Mitglieder treten zu einer kleinen
Ausstellung von nur x02 Nummern
von ungewöhnlichem spezifischem
Gewicht zusammen. Niemals ist in
Wien derSinn des Wortes „Niveau"
so handgreiflich hervorgetreten,
wie in dieserAuswahl der Auswahl.
Im Vordergrunde steht Segantini
mit 54 Werken, unter denen das
grossartige alpine Triptychon von
der Pariser Weltausstellung beson-
ders einschlägt. Mit diesen Bildern
mischen sich vierzehn Plastiken
Rodins, darunter alle seine viel-
angefochtenen der letzten Jahre.
Dann ist ein ganzes Gemach für
Max Klingers Pinsel und Meissel
belegt. Als neuer Mann erscheint
vor allem der Spanier Ignacio
Zuloaga mit acht grossen Gemälden,
und auch Le Sidaner aus Mauritius
wird man gern kennen lernen. Auf
Segantini aber ist das Haus jetzt
eigens gestimmt, ihm wollte die
Secession eine würdige Todtenfeier
veranstalten.ProfessorAlfred Roller
hat die Räume gestaltet, mit jenem
starken Ernst, der ihm vor allen zu
eigen. Der Mittelraum ist ein mäch-
tiges Oktogon, das an Baptisterien
oder Grabkirchen des VI. bis
VIII. Jahrhunderts erinnern mag. _ _ _ _
Nirgends ein ornamenm dieFlächen Otto Eckmann, Velvet, ausgeführt von Gros,
alle, auch der Fussboden, in Grau komm a, Camp, in Wesserling (Elsass)
und wieder Grauvon verschiedenen
Tönen mit einem mattweissen, gefältelten Stoffstreifen in Frieshöhe ringsum und einer
Tannenguirlande als grüner Einfassungslinie um die Decke her. Der Eindruck ist überaus
feierlich und leitet ganz natürlich zu der melancholischen Pracht des goldenen Abendhimmels
über, der aus Segantinis herrlichem Sonnenuntergangsbilde einherleuchtet. Dieses Bild, das
Mittelbild des Triptychons, bleibt im Gedächtnis des Auges, sowohl durch die tiefdunkle
wagrechte Zackenlinie jenes Gebirgsgrates, hinter dem die Sonne untergeht, als auch durch
das wundersame Strahlenphänomen, zu dem sich die bekannte Stricheltechnik des Künstlers
hier gesteigert hat. Der ganze helle Goldhimmel ist eine einzige unendliche Vibration, in
dem Strahl um Strahl facherförmig über den ganzen Himmel auseinanderschiesst, nicht in
schattirten Linien, sondern blos als linienweiser Auftrag der nämlichen Farbe. Und mitten
in diesem Glanze schwimmt ein einziges Wölkchen, das ist noch goldener als Gold. Niemals
hat die Naivetät des Künstlers so aus dem Instinct der Hand heraus ein malerisches
Meisterwerk geschahen. Das Bild links ist der Sonnenaufgang, mit seinem kühlen Lächeln
von Licht auf den Felskuppen des l-Iintergrundes; das Bild rechts der Winter mit seinem
erfrorenen Leben. „Werden, Sein, Vergehen" nennt der hiesige Katalog (auch ein
originelles Gebilde) das ergreifende Dreigemälde. „La nature, la vie, la mort", hiess es in
Paris, noch ungenügender. Unter den Bildern, die man hier noch nicht kennt, ist vieles,