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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXII (1977 / Heft 152)

gest. 1235, in der Klosterkirche Nonnberg in 
Salzburg. Wappengrabsteine treten seit etwa 
1300 auf. Erst ab 1340 werden die Ritzzeich- 
nungen auf den Platten zu Reliefs. Vom Flach- 
relief kommt es über das Hochrelief zu einer 
Entwicklung, die mit beinahe vollplastischen Dar- 
stellungen auf den Grabplatten ihren Höhepunkt 
erreicht. Die Bedeutung_des Aribo-Grabsteines 
liegt in der hervorragenden künstlerischen Lö- 
sung einer Aufgabe, nämlich der Darstellung 
eines liegenden Ritters und ihrer Verbindung 
von Schrift, Ikonographie und Dekarationsele- 
menten. 
Das Grabmal besteht aus der Tumba, die auf 
einem Sockel mit stark profiliertem Rand steht 
und deren Seiten in reliefhafte Spitzbogenfelder 
aufgeteilt sind, in denen sich die Figur des Abtes 
Farcher sowie Wappen und Helmzier haltende 
Engel und Wappenschilde befinden. Auf der 
Tumba liegt die ausladende Deckplatte mit der 
Ritterfigur mit Inschrift, Propheten und Engeln 
auf dem abgeschrägten Rand. Die Länge be- 
trägt 220 cm, die Höhe 121 cm, die Breite 110 cm. 
Die Inschrift auf der abgeschrägten Deckplatte 
lautet: Arybo comes palatinus fundator huius 
ecclesiae symon abbas actor huius operis anno 
domini 1400. (Alle Abkürzungen sind ergänzt und 
aufgelöst.) Die Rittergestalt des Ariba liegt in 
voller Rüstung, mit einem Mantel bekleidet, im 
vertieften lnnenfeld der Platte. Das lnnenfeld 
ist bis zum Rand mit einem sorgfältig drapierten 
Bahrtuch ausgelegt. Unter dem Kopf des Pfalz- 
grafen befindet sich ein breites Kissen. Seine 
beiden Füße stehen auf dem Rücken eines Lö- 
wen, der sich in den unteren Teil des lnnen- 
feldes schmiegt. In den Händen hält Aribo 
Schwert und Lanze. Der Wimpel des Banners 
wird von einem Engel am Kopfende der Deck- 
platte gehalten. Auf dem abgeschrägten Rand, 
der die Inschrift trägt, liegen sechs Propheten- 
gestalten, die Schriftbänder in den Händen hal- 
ten. Die lnschriften auf diesen Schriftbändern 
lauten: beati mortui qui in domini moriuntur - 
vivent mortui tui domine - omnis spiritus laudet 
daminum - credo videre bano domini - ne 
tradas domine bestiis animas confidentes tibi - 
dies mei transierunt cogitatianes meae dissipatae 
sunt. An der Südseite der Tumba steht im Mittel- 
feld des Abt Simon Farcher mit der Beischrift: 
Simon abbas dictus varcher fundator huius operis 
1395. Neben ihm und an den anderen Seiten 
sind u. o. die Wappen von Seeon, von den 
Laimingern, van Andechs, vom Herzogtum 
Bayern und von Salzburg angebracht? 
Die Tumba wurde wiederholte Male beschrieben 
und gedeutet. Die eingehendste Behandlung und 
Würdigung erfuhr das Werk durch Ph. M. Halm'. 
Sämtliche späteren Publikationen fußen auf den 
Ergebnissen seiner Arbeit. Untersuchungen, die 
neue Erkenntnisse bringen wollen, müssen da 
ansetzen, wo sich stilistische Zusammenhänge mit 
der Plastik der zweiten Hälfte des 14. Jahrhun- 
derts erkennen lassen. „Der monumentale Stil 
des Hochgrabes des Pfalzgrafen Aribo von 
Seeon ist von Hüttenplastik in der Art der Wen- 
zels-Figur im Prager Veitsdom bzw. einer ent- 
sprechenden Parlerischen Grabplastik dort ab- 
zuleiten"5 
Es gibt einige Rotmarmorgrabsteine außerhalb 
Prags, an denen Merkmale der Kunst dieser 
Meister festgestellt werden können. Zu ihnen 
gehören: Hans von Ybbs (gest. 1368) an der 
Ftarrkirche von Ybbs (Niederösterreich), Otto 
von Pienzenau (gest. 1371) in der St.-Sebastians- 
Kirche in Ebersberg (Oberbayern), Albert Not- 
haft (gest. 1380) in der Pfarrkirche in Oberköb- 
lietz (Oberpfalz). Bei ihnen ist wie beim Ariba- 
stein das Parlerische der „Unterbau" für das 
Werk, ohne daß man iedoch Einzelheiten direkt 
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ableiten kann. Es gibt sogar Merkmale, die den 
Tumben des Prager St.-Veit-Doms entgegenge- 
setzt sind, wie das Liegen der Gestalt in einer 
Vertiefung, die bei Seitenansicht den Pfalzgra- 
fen völlig verschwinden läßt. Charakteristisch 
für den Aribo-Stein ist die Art, wie eine Über- 
steigerung der Einzelheiten vorgenommen wird. 
Beispielsweise setzt sich' der Rahmen von außen 
nach innen aus dem Schriftrand, einer Hohl- 
kehle mit Laubwerk und der geraden Kante 
zusammen. Die Zaddelung des Bahrtuches ge- 
hört zum lnnenfeld. Auch die Panzerung Aribos 
zeigt die ausgeprägte Freude an Einzelheiten. 
Beim Vergleich mit dem Panzer des hl. Wenzel 
im Prager Veitsdom fallen die Schließen an der 
Mittellinie auf, bei denen auf genaueste Symme- 
trie geachtet wurde. Der Mantel ist so straff um 
Schultern und Unterarme gezogen, daß die Fal- 
ten gleichmäßige Schröglinien ergeben. Von den 
Kettengliedern des Rockes und der Schuhe ist 
iedes einzelne herausgearbeitet. Die Flügel des 
Engels, die sich an der oberen Schmalseite auf 
der Schräge entfalten, stellen eine Mischung von 
Pfauenfedern und daraufgelegten Deckblättern 
dar. Jede Blattrippe und iede Einzelfeder ist 
 
3 Ehem. Klosterkirche Seeon. Grabmal des Pfalz- 
grafen Aribo. Prophet links unten 
Anmerkungen 3-18 
'Die Kunstdenkmale des Königreichs Bayern. Bearb. v. G. 
v. Bezold, s. Riehl, e. Hager. Bd. 1, T. 2. München 1906. 
s. 1843 r. 
f Philipp M. Halm, Studien zur Plastik. 
Augsburg 1926. Bd. 1. S. 1 ff. 
fTheodor Müller, Zur monumentalen Salzburger Plastik 
des frühen 15. Jahrhunderts. In Zeitschrift des deutschen 
Vereins für Kunstwissenschatt 6 (1939) S. 241. 
f Franz Walter, Bayerische Plastik des XV. und XVl. Jahr- 
hunderts. In: Festschrift des Münchner Altertumsvereins. 
München 1914. S. 42. 
' Halm, Studien, S. B. 
'Theodor Müller, Sculpture in the Netherlands, Germany, 
France and Spain. Harmands, Middlesex 1966. Tef. 46 B. 
'Eurapäische Kunst um 1400. Ausstellungskatalog. Wien 
1962. S. 368. 
I" Heinrich Kahlhausen, Nürnberger Goldschmiedekunst des 
glligglalters und der Dürer-Zeit 1240-1540. Berlin 1968. 
"Walter, Bayer. Plastik, Abb. 9. 
J] Halm, Studien, Abb. 53. 
u Salzburgs bildende Kunst. Ausstellungskatalog. Salzburg 
1938. Nr. B5. 
" Hans K. Ramisdi, Zur Salzburger Holzplastik im zweiten 
Drittel des 15. Jahrhunderts. In: Mitteilungen der Ge- 
sellschaft ein Salzburger Landeskunde 104 (m4) s. 18 r., 
Abb. i. 
" Halm, Studien, S. 2. 
u Antanin Mateicek, Jaroslav Pesina, Gotische Malerei 
in Böhmen. Prag 1955. S. 63, Abb. 120, 124, 125. 
" Otto Kletzl, Zur Parler-Plastik. In Wallraf-Richartz-Jahr- 
bucti NF l_l-lll (_1933l34), S. 139. 
"Josef Opitz, Die Plastik in Böhmen zur Zeit der Luxem- 
burger. T. 1. Prag 1936. Abb. 93. 
süddeutschen 
in feinster Meißelarbeit ausgeführt. Das g 
trifft auch für die Flügel des Adlers untei 
Rücken des Evangelisten Johannes an der 
Längsseite und für das Fell des Löwen an d 
teren Ecke zu. Diese Manier, den Kleinig 
außerordentlich großes Gewicht zu verl 
äußert sich auch im ikonagraphischen Progi 
Das Cingulum militare ist mit blütenför 
Glöckchen behängt. Diese Mode erfreute sic 
ßer Beliebtheit, denn die Glöckchen waren 
ein Königsattribut. (Es soll nicht mehr a 
Hinweis sein, wenn hier darauf aufme 
gemacht wird, daß Seeon ein Reichsklosti 
wesen ist, das allerdings seine Reichsuni 
barkeit schon 1201 verloren hatte und dem 
burger Erzbischof unterstellt worden war.) 
Das Gesicht Aribos - wie der ganze Kör 
reiner Frontalansicht wiedergegeben - 
verglichen mit dem Kopf Ottokars l. Gl 
Prager Tumba, eine geradezu graphische l 
bildung aus. Die weit geöffneten Augen er 
durch die kreisrunden Bohrungen etwas 
rendes. In der Form des Buchstabens M sini 
tiefungen zwischen Nasenwurzel, Stirn 
Augenwülsten eingekerbt. 
Die metallische Oberfläche und die min 
Ausführung von Details (Glöckchen, Kette 
der, Bartlocken u. ä.) haben dazu gefüh. 
Herkunft des Meister aus der Goldschi 
zunft zu vermutenf oder aber wenigsten 
Einfluß der Goldschmiedezunft auf ihn i 
steIlenÄ Es ist iedoch seine Eigenart, mit l 
nicht nur das Grabmal zu überhäufen, s: 
sie auch aufs sorgfältigste auszuführen 
annähernd gleichzeitige kupfergetrieben 
stenreliquiar des hl. Cassian (?] im Wiener 
historischen Museum" ha_t seine stilistische 
aussetzungen in den Porträtbüsten des l 
Triforiums". Daß es auch als Nürnberger 
bezeichnet wirdm, ist in diesem Zusamme 
nicht von Wichtigkeit. Der wesenhafte 
schied zwischen dem getriebenen Meta 
Büste und der Meißelorbeit des polierter 
mors ist jedoch so auffällig, daß man die , 
schmiedethese" nicht aufrechterhalten kan 
dem ist es unwahrscheinlich, daß die 
ordnung einem Goldschmied die TÖIIQIU 
Steinmetz erlaubte. 
Ebenso ist es problematisch, sich den Meist 
Aribo-Grabmals .als Holzbildhauer vorzus 
Es gibt zwar Stilzusammenhänge, die die ( 
des Aribo mit einem hl. Christophorus in 
besitz" und einem stehenden Heiligen in 
burger Museum Carolinum aus der Ze 
1400" verbinden, denn ieweils ist der Bi 
den Enden zu kleinen Schnecken gedrel 
sind die Augenbagen stark betont. Aber f 
gleichen Meister spricht das noch nicht. Die 
eines hl. Pantaleon (Steinguß, gefaßt) ai 
Zeit um 1400 in den Kunstsammlungen de 
sters Nonnberg in Salzburg" erlaubt eh 
den Seeoner Meister zu denken. Die Veri 
schaft der beiden Gesichter ist sehr grc 
einer Dreifaltigkeitsgruppe aus Holz im 
hous in Wagrain" finden sich zwar äl 
Merkmale wie in Seeon. Die starre Haltur 
symmetrischen Entsprechungen sind beidi 
meinsam. Vom Stil des Meisters der Aribo? 
kann man aber bei diesem Holzbildwerl 
sprechen. _ 
Als Voraussetzung für das Seeoner Stifti 
nehmen die Prager Tumben eine wichtige 
ein. Stilistisch noch näher Verwandtes find 
bei der nördlichen Sedile in der Prager 
kirche. In den Maßwerkzwickeln der Sedi 
Prophetenfiguren angebracht. Der link 
ihnen hält ein Kreuz; er ist das wichtigst 
bindungsglied zwischen der Prager Parlei 
und dem Ariba-Grabstein.
	        
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