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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXII (1977 / Heft 152)

 
Ehem. Klosterkirche Seeon. Grabmal des Pfalz- 
rpten Aribo. Mitteltigur aut der oberen Rand- 
: rage 
 
Das Werk in Seeon ist die einzige Rotmarmor- 
grabplatte, deren Schrittrand mit vollplastischen 
Figuren verziert ist. Sechs ganzfigurige Prophe- 
tengestalten lagern auf der Schräge des Randes, 
sich dabei auf Löwen und Adler stützend. Vier 
von ihnen bedecken mit ihren Oberkörpern die 
vier Ecken der Platte mit Neigung zur Mitte des 
lnnenteldes. Die zwei restlichen liegen auf den 
Löngsschrögen ieweils in der Mitte. Auf den 
Spruchböndern, die sie in Händen halten, sind 
Texte aus Psalmen, aus der Apokalypse und aus 
den Evangelien geschrieben. In die Kante neben 
der Hohlkehle sind [e zweimal die Bezeichnun- 
gen apot, iob und dd eingemeißelt. Mit den 
Textstellen auf den Spruchbändern stimmen die 
Worte, die in dieser Weise abgekürzt sind, nicht 
überein". 
Das Motiv des mit Figuren besetzten Rahmens 
kommt in der Ratmarmorsepulkralplastik sonst 
nicht vor. ln der böhmischen Tatelmalerei ist es 
in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts ein 
Charakteristikum, daß die Rahmen mit Prophe- 
ten und Heiligen bemalt sind. Der früheste er- 
haltene Rahmen dieser Art befindet sich an dem 
Tafelbild der Madonna Aracoeli (Schule des 
Meisters von Wittingau, um 1400) in der Prager 
Nationalgalerie". An den vier Ecken dieses Rah- 
mens sind die Propheten David, Jeremias und 
 
4,5 
Ezechiel wiedergegeben. Sie tragen sich aut- 
rallende Spruchbänder in den Händen. Die 
außerordentlich hohe künstlerische Leistung, die 
die Propheten auf dem Aribo-Stein darstellen, 
ist mit ihnen allerdings nicht vergleichbar. 
Die sechs Köpfe der Grabplatte sind nicht nur in 
ihrer Physiognomie, in Gewandung, Haartracht 
und Barttracht verschieden, sie zeigen sechs Men- 
schentypen von unterschiedlichem Temperament. 
Der Prophet links oben erinnert mit der Stirn- 
locke auf dem kahlen Haupte an den Typ des 
hl. Petrus. Der lange Bart ist in Strähnen, die sich 
übereinanderschieben, gegliedert. Die Stirn ist 
glatt. Der Ausdruck des Zornes prägt das Ge- 
sicht der Gestalt rechts oben. Otto Kletzl hat vor- 
geschlagen, diesen Propheten mit der Tumben- 
tigur Ottokars l. zu vergleichen". Eine Figur von 
nahezu gleichem Aussehen ist der bereits ge- 
nannte kreuztragende Prophet in der Prager 
Theynkirche". Beide haben den gleichen ste- 
chenden Blick. Die Stirnzeichnung veranschau- 
licht das prophetische Denken. Während in Prag, 
wo der Blick nach oben geht, sich die Stirnhaut 
 
6, 7 Ehem. Klosterkirche Seeon. Grabmal des Ptalz- 
graten Aribo. Propheten auf der oberen Rand- 
schräge 
8, 9 Ehem. Klosterkirche Seeon, Grabmal des Pfalz- 
graten Aribo. Propheten auf der unteren Rand- 
schräge 

	        
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