25 Kremsmünster, Stiftskirche. G. B. Barbarino,
Stukkatur im südlichen Seitenschiff
26 Rom, S. Maria dei Sette Dolari. Fr. Borramini,
Stuckdetail an der Eingangswond
27 Rom, S. Silvestro in Capite. Camillo Rusconi,
Stuckdetait in der Vierung
28 Wien, Servitenkirche. G. B. Barbarino, Detail
von der Kuppelstukkatur
29 Garsten, Stiftskirche, Sakristei. G. B. Carlane
u. a., Gewölbestukkatur über dem Altar
Anmerkungen 18-24
" Hans Sedlmayr, Johann Bernhard Fischer v.
Wien-München 1956, S. 164.
"W. Buchowiecki, Handbuch der Kirchen Roms, Z. Band,
Wien 1970, S. 261,
1" Rudolf Wittkower, Art and architecture in Itoly 1600-
1750 (The Pelican History of art Z 16), Harmondsworth
1958, Tafel 91 B,
"Maria Bosi, S, Maria dei Sette Dolori (le Chiese di
Roma illustrate 117), Roma 1971, S. 16.
n W. Buchowiecki, ap. cit, III, S. 69. - R. Wittkower,
Gian Larenzo Bernini, the sculptor of Roman Baroque,
London 71966, S. 239, Abb. 92-96.
73 W. Buchawiecki, op. cit. III, S. B61.
"Josef Huber, Wallfahrtskirche zur schmerzhaften Mut-
Erlach,
tergottes Gartlberg Pfarrkirchen Schnell: Kunstführer
697i, München-Zürich 11972, Abb. _ m. e E. GUIdGfl,
u u. 0., s. 247.
Rom (1648l49)1' ist offensichtlich (Abb. 26). In
diesen Details, die das individuelle Gepräge
der pflanzlichen Ornamentmotive ausmachen,
erweist sich der römische Dekorationsstil um
1640-1650 als Stilquelle.
Dies gilt um sa mehr für die gesamträumliche
Struktur der Girlande. Ihre charakteristische
rhythmische Ausbildung an den Außenwänden
der Seitenschifte bildet den entschiedensten rö-
mischen Akzent im lnnenraum von Kremsmün-
ster. Es ist aber sehr bezeichnend, daß die un-
mittelbaren Vorbilder in Rom und Umgebung
um 1660 entstanden sind: bei Pietro da Cor-
tona S. Maria della Face (1655-1657); bei
Gian Lorenzo Bernini S. Tommasa in Castel
Gandolfo (1660161), S. Maria deII'Assunzione
in Ariccia (1664) und S. -Andrea al Quirinale
(1662-1665)". Selbstverständlich tritt der römi-
sche Charakter der Dekoration in einem Innen-
raum wie die Servitenkirche, die durch ihren
Ovalgrundriß völlig in der römischen Tradition
steht, wesentlich klarer in Erscheinung. Ange-
sichts der Tatsache, daß ihre Stuckdekoration
in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre, d. h.
kurz nach der Vollendung der oben genannten
römischen Dekorationen entstanden ist, erkennt
man ihre Modernität. Im Vergleich zur strengen
architektonischen Bindung der römischen Deko-
rationen sind die Stukkaturen Barbarinos in
Wien und Kremsmünster durch ihre Beziehung
zur Deckenmalerei sogar als fortschrittlicher als
ihre unmittelbaren römischen Vorstufen zu be-
zeichnen. Mindestens aber stehen sie auf der
Höhe der gleichzeitigen römischen Entwicklung,
die mit der von Giovanni Battista Gaulli ent-
worfenen Dekoration in II Gesu einsetzt. Je-
denfalls erreichen die Girlanden in den römi-
schen Stuckdekorationen erst gegen Ende des
17. Jahrhunderts iene rhythmische Freiheit, wie
sie an den Außenwänden der Seitenschiffe in
Kremsmünster zu beobachten sind. Der Ver-
gleich mit dem abgebildeten Dekoratiansaus-
schnitt in der Vierung von S. Silvestra in Capite
(Camillo Rusconi, vollendet 1690]" macht dies
deutlich (Abb. 27). Wenn man diesem römischen
Beispiel ein Detail aus Barbarinos Stukkatur im
Kuppelzentrum der Servitenkirche gegenüber-
stellt, das rund zwanzig Jahre älter ist, so er-
kennt man die Wesensverwandtschaft der räum-
Iich-dekorativen Grundstruktur, die im gemein-
samen römischen Charakter begründet liegt, zu-
gleich aber die enorme Fortschrittlichkeit Bar-
barinos (Abb. 28). ln ihrer rhythmischen Anlage
und im Verhältnis zu den Deckengemälden bil-
den sie die unmittelbare Voraussetzung für die
Girlanden an den Außenwänden der Seiten-
schiffe in Kremsmünster und für das Verhältnis
der Rahmenstukkaturen zu den Deckengemäl-
den. Die Genialität Barbarinos erkennt man vor
allem daran, wie es ihm gelingt, dieses in
einem barocken Zentralraum entwickelte Deko-
rationssystem den andersartigen Gegebenhei-
ten eines mittelalterlichen Raumes anzupassen.
Die unmittelbar nach Vollendung der Dekora-
tian in Kremsmünster einsetzenden Auswirkun-
gen bei Giovanni Battista Carlone bestätigen
dies. Noch vor 1685 überträgt er in der Sakristei
der Stiftskirche Garsten die rhythmisierte Gir-
lande als gesamträumlich zusammenfassenden
Außenrahmen an das Gewölbe und vereinheit-
licht dadurch unter Einbeziehung von Engeln
die dem einzelnen Gewölbeabschnitt zugeord-
neten Gemälderahmen (Abb. 29). Darin und im
großen Stuckvorhang an der Altarwand greift
er motivisch und kompositionell mehr auf die
Wiener Servitenkirche zurück. Doch das rhyth-
mische Verhältnis der Außen- zu den Gemälde-
rahmen ist ohne das Vorbild der Dekorationen
in den Seitenschiffen von Kremsmünster nicht
denkbar. In der Stukkatur des Chorgewölbes der
Wallfahrtskirche Gartlberg bei Pfarrkirchen
(1688) übernimmt er unverändert Einteilung und
Ornamentmotive der Gewölbedekorationen in
der Stiftskirche Kremsmünster".
Damit soll nicht behauptet werden, daß Gio-
vanni Battista Carlone ausschließlich der Emp-
fangende gewesen sei. Es bedürfte einer noch
wesentlich umfassenderen Behandlung, um Klar-
heit in die Zusammenhänge zwischen den in
Kremsmünster tätigen Italienern und der weit-
gespannten Tätigkeit des Carlone-Trupps zu brin-
gen. Die grundlegenden Zusammenhänge zwi-
schen Barbarino und G. B. Carlone als Stuck-
plastiker und die Auswirkungen auf die Grazer
Stuckdekaratianen Fischers v. Erlach sollen im
zweiten Teil dieser Abhandlung betrachtet wer-
den.
Anschrift des Autors:
Diözesankonservator
Dr. Karl Kosel
Am Kirchberg 24
D-3901 BiberbachlAugsburg
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