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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXII (1977 / Heft 151)

 
Durch den erhaltenen Vertrag über die Errichtung 
eines neuen Retabels für den Choraltar der Bazner 
Ptarrkirche von 1421 war 1947 Rasmo der Nachweis 
gelungen, daß dieser Altar bis 1724 bestanden hatte 
und dann der Pfarrkirche in Deutschnofen „gratis 
überlassen" wurde. Über die Geschicke und den 
Verbleib der einzelnen Teile dieses Hauptwerkes 
des Hans von Judenburg referiert Müller ebenso 
eindringlich wie über ein anderes, ebenso nur in 
Einzelteilen auf uns gekommenes Dokument der 
abendländischen Kultur: 1456 vereinbarte die Stadt 
Sterzing mit Hans Multscher, Maler und Bild- 
schnitzer zu Ulm, die Errichtung eines neuen 
Hachaltares in der Ptarrkirche zu Unserer Lieben 
Frau im Moos, Die Auswirkungen der Bildvar- 
stellungen und Darstellungsmethoden Hans 
Multschers in der Südtiroler Malerei und Skulptur 
sind aber nicht nur der Ausstrahlung des Sterzinger 
Altares zuzuschreiben. Vielmehr müssen - so meint 
Müller mit Recht - Wachstumsverflechtungen mit 
den künstlerisch fortschrittlichen Kräften in Schwa- 
ben in einer breiten Schicht angenommen werden. 
Aber 1467 ist Michael Facher erstmals als Maler 
und Bürger zu Bruneck nachweisbar, nach seinen 
Lehriahren in Oberitalien (wahrscheinlich 1453 bei 
Niccala Pizzalo in Padua) und dem damit ver- 
bundenen Vertrautwerden mit der perspektivischen 
Raumplastik in den malerischen Darstellungen. 
Doch das ist das Besondere am Phänomen Pacher: 
Alle Eindrücke, die er in seinen Wanderjahren von 
oberitalienischer und oberdeutscher Kunst aufge- 
nommen hat, übersetzte er in die Gewalt seiner 
eigenen Sprache. Die riesigen Dimensionen der 
Werke für St. Wolfgang oder, dann noch größer, 
für die Salzburger Stadtpfarrkirche konnte Pacher 
in seiner Brunecker Werkstatt nur mit mehreren 
Mitarbeitern bewältigen, zumal ia auch andere 
Aufträge vorzubereiten und zu erfüllen waren. 
Diese Kräfte, dann zu Meistern geworden, haben 
das Bild der Tiroler Plastik im letzten Viertel des 
15. Jahrhunderts wesentlich mitbestimmt. 
Mit Hans Klockers 1490 aufgestelltem Hochaltar von 
St. Leonhard in Passeier erscheint „ab der block- 
hatten Gebundenheit der Gestalt und ob der 
scharfen, tiefen Verröumlichung der Binnenformen" 
eine neue typische und persönliche Handschrift. 
Mit ihr stimmt das berühmte zwischen 1482 und 
1490 vom Goldschmied Valentm Schauer ausge- 
führte Agnes-Reliauiar im Brixner Domschatz so 
völlig überein, daß Müller mit Recht in ienem 
Künstler, der 1481 vom Domkapitel „pro formulari (l) 
yrrlaginem Sancte Agnetis" bezahlt wurde, niemand 
anderen als Hans Hans Klocker sieht. 
Das am höchsten aufragende spätgatische Altar- 
werk Tirols, ausgeführt vorn Meraner Bürger Hans 
Schnatterpeck, steht im Chor der Alten Pfarrkirche 
in Niederlana - mit den Figürchen des Rahmens 
und der Nischen „eine schier unüberschaubare Menge 
tiet unterschnittener, extensiv bewegter Figura- 
tianen". Aber dann „endeten die Antriebe für 
solche sakrale Bildwerke ob der radikalen religiö- 
sen Veränderungen". 
Und so stehen am Ende des einprägsamen Textes 
von Müller wieder geschnitzte Kruzifixe wie das 
von Schloß Matzerl: Erwachsen aus den unmittel- 
baren Traditionen der spätesten gotischen Bild- 
schnitzkunst aber ist es „Ausklclng, wenn nicht 
schon Nachklang". 
a; 
 
 
ns van Judenburg, Muslzlerende Engel vom 
maligen Charaltar der Bazner Pfarrkirche, t421f22, 
benholzrelief, au x40 cm, Deutschnafen, Pfarrkirche 
ns Multscher, Heiliger Florian vom ehemaligen 
chultar der Pfarrkirche in Sterling, Teilansicht, 
s-usa. Sterling, Multscher-Museum 
1s Schnatterpeck, Musizierender En el aus dem 
ar in Niederlana, isoa-isov. Holz, öhe 4a cm. 
velandlOhio, Museum at Fine Avts. 
ilfgang Leb, Grabstein des Hans Baumgartner, um 
n, Kufstein, Pturrkirche 
("sann ili um:  4 
e. riiisiii-iicislixiia 
- Theodor Müller, Gotische Skulptur in Tirol. 462 Seiten, 
zaa schwarzwelße und 42 farbige Abbildungen. Leinen, 
s 550.-. Athesia-Verlag, Boxen. 
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