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Internationale 
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde 
Herausgeber: Norbert Ehrlich 
22. Jahrgang Wien, 1. September 1930 Nr. 17 
Die llhrensammlerin tMarie Cbner von Cschenbach. 
Von Alexander Grosz (Wien), 
Am 13. Septer’l'or jährt sich zum 
hundertsten Male der Geburtstag Marie 
Ebner von Eschenbachs. Was die 
Dichterin, die am 12. März 1916 ihre güti 
gen Augen iür immer schloß, geschaffen, 
gehört der Literaturgeschichte an; hier soll 
nur an ihre Tätigkeit als Uhrenliebhaberin 
und -Sammlerin erinnert werden, die 
schließlich, wie all ihr Tun, zum Segen für 
die Waisen ihres Geburtsortes Zdislawitz 
wurde. 
Was die große Dichterin uns speziell näher 
brachte, war ihre große Vorliebe für die Uhrmache 
rei und deren Entwicklungsgeschichte. Baronin 
Ebner-Eschenbach hat aber auch, was nicht allge 
mein bekannt sein dürfte, die Uhrmacherei selbst 
praktisch am Werktisch erlernt. Zur Erinnerung dar 
an zeigte sie mir einmal eine verblichene Photogra 
phie des alten Wiener Uhrmachermeisters Hartl, 
der einst der von ihr hochgeschätzte Lehrmeister ge 
wesen war. Sie kannte eine große Anzahl unserer 
früheren guten Uhrmachermeister, war mit vielen 
in freundschaftlichem persönlichen Verkehr und un 
terstützte oft auch auf ganz unauffällige, hochherzige 
Weise aufstrebende Kräfte durch Bestellungen, Zu 
wendung von Arbeiten in Rat und Tat, 
Ihre Vorliebe für alte Uhren ließ sie Umschau 
halten, um bei "dem oder jenem alten Uhrmacher 
interessante Stücke zu erwerben, wobei ihr geliebter 
Bruder, Graf Victor D u b s k y, ihr oft behilflich 
war und selbst gute Stücke erwarb, um sie ihr bei 
einer passenden Gelegenheit zum Geschenk zu 
machen. 
Es war noch eine günstige Zeit und es fanden 
sich genug schöne, kostbare Stücke im Verkehr, die 
um verhältnismäßig geringe Beträge erworben wer 
den konnten. Wer irgendwie glaubte, eine inter 
essante Uhr zu haben, bot ihr dieselbe zum Kaufe 
an. Natürlich war manch wertloses Stück darunter, 
das sie nur ankaufte, um den Verkäufer, oft auch 
ein armer Teufel, zu unterstützen, oder auch weil 
sie nicht das Herz hatte, dem Betreffenden eine Ent 
täuschung zu bereiten. Erst in späterer Zeit, als sich 
die Angebote von wertlosen Stücken gar zu sehr 
häuften, wurde sie kritisch und sonderte diese Stücke 
aus der eigentlichen Sammlung aus. 
So hatte sie es durch 50jähriges eingehendes 
Studium verstanden, eine Sammlung auserlesenster 
alter Uhren anzulegen, die zu Weltruf gelangte. Die 
Sammlung, welche ich vor Jahren in der »Interna 
tionalen Sammler-Zeitung« ausführlich beschrieb, 
bestand aus ungefähr 250 Uhren, von welchen fast 
jeder einzelnen in technischer oder historischer Hin 
sicht Bedeutung zukam. Der Erlös so mancher Neu 
auflage eines ihrer Werke diente häufig genug zur 
Erwerbung irgend einer besonderen Uhr. Die Freude 
an dieser Neuerwerbung war stets eine große, nach 
haltige. Jede ihrer Uhren studierte sie, um deren 
Charakter kennen zu lernen; sie kannte alle ihre 
guten und schlechten Launen und Eigenschaften, 
und sprach mit ihnen wie zu Menschen. 
In ihrer berühmt gewordenen Novelle »Lotti, 
die Uhrmacherin« schildert sie eine Frauenseele, 
die Tochter eines Uhrmachers, die auch die Uhr 
macherei erlernt hat und ihre Kunst am Werktisch 
mit voller Liebe und Hingabe ausübt. Sie ist im Be 
sitze einer wertvollen Uhrensammlung, an der sie 
mit allen Fasern des verständigen Sammlers hängt, 
die sie aber schließlich doch opfert, um das Glück 
eines von ihr geliebten Mannes zu begründen. In 
dieser Erzählung offenbart sich eine derartige Liebe 
zur Uhrmacherkunst und deren Jüngern, daß wir 
Baronin Ebner-Eschenbach im Jahre 1905 mit Stolz 
zum Ehrenmitgliede unserer Genossenschaft ernann 
ten, Viele andere Ehrungen wurden ihr noch zuteil, 
diese aber war ihr stets eine ihrer liebsten, die ihr 
die meiste Freude bereitete. 
Einer ihrer Lieblingsgedanken war, in ihrem Ge 
burtsorte Zdislawitz in Mähren ein Kinderasyl zu er 
richten; in ihren letzten Jahren vertraute sie sich 
langsam mit dem Gedanken, ihre wertvolle Samm 
lung zu veräußern, um aus dem Erlös ihre Idee ver 
wirklichen zu können. Da muß ich eines Ausspruches 
gedenken, den sie mir gegenüber in Zdislawitz, bei 
einem Besuche, zu dem sie mich eingeladen hatte, 
mit Wehmut tat. »Meine lieben Uhren,« sagte sie, 
»sie machen mir das Sterben schwer. Wer wird sie 
nach mir noch so gut behandeln?« 
Nun, die Uhrensammlung, die nach dem Tode 
der Baronin Ebner Gefahr lief, ins Ausland verkauft 
zu werden, da der für den Bau festgesetzte Betrag 
dafür im Inlande nicht aufgebracht werden konnte, 
nimmt jetzt im Uhrenmuseum der Stadt Wien 
einen Ehrenplatz ein. Hochherzige Stiftungen ermög 
lichten den Ankauf der Uhren, aus deren jeder ein 
zelnen uns der unsichtbare Geist unserer hochherzi 
gen Gönnerin entgegenschlägt,
	        
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