Van den großen malerischen Ausstattungen, die
die rege Bautätigkeit in Salzburg unter dem Erz-
bischof Konrad l. (1106-1147) zur Folge hatte, ist
bis auf die Kunde von ihrem Bestehen - vor
allem von den herrlichen Wandmalereien im
Dorn - nichts auf uns gekommen. Die einzigen
noch erhaltenen Zeugen dieser Monumental-
malerei sind die Freskenreste aus der Kloster-
kirche van Nonnberg, die aber wohl schon in
der Regierungszeit des auf Konrad I. folgenden
Erzbischofs Eberhard l. (1147-1164) entstanden
sein mußten, wie stilkritische Beobachtungen er-
geben'. Um die Mitte des 12. Jahrhunderts war
der Westchor der Nonnberger Klosterkirche mit
einem Freskenzyklus ausgestattet worden, von
dessen Gesamtprogramm nur mehr die spär-
lichen Reste an der Sockelzone übriggebtieben
sind. Durch den Neubau der Kirche in den Jah-
ren 1463-1507, bedingt durch den Brand von
1423, waren sowohl die Zerstörung als auch die
Erhaltung einzelner Teile der Wandmalereien das
Ergebnis. Stützmauern, die für den über dem
' Hallenraum eingezogenen Nannenchor notwen-
dig waren, vernichteten oder verborgen die Fres-
ken, so daß die Südwand heute keinerlei Kunde
mehr geben kann von dem seinerzeitigen Pro-
gramm, ebensawenig die große Wandfläche an
der Westseite über dem eingezogenen gotischen
Gewölbe und uns nur mehr die Ausschmückung
der Sockelzone an der West- und Nordwand zu-
gänglich ist. In 1,05 Meter Höhe über dem Boden
befinden sich zwölf Nischen (sieben an der
Westwand, fünf an der Nordwand) mit Heiligen-
darstellungen; über ienen der Westwand kann
man noch knapp unter dem Gewölbe Reste eines
Thrones sowie die Füße von links und rechts auf
diesen zuschreitenden Figuren erkennen.
Eine Untersuchung des Raumes (die Fresken sind
seit Mitte des vorigen Jahrhunderts bekannt) im
J'ahre 1895 durch P. Pirmin Campani hatte die
teilweise Freilegung von halbvermauerten Ni-
schen, der Nische des hl. Benedikt wie auch der
Figuren- und Gewandsaumreste, darüber erge-
ben. Eine Restaurierung hatte 1955 weitere Reste
der Wandmalereien wiedergewinnen können.
Jede der 25 Zentimeter tiefen (H 1,40 m, B 1,00 m),
halbrund geschlossenen Nischen trägt an der
Rückwand die überlebensgroße Halbfigur eines
Heiligent. Die senkrecht in die Mauer geschnit-
tene Laibung der Nische ist mit einem durch-
gehenden Mäanderband verziert, die Verbin-
dung zwischen den Nischen bilden gemalte Ar-
chitekturteile, Dappeltürme, über den Nischen
läuft ein breiter gemalter Zahnschnitt. Die Ni-
schengröße unterwirft sich einer gewissen auf
die Architektur, d. h. auf die Längsachse der Kir-
che, ausgerichteten Rangordnung: die Mittel-
nische der Westwand ist deshalb breiter als alle
übrigen. In diese vorrangstellige Nische ist der
hl. Benedikt eingepaßt, der als einziger Heiliger
der Reihe eindeutig zu bezeichnen ist. Seine do-
minierende Stellung erklärt sich aus dem inneren
Zusammenhang, der sich aus der Anbringung
dieser Wandmalereien in einem Nonnenkloster
der Benediktinerinnen ergibt. Der hl. Benedikt
steht in strenger Vorderansicht - wie alle übrigen
Heiligen auch - mit einem aufgeschlagenen Buch
in Händen, auf dessen dem Beschauer zugekehr-
ten Seiten die fragmentarisch erhaltenen An-
fangswerte der Benediktinerregel noch lesbar
sind. Bei der Bezeichnung der übrigen Heiligen
liegen bloße Vermutungen zugrunde, denn es
läßt sich aus der nur sporadisch erhaltenen Hei-
ligenfolge auch kein Auswahlprinzip mehr er-
kennen. Bei den in der Literatur z. T. unterschied-
lich bezeichneten Heiligen' besteht Übereinstim-
mung bei den Figuren des oben bereits erwähn-
ten hl. Benedikt _(Nische 4), dem hl. Augustinus
(Nische 2), dem hl. Rupert (Nische 5), dem hl. Gre-
2
2 Ansicht des Benediktinerinnenklosters Nannberg
über der Altstadt von Salzburg
Zitierte Literatur:
Paul Buberl: Die romanischen Wandmalereien im Kloster
Nonnberg in Salzburg, 10:1 Kunstgesdri. 1b. d. k. k. Zen-
tralkomm. t. Kunst und hist. Denkmale, 1909, auch als
Sanderdrud: der k. k. Zentralkomm. erschienen, Wien 1910.
Otta Demus und Max Hirmer: Romanische Wandmalerei,
München 1968. Christiane Mictina; Maria als Thron Sala-
manis, Diss. Wien 1950. Karl Maria Swaboda: Geome-
trische Varzeictinungen romanischer Wandgemälde, In: Alte
und neue Kunst - Wr. kunstwiss. Blätter, ll. Jg., 1953,
Hett 3.
Anmerkungen 1-9
lßuberl datiert sie u. a. auf Grund einer nichtbewiesenen
Behauptung Esterls („Chronik von Nonnberg", S. 24), daß
nämlich 140 Altarweihen stattgefunden haben, denen
eine Erneuerung des malerischen Sdtmuckes der Kirche
vorausgegangen sein mußte, wobei die westliche Vor-
halle zuletzt ausgestattet worden sei, und neben stilkri-
tischen Vergleichen mit der var- und gleichzeitigen audi-
malerei Salzburgs, auch mit Hilfe des zeitlich einschränk-
baren Aufkommens von Mitren- und Palliumsfarmen der
Nonnberger Heiligenfiguren - und kommt damit zu einem
Zeitpunkt von ca. 1145, um die Mitte des 12. Jahrhunderts.
Demus stützt sidi bei der Dotierung neben der Stilkritik
auf eine Altarweihe van 1151 und setzt damit die Wand-
malereien ebenfalls an die Mitte des 12. Jahrhunderts,
um 115011160.
isaweit die Nischen nicht durch Stützmauarn halb ver-
deckt sind bzw. durch Beschädigung nun gänzlich leer
sind..Die Nischen 7, B und 10 sind halb von den Stütz-
mauerri der Empore ausgefüllt; die Nische 3 ist leer. ich
übernehme die Numerierung von K. M. Swoboda, der
van Süden nach Norden, von links noch redits durch-
numeriert. P. Buberl folgt der Zählung nach den var-
handenen Darstellungen.
'Buberl, Demus und Swoboda. Gustav Heider bezeichnet
den hl. Rupert (Nische 5) als hl. Wolfgang.
tObwahl die Vermutung, in Nische 10 eine weibliche
Heilige zu sehen, nicht ahne einen gewissen verführe-
rischen Reiz ist - denn damit wären auch die Mittel-
nischen der Seitenwände vor den übrigen ausgezeichnet
durch die Darstellung einer weiblichen Figur, die in
einem besonderen Zusammenhang mit dem Nannenklo-
ster Nonnberg stehen könnte -, so muB doch festgestellt
werden, daß dieser Höhenflug der Phantasie eine Über-
interpretation zur Folge hätte, die allein durch das im
speziellen kärglidie bzw. gar nicht vorhandene Beweis-
material gestoppt wird.
5 Buberl, a. a. O.: 17 ff.
fswaboda, a. a. O.. S. 84 ff. - Swaboda widerlegt die
These Buberls von den geometrisch konstant durchgehal-
tenen Verhältnissen bei Entfernun en zwischen Augen-
sternen, von Nasenlängen, Gesi tslängen und Kopf-
breiten aui:li durdi Nachmessungen.
Demus: a. a. 0.: S. 39.
Swoboda: a. a. O.: S. 94. Fresken in der dem hl. Mari-
nus geweihten Mittelkapelle im Chßrumgnng Vßft si.
Savin, um 1100.
'Auch ikonographisdi und technisch besteht
Berze-la-Ville und Namiberg eine Parallele, denn Thema
und Anisririgungsen sind hier wie dort eine Reihe von
Heiliqenbrustbildern bzw. He genhalbfiguren in stren-
ger Frontolität, in hochrechtedrigen Rahmenfeldern bzw.
rundbagigen Nischen, ieweils in der Sockelzane einer
Apsis angebracht, als Basis eines größeren dominieren-
den Freskas. Swoboda: a. a. 0.: S. 98l99.
zwischen
gor [Nische o), dem hl. wairgang (NISChe
dem hl. Florian (Nische 11). Bei den NlS(
und 12 handle es sich um Stephanus und Li
tius, bei Nische 9 um den hl. Oswald t
Demus sich hier für den hl. Pantaleon en
det), und in die fast völlig zerstörte Nisi
hat die frühere Literatur (Heider, Buben
ÖKT, die sich noch Buberl richtet) eine we
Heilige bzw. die hl. Agnes hineinvermute
spricht Demus sich deutlich für einen wi
männlichen Heiligen aus)t.
Es sind zwei wesentliche Punkte, die die
berger Wandmalereien so überaus intei
für die Forschung erscheinen lassen; ihr
tungszustand und die Tatsache, daß es Sl(
um den Restbestand eines großen Aussta
progrdmms handelt. Alle weiteren Frager
mutungen und Theorien ergeben sich darai
Ersteres bezieht sich darauf, daß die Wani
reien durch die Zeitläufte, natürliche Witte
erscheinungen und technische Eingriffe ve
dentliche Erhaltungszustände der Oberf
zur Folge hatten. S0 sehen wir heute l:
obersten Lasur erhaltene Stellen, unterschii
Stadien der Abreibung - abgesehen vo
mutwillig herausgeschlagenen Fehlstellen
hinunter zum Beginn der Malereien, bis I
Varzeichnungen. So bedauerlich der Verlu
schiedener Malschichten bei den einzelne
ligendarstellungen sein muß, so sehr kam
rode dieser Umstand der Beurteilung der
berger Wandmalereien zugute wie auch a
romanischer Fresken, auf die daraus gev
nes Wissen übertragen und angewendet v
kann. Den Vorzeichnungen sind närnlict
geometrische Konstruktionen vorangegang
ren Linien und Ritzungen bzw. Zirkeleii
punkte und Kreisbögen noch sichtbar sinr
Buberl hat in seinem grundlegenden A
über die romanischen Wandmalereien
bergs diese Konstruktionslinien zum Auf
einer Theorie der Proportionsverhöltnis:
nutzt, die K. M. Swoboda aber als „Fehls;
tian" sieht, „da diese Konstruktionslinie
keine nach Maßzahlen gleiche Form ai
ten". Diese geometrischen Hilfskonstruli
richten sich mit ihren Linien und Kreiser
den objektiven Proportionen, die nach Pai
der Künstler der Natur entnimmt - wie si
in der romanischen und byzantinischen h
berücksichtigt worden sind -, und nicht na
fakturalen, vom Künstler im Werk beabs
ten Proportionen, wie sie noch Buberl 15
beabsichtigten gesetzmäßigen Schematism
stand, in den die Nonnberger Figuren 1
letzten Konsequenz hineingezwängt v
seien. Nach Demus sind diese Linien nc
Gerüst, das die Zeichnung durch Anhalts
für die Houptlinien stützen sollte", „ein Gi
aber ein nicht streng zu befolgendes Sch
Die darüber aufgetragene Vorzeichnun
nutzte in lockerer Form dieses „Gerippi
mehr zur Orientierung, nicht aber als unl:
verbindliche Konturangabe für farbig au
lende Flächen.
Bei den Nonnberger Wandmalereien si
uns sichtbar geblieben - am besten an de
des hl. Florian - die durchgezogene Lotli
Symmetrieachse für Bogennische und Fig
dacht, von der Mitte der Nischenbasis b
höchsten Punkt des oben abschließenden
kreisbagens führend, und die Harizonto
dem gezogenen Durchmesser des Nischenl
entspricht. Weiters sind Zirkelpunkte erke
von welchen aus die Kreise für Schädell-
Nimbus oder auch der Halbkreis am ö
Nischenbogen gezogen wurden. Ergänze
dacht werden muß eine Linie, die vom ol
Punkt der Latlinie zu den Eckpunkten d