fotounternehmen 
KODAK nahm diesen Fotokünstler unter seine 
Fittiche, weil es ihn für förderungswürdig hält. 
Weltweit setzt auch Kurt Mimmler seine 
Fotosafaris an, um zu seinem Bildvokabular zu 
kommen. Ein Voyageur globaler Prägung, den 
Angkor-tom fasziniert, der auf Kenias Airport 
Wassertropfen „sohießt", der rundum den Globus 
abfliegt, abfährt und abgeht, um für seine
	        
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