Dieter Kobierski-Prus
Kobierski-Prus schafft sich mühsam Welt. Keine
Suche nach klar komponiertem Aufbau treibt ihn -
das Spontane, Hintergründige, das er sich außerhalb
von scharfen Rastern, karierten Schemata und der
gewohnten Ordnung verspricht, lockt ihn.
Im Zentrum seiner Bilder agieren Menschentorsi,
die uns einsam-dumpf anpeilen oder uns in
scheinbar sicherer Vertrautheit hinter sich lassen.
Stille Schreie an den Grenzen unserer Merkwelt,
Zusammenkrampfen in ausweglosem Schmerz, das
Vergängliche als Monument eines augenblicklichen
Erschreckens. Der menschliche Leib als Eingeweide
schaler Modefarmeln wird zum gesichtslosen
Rudiment, das in Nebelschwaden der maskenhaften
Starre entflieht. Das Weiß seiner Bilder hat
bekenntnishaften Charakter. Er hat, bevor er an
der Akademie der bildenden Künste in Wien, vor
allem bei Weiler, lernte, eine Anstreicherlehre
abgeschlossen. Er begann abstrakt zu malen.
24iährig hielt er sich 1967 acht Monate in Ägypten
auf, wo er seine erste Ausstellung hatte. Das
Weiß, das vorbeischwimmende Nichts, die,
Todesnühe dort löschte ihm die Jugend. Nach dem
Abschlußdiplom lebte er ein Jahr in Japan,
das seinem Schaffen neue Impulse gab. In den
Aquarellen tauchte Figuratives erstmals auf, die
Entfremdung brachte den Menschen ins Bild.
Er hat dort, konfrontiert mit völlig anderen
Wertmoßstäben, sich das erste Mal gefunden.
Seither zieht er ruhelos umher, lebte in Italien,
ietzt in München und ist wieder im Aufbruch
begriffen. Im Verzicht auf Vertrautheit, Heimat,
Familie, „Stil" und Vertrag mit einer Galerie, was
ihm ein halbwegs gesichertes Einkommen sichern
konnte, setzt er sich selbst immer wieder aus.
Bei iedem Bild zwingt er sich zu Kompromissen,
überwindet sich, das Nichts der weißen Fläche zu
zerstören, Leben hineinzusetzen, das er widerwillig
in einem architektonischen Gerüst ordnet. Das
beginnt sich langsam zu ändern; hat er früher
Zufälligkeiten der Gestaltung ausgeschlossen,
nimmt er sie nach und nach als Möglichkeiten an.
Da er ieder Regel mißtraut, grübelt er selbst-
quälerisch; er arbeitet sehr langsam, mit peinlich-
vorsichtiger Akribie, doch vernichtet er viele seiner
Arbeiten. Aus der Verschlossenheit der Innenräume
befreit er sich langsam und affnet sich der
Landschaft, nicht um aufzuatmen und der
Erstickung zu entrinnen, sondern um auch der
letzten Kompromisse zu entsagen, um das rahmende
architektonische Gerüst der sicheren Innenräume,
der Verschalungen seiner Bildzustände, abzubauen.
Er glaubt, durch das Verfremden der Dinge naher
an diese heranzukommen. Doch erst durch die
Annäherung der ausschnitthaften Aufmerksamkeit
verfremdet er und entfliehen die wahrgenommenen
Obiekte. Das, was in seinen prost-perspektivischen
Rastern mit den fahlen Wandflächen
verschwommen menschlich handelt und behandelt
wird, sind in lnkarnatfarben konkretisierte
Lichtphänomene. Sie ergänzen sich in der
Rezeption des Betrachters plastisch zu Körpern,
dabei bleiben immer unerklarbare lrritationsreste,
die es verbieten, von Fatarealismus zu sprechen;
der Mensch, eine gebrochene Licht-Inkarnation, als
unpersonlicher Zustand, dessen hermetische
Verschlossenheit durch den Betrachter aufgerissen
und damit zugleich verwischt wird. Kobierski-Prus
ist Chronist von geisterhaften, zeitlich-
transitorischen, meist verdrängten Phänomenen in
glänzend-zartfarbigen Feinstrukturen; technisch
perfekt, ohne spielerisch-ästhetische Tricks.
Von Objektivität bleibt nichts übrig, indem der
Maler, mit ihm der Betrachter, sich ieweils einer
Begebenheit zuwendet, stört, verfälscht er sie.
Wir werden gerade noch des Verlöschens einer
Situation habhaft, der schwankende Grund der
architektonischen Ordnungselemente bleibt bestehen
und zeigt uns unseren Ausgangspunkt.
Thomas Zaunschirm
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