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Volltext: Alte und Moderne Kunst XI (1966 / Heft 84)

Realitötsgrad zu blicken scheint. Das Bild ..Dos 
rote Doch" (Abb. 3) scheint uns für diese Art des 
Darstellens besonders typisch zu sein. 
Die eigenartige ..Realitöt des irrealen" bezieht 
sich naturgemäß nicht nur auf die Raumauffassung. 
sondern auch auf die Farbe. Der Künstler ist in 
dieser seiner jetzigen Entwicklungsphase stets be- 
müht. ihr jene Eigenschaft des ..Leuchtens von 
innen" her zu geben, die wiederum bei den 
Kathedrolfenstern der Gotik anzutreffen ist und 
das Kunstwerk von oußerbildlichen Lichtquellen 
unabhängig zu machen scheint. Die kolaristische 
Grundhaltung seinertypischesten und besten Werke 
wird also von dem bestimmt, was Wolfgang Schöne 
als ..Leuchtlicht" bezeichnet hat. - 
Ein weiterer Faktor unterstreicht das Gesamtbild, 
das wir uns von Oberhubers Schaffen bereits 
machen konnten: Es ist das von Haftmann postu- 
lierte Moment der Ordnung und Ent-Chaotisierung. 
Es gibt keine klareren. einleuchtenderen Bild- 
kompositionen als die Oberhubers. Sie sind in 
vielen Füllen zutiefst vom Geiste der Rektangu- 
laritöt bestimmt. ohne doch je vom Terror des 
Richtscheites und des Zirkelschlags beherrscht zu 
werden. Oberhuber baut seine Bilder wie ein 
Architekt aus einfachen Grundelementen. Selbst 
bei den am stärksten naturalistischen Arbeiten wie 
etwa dem schönen Hafenbild ..Masten" (Abb. 4) 
wird die Bildkomposition vom Drange nach größt- 
möglicher Vereinfachung beherrscht. lst in dieser 
Schöpfung der Grundgedanke des "reinen" rech- 
ten Winkels bestimmend, so herrscht in einer 
seiner neuesten Kompositionen. der "Theater- 
szene 7 Lulu" (Abb. 2. Linz, Neue Galerie - Wolf- 
gong-GurIitt-Museum) das Prinzip des Kreisens und 
der Durchdringung verschiedener Kompositions- 
elemente. Architektur -- auch die der Schiffe f. 
das ist Ruhe. Ordnung, Gesetztheit; aber das Leben 
ist Bewegung und Begegnung, Sichdurchdringen 
und Sichabstoßen. Kreisen und Verweilen in einem. 
Und so wird das Bild der münnerverschlingenden. 
zum Opfer ihrer eigenen Schicksalhaftigkeit wer- 
denden Dramenfigur Wedekinds zum Gleichnis 
des Lebens schlechthin. 
Entscheidend scheint uns zweierlei zu sein - zum 
ersten die Tatsache. daß Oberhuber seine Prin- 
zipien niemals so verabsolutiert. daß dadurch die 
lebendige. direkte Anschaulichkeit seiner Arbeiten 
bedroht werden wurde. zum anderen aber auch 
das Ergebnis seiner Bemühungen. das 7 ob ge- 
wollt oder ungewollt. ist primär nicht entschei- 
dend 7 eine Steigerung des Motlvlichen ins Sym- 
bolhafte,Typische. Übersubiektive zum Ziele hat. 
Eine der Leittypen seines Schaffensistimmer wieder 
der Clown, der innerlich wic äußerlich Moskierte. 
Das beweist schon der Clown in der vorhin be- 
sprochenen Theaterszene aus ..Lulu". Er trügt 
ohne Zweifel selbstportröthafte. aber auch gleich- 
nishafte Züge und bezieht sich auf das "Große 
Spiel" zwischen den Geschlechtern. das Auf und 
Ab des Sichanziehens - und Sichabstoßens, auf Ko- 
mik und Tragik des Liebeswerbens. aufden Zwang 
des Sichkostumierenmüssens. das mit jeder Begeg- 
nung zwischen den Geschlechtern verbunden ist. 
Sind diesem wichtigen Bilde noch stark expressive 
Züge zu eigen. so bringen andere Schöpfungen 
in Steigerung der vorerwühnten Tendenzen eine 
Betonung des Puppenhaftcn. ia eine Art von 
marionettenhafter Vertotung und Entwirklichung 
aufs Tapet. 
Die ..Drei Könige" (Abb. 6) wirken in ihrer 
kompositorischen Strenge noch maskenhatter und 
..vertormelter". als dies rein vom Motiv her zu 
erwarten gewesen wäre. Und die Menschen in 
der "Pariser Straßenszene" (Abb. 1) gleichen nun 
in der Tat schemenhaften. hölzernen und dennoch 
körperlosen Puppen. die sich in beklemmender 
Lautlosigkeit aneinander vorbeibewegen. Im ..Erz- 
berg" (Abb. 5) schließlich ist kaum noch eine Spur 
von organischem Leben wahrzunehmen: Hier 
stehen wir gleichzeitig vor dem wohl am kon- 
sequenlesten von geometrischen Elementen be- 
stimmten Bildbau des Künstlers. In dieser Welt, die 
uns hier vorgeführt wird. hat die Technik einen 
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totalen Sieg über die Natur errungen. Aber dieser 
Sieg der Technik über die Natur liegt gewisser- 
maßen in der Natur selbst vorbereitet. Es gibt 
nicht wenige anorganisch wirkende Blumen und 
zahllose maschinenartige. apparothaftc Insekten. 
und gerade diesen Wesen begegnen wir immer 
wieder in Oberhubers Schaffen. Das Insekt ist das 
külteste aller Lebewesen. und Blumen wie die 
..Kalla" haben etwas Artilizielles an sich. das die 
Idee der Vertotung des Organischen noch stärker 
beinhaltet als die Welt der Insekten. 
Dieses Vertotungserlebnis aber gehört zu den 
Grundsymptomen unserer Zeit. es ist zutiefst ver- 
wandt mit dem. was heute mit einem Modewort 
ols..Vertremdung" bezcichnetwird. SolcheWesens- 
züge W von denen aus sich eine Brücke zum Sur- 
realen schlagen lößt - hat es in der Kunstge- 
schichte immer wieder gegeben, vor allem in der 
Periode des historischen Monierismus. also vor und 
in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts. Sie sind 
stets Zeichen einer fundamental gestörten gesell- 
schaftlichen. weltanschaulichen und psychischen 
Struktur und bezeugen damit einen Zeitgeist. der 
mit sich selbst und der Welt nicht fertig wird. 
Aber gerade das. nämlich der leidenschaftliche 
Wille. sich einen neuen geistigen Standort zu er- 
obern. ist Oberhubers Lebensonliegen. Unser 
Künstler ist ein Mann der Tat, eine Persönlichkeit 
von klarer Energie und zielgerichtetem Willen. 
Soziales Verantwortungsbewußtsein ist einer der 
Grundzüge seines Wesens, die Sorge um den 
Menschen ..an sich" ist das Grundthema, das hinter 
all den formalen und thematischen Problemen auf- 
gefunden werden kann. die Oberhuber behandelt. 
wobei jedoch immer nur zu Formulierungen aus 
der Welt der Gleichnisse und Symbole gegriffen 
wird, um jegliches Abgleiten ins Illustrative, 
Literarische zu vermeiden. 
Ein langer Lebens- und Entwicklungsweg war not- 
wendig. ehe der Künstler zu seinem heutigen 
Standort gelangte. 1906 in Zeltweg geboren. 
studierte er an der Wiener Kunstgewerbeschule 
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