Holzarbeiten zur Anwendung gelangte (Fig. 10).
Das Prinzip, einen Teil für das Ganze (pars pro
tato) zu setzen, wurde an unserem Teppich sehr
häufig durchgeführt. Allenthalben trifft man Häk-
chen oder Spitzchen, in die man die Winkel
von Oktogonen oder Oktagrammen auslaufen
ließ. Sie sind der Figur entsprechend angeordnet.
Das Oktogon etc. selbst ist aber nicht zu sehen,
die Linien dazu sind zu denken.
In den Eckfüllungen des lnnenfeldes erscheint
endlich ein Schema, in dem wir vielleicht eine
bewußte Andeutung auf eine astrologische Kon-
stellation erblicken dürfen: die „GüV-Polygone
und der Zentralstern dort sind nach dem System
der fünf Augen eines Würfels angeordnet. Dies
entspricht symbolisch dem Kreis der Hyaden mit
dem strahlenden Aldebaran in der Mitte".
Die Eckfüllungen stellen eine Wiederholung des
Hauptsternes mit seinen vier „Trabanten" dar.
Die Musterung der Bordüre enthält einzelne,
geschwungene Lanzettblötter, die sich später un-
ter der osmanischen Schirmherrschaft so macht-
voll entfalten. Daneben in Hülle und Fülle das
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„Schirmblattmotiv". Die Blättchen werden in ver-
wirrendem Spiel der Linien geführt, sie finden
aber doch immer wieder zu anmutigen Sternfi-
guren zusammen, so den Blick in der gleichsam
unendlichen Abwicklung zu Plätzchen stillen Ver-
weilens leitend.
Das Schirmblatt spielt unter den füllenden Mo-
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Übernahme eines Zeichens aus dem Altögypti-
schen - dem ldeogramm für die Papyrusstaude".
Aber auch hier wird man vorsichtig sein müssen
und mit Sicherheit kaum mehr als die Übernahme
der ideellen Linienführung im Rhythmus der
Fünfzahl (Pentagramm) zugestehen können.
Das Zurückgreifen der Meister auf Ideen aus der
Pharaonenzeit erscheint durchaus plausibel. Die
Mamluken standen im Kampf um die Selbständig-
keit des Landes und mochten sich, indem sie aus
der großen Tradition der Vergangenheit schöpf-
ten, moralischen Rückhalt erhofft haben. Der
historische Aspekt unterstützt die Theorie von
der Entstehung der Teppichgruppen in Ägypten.
Wie die Papyrusstauden mochte ein anderes Mo-
tiv ebenso Einfluß gewonnen haben. Es schimmert
in der geradlinigen Ordnung der Lanzettblätter
nebeneinander durch. Hier mag die Linienfüh-
rung von „Schilfblättern" (Rispen) übernommen
worden sein. Die Rispen stehen oft mißverstönd-
Iich für Opferbrote und wurden nebeneinander
auf Opfertischchen gezeichnet. Ebenso stehen sie
im ldeogromm für „Sumpfland" nebeneinander.
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Die Anordnung haben die muslimischen Künstler
anscheinend übernommen, die Linienführung in
ihrer erhabenen Strenge genutzt, aber doch die
neue Zeit hervorgehoben, indem sie anstelle der
Rispen ihre Lanzettblätter zur Durchführung ihrer
Ideen benutzten: sie sollten den Blick in die Tiefe
gleiten lassen.
Das Lanzettblatt hat eine lange Entwicklung hin-
ter sich gebracht, ehe es unter den Händen mus-
limischer Künstler allen Anforderungen genügte.
Eine Richtung unter den Gelehrten bringt es mit
dem antiken Akanthus in Zusammenhang". An-
dere leiten es vom Weinblatt ab, wie es z. B. auf
koptischen Textilien aus dem 4. und 5. Jahr-
hundert vorkommt". Bei dieser Ableitung mochte
wieder das Prinzip von der Darstellung des Teils
für das Ganze zur Geltung gekommen sein. Der
muslimische Künstler - dem die Weinsymbolik
fremd sein durfte - brauchte nur die Hälfte des
einmal so entwickelten Weinblattes, und er hatte
sein Lanzettblatt. Weinblätter haben sich aller-
dings auch weiterhin erhalten. Wir finden sie in
Miniaturen und auf Bordüren und Paneelen
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anatolischer Teppiche. Ein neugefundenes oder
aus einem alten weiterentwickeltes Ornament
verdrängte in der islamischen Kunst keineswegs
altüberkornmene Formen, die man als schön
empfinden gelernt hatte. Das Lanzettblatt stellt
einen eigenen, abstrakten Zweig in der Entwick-
lung dar. Es ist zum reinen Ziermittel geworden
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