. Österreichisches Museum für angewandte Kunst
Blickpunkte
In den Wiener Museen bereitet man sich auf die
Herbst- und Wintersaison vor. Dabei natürlicher-
weise großer Wechsel des Publikums, aus Statistiken
herauszulesen. Im Sommer mehr ausländisches,
in den sogenannten „dunklen" Monaten mehr
inländisches. Je nach Institut die Variablität der
Aktivitäten nach erstellten Johresprogrammen. Das
Österreichische Museum mit dichtem Veranstaltungs-
kalender, mehr zeitgenössischen Künstlern vorbe-
halten, hot das ganze Jahr „Saison".
Außenstellen des Museums: Man geht in die Winter-
pause. Ende Oktober, nach Ausstellungssdiluß,
bereitet man sich auf die kommende Saison vor.
Im Stammhaus: Porzellanausstellung mit Objekten
der Pariser Firma Samson weiterhin. Neu eröffnet
eine Ausstellung der Bibliothek und Kunstblätter-
sammlung: „Drei Städte Europas - gesehen von
Marianne von Werther"Neduten der Städte Rom,
Wien und London. Im Säulenhof (bis 20. November
1977) der Metallplastiker Gerhardt Moswitzer mit
seinem Ensemble „Der König und sein Spiel".
Vom „Tag der offenen Tür" an „Neuerwerbungen"
präsent: eine größere Gruppe von Möbeln des
Jugendstils, Kleinplastiken aus Metall von Künstlern
der Gegenwart.
„Reisende" Ausstellung, die Kollektion von (apa-
nischen Farbholzschnitten aus der Kunstblätter-
sammlung des Museums (bis Februar 1978), in Japan
unterwegs. Kuriosum: im klassischen Lande des
Holzschnittes eine Ausstellung „ästerreichischer"
Blätter. Japan selber verfügt über solche von
iapanischen Künstlern nicht mehr. Besonders ge-
glückte Aktion im Kulturaustausch zwischen Oster-
reich und Japan.
Bei Drucklegung Adaptierung einer Ausstellung
von Raum- und Wandtextilien. Magda Eliäd Paszthy,
ungarische Textilkünstlerin, kreiert eine neue Ent-
wicklung der traditionsreichen Kunstgattung mit
Obiekten aus Hanf, Jute, Sisal. Aspekt: „Der große
Sprung in den Raum". Paszthy löst sich aus dem
zweidimensionalen Bereich in die dritte Dimension.
Großproiekt in Richtung SteinlKrems: Beteiligung
der Ostasiatischen Sammlung des Museums auf
der großen Ausstellung 197B „4000 Jahre Ost-
asiatische Kunst". Dr. Herbert Fux, Sammlungsleiter,
erstellt den umfangreichen Katalog. Anteil des
Usterreichischen Museums für angewandte Kunst,
eingeschlossen die Sammlung A. Exner, 600 bis
700 Obiekte als tragender Hauptteil der nieder-
österreichischen Veranstaltung. Weitere Obiekte
hierzu aus den Sammlungen des Völkerkunde-
museums, Wien, sowie der Sammlung Walter Exnerl
Bad Wildungen, BRD.
Eduard Bäumer - Ausstellung in memoriam
Bei Redaktiansschluß Vorbereitung zur großen Aus-
stellung im Gedenken an den Maler Eduard Bäumer.
Verdienter Lehrer an der Hochschule für ange-
wandte Kunst in Wien von 1948 bis 1963. 300 Werke,
Malerei und Graphik, werden umfassend sein male-
risches Schaffen darlegen. Bäumer ist in München
am 21. Jänner 1977, nach Besuch der Kandinsky-
Ausstellung, Opfer eines Verkehrsunfalles geworden.
Gemeinsam mit Angelica Bäumer, der Tochter des
Künstlers, wird das Museum dem Künstler eine
würdige Repräsentation einrichten. Die Galerie Welz,
Salzburg, hat dankenswerterweise eine reich aus-
gestattete Publikation, als Buch und Katalog, ediert.
Seminare
Parzellanseminare „Meißener Marken": Seminar IV
ab Dezember 1977, beginnend am 4., 6. und
7. Dezember 1977, ab dann ieweils an drei Wochen-
tagen ab 17.30 Uhr. Anmeldungen hiezu werden in
der Reihenfolge ihres Einlongens berücksichtigt.
Fotoseminare „Einführung in die experimentelle
Fotografie": bis 21. November 1977 allgemeine
Seminarezum Thema für fotografisch Fortgeschrittene
an iedem Freitag. Ab 21. November 1977 zwei
weitere Seminare für KunsterzieherlAnfänger und
Fortgeschrittene. Jeweils an Montagen für Fort-
geschrittene, an Dienstagen für Anfänger um
16 Uhr. Die allgemeinen Seminare (s. o.) laufen
weiterhin an Freitagen, 15 Uhr, für jedermann
zugänglich. L n,
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Zwischen Industrie und Kunst
Ausstellung der Textilabteilung
der staatlichen Akademie der
bildenden Künste Stuttgart -
Studierende und Absolventen der
Klasse Prof. Leo Wollner
Altes und Neues Haus
Säulenhof und Parterresaal
Wien 1, Stubenring 5
22. 6.-31. 7. 1978
Zum leider nicht allzu stark frequentierten Ort der
Begegnung künstlerischer Jugend Westdeutsdi-
lands und Österreichs wurde das Museum in diesem
Sommer mit der Ausstellung „Zwischen Industrie
und Kunst". Einstmals hieß das Haus Österreichi-
sches Museum für Kunst und Industrie. Ob die Titel-
findung vor hundert Jahren, sicher wohl überlegt,
heutigen Realitäten nioht Vorgriff? Wir vermerken
hier auch den Essay in Heft 152 der Zeitschrift mit
dem Untertitel „Aspekte einer industriellen Kunst".
Kunst und Industrie sind auf Zukunft gesehen nidit
voneinander zu trennen. Heute weniger denn ie.
Der Wiener Leo Wollner, Professor und Leiter der
Textilabteilung an der Stuttgarter Akademie -
neben Hoflehner, Hrdlrcka unser Mann in Stuttgart-,
brachte ein klares Konzept der Präsentation der
Ausstellung mit. Räumlich vom Säulenhof in den
Parterresaal des Neuen Hauses kommunizierend,
überraschte er mit einer Menge neuer gestalterischer
Einfälle. Zum Teil werden von der Ikonen-Schau
stehengebliebene Wände im Säulenhof neu formiert
und mit der festen Architektur einfach verbunden.
Eine lockere Kimono-Demonstration stelzte zentral
in der Säulenhofmitte unter flatterndem Bänder-
tall. Textilbahnen mit Namen der Designer drüber
her. - Demonstration des Designs im Design.
Von den Arbeiten her leicht herauslesbor die Prin-
zipien einer methodischen Erziehung eines Studenten
der angewandten Kunst. Nichts und niemand ver-
ändert heute stärker durch seine eben angewandte
Kunst die Umwelt des Menschen wie der Designer.
Ganz gleich in welohem Teilbereich. Meist universal
ausgebildet und ausgerichtet, hat der Designer
stärksten Anteil an der unmittelbaren, der Intim-
sphäre des Mensdien, ist er in der Lage, diese,
ästhetisch und funktionell, entsprechend optimal
zu formen.
Die Heranbildung von Kunststudenten ist allerorten
annähernd gleich. Grundstudium von der Natur,
dem Menschen, dem Tier. Vorerst einfache Etüden
in Strich und Aquarell, weiters Erfassen und
Erkennen der großen Form, der organischen und
strukturellen Grundgesetzlichkeiten solcher.
Abwandeln und Hinüberwechseln von der natür-
lichen Form über Studien zu Stil, Ornament, generell
zur freien Form. Einige Beispiele der Stuttgarter,
in gutem Kontrast, stellen dies unter Beweis. Man
stellt die starke leitende Hand eines einfühlenden
Lehrers, der Individualität entwickeln läßt, fest.
Leo Wollner, Schüler von Professor Wimmer-
Wisgrill, Mitarbeiter Josef Hoffmanns, wurde 1957,
also vor genau 20 Jahren, beauftragt, die Textil-
abteilung an der Stuttgarter Akademie zu über-
nehmen. Ihm gelang überzeugend, die vom Krieg
schwer mitgenommene Abteilung zu reformieren
und aufzubauen. Van Beginn an auf Prax nähe aus,
stellte er ein denkbar gutes Wechselverhaltnis zur
Industrie her, die als potentieller Auftraggeber dem
Designer von heute alle Möglichkeiten bietet. Mit
der Schau „Zwischen Industrie und Kunst" parodier-
ten die Stuttgarter 1976 vorerst in Baden-Württem-
berg mit Erfolg, sich damit, „unbestritten zu den
bedeutendsten Ausbildungsstätten des Textil-Design
gehörend", profilierend. Gar nicht am Rande ver-
merken wollen wir, daß Leo Wollner der Abteilung
doch einiges „Wienerische", nicht zum Nachteil,
mitgeben konnte. Man begegnet dem Quadrat,
frischemaus Jugendstilischem kommenden Ornamen-
tationen, treffendem Motiv- und Wortwitz sowie
kreativem Bewußtsein und einem Fertigungsstreben
nahe der Perfektion. Wollner steht somit in der
Reihe iener hervorragenden Lehrer, die in einer
bestimmten Weise ienseits der Grenzen, gut „öster-
reichisdi", befruchtend wirken wie namhafte
Kollegen aus Deutschland reziprok hier vor öster-
reichischen Schülern.
Neben köstlich frischen Neuentwürfen ideenreicher
Eleven zeigte die Schau ausgewogene Fertig-
produkte arrivierter Textildesigner, die weithin
schon in Europa und den USA wirken.
Die Rektoren der zuständigen Institute, Professor
Dr. Wolfgang Kermer, Staatliche Akademie der
bildenden Künste Stuttgart, Prof. Arch. Johannes
Spalt und Amtsvorgänger Prof. Carl Unger, Hoch-
schule für angewandte Kunst Wien, sowie der
Direktor des Hauses, Wirkl. Hofrat Prof. Dr. Wilhelm
Mrazek, konnten mit dieser Ausstellung unter Beweis
stellen, daß man Studienergebnisse und Arbeiten
aus dem einschlägigen Bereich vorzüglich und
öfter, im wechselseitigen Austausch, präsentieren
konnte und sollte. Befruchtend für beide Seiten
oder mehrere im Sinne iener Bestrebungen, die
behütend über den Grundaufgaben aller Akademien
für angewandte Kunst und derer, die am Fortschritt
allgemein interessiert sind, stehen.
Hans Mayr -
Amerikanische Impressionen 77
Katalog Neue Folge Nr. 46
Altes Haus, Saal I
Wien 1., Stubenring 5
2. 7.-21. 8. 1977
Fotoausstellungen sind mehr und mehr zu starken,
ständigen Anziehungspunkten des Museums
geworden. Sowohl der professionelle als auch der
heute international massive „Hobby-Fotograf", also
der Amateur, haben hier Gelegenheit, Aktuelles
aus diesem Medium zu sehen, darin auf dem
laufenden zu bleiben. Mit Haas, Adams, Kühn waren
bisher echte Meister der neueren fotografischen
Kunst hier vertreten. Fast gleichzeitig mit der Aus-
stellung der „Schweizerischen Fotografie von 1840
bis heute" ist Hans Mayr eingezogen. Der nicht die
Pose liebt, kein großes Tamtam um seine foto-
grafische Kunst macht. Quasi hemdsärmelig Amerika
im Vorübergehen fotografiert, dennoch ernsthaft,
in echter Auseinandersetzung. Als Fotograf von
Natur aus impressionabel, nennt er das Ergebnis
„Amerikanische Impressionen".
Mayr hat keine Masche, wenngleich kenntlich durch
„sein" ewiges Mascherl. Mayr wirft sich, wenn's
not tut, vor superben Bildgelegenheiten zu Boden,
„schießt" aus vertracktesten Positionen. Schießt
schnell, unkompliziert, stochert nicht lange mit dem
Obiektiv in die Gegend. So sammelte er auf seinem
Weg durch clie USA seine Imagination Amerika.
Vorerst ohne Absicht, diesen Trip fotografierend
zu unternehmen. Vielgeplagter Fotograf, die
Prösidentenbürde des Wiener Künstlerhouses auf
Schultern, stand er auf Leerlauf. Um sein Aggregat
neu aufzuloden, sich einfach visuell anzureichern.
Natürlich rechnete er nicht mit sich selbst. Anstatt
des notierenden Bleistifts, notierte er Amerika denn
dodi mit seiner alten Kamera. Kapitulierte (natürlich)
vor dern noch immer für den Europäer so himmel-
stürmenden Element amerikanischer Hocharchitektur.
Ebenso vor verkitscht-romantischer Silhouette
neogotischer High-Schools und Universitys im
„Love Stary-Sonnenuntergangscolor". Eine soge-
nannte Wunderblume in Kalifornien, obwohl
„natürlich", empfindet er wie aus Plastik.
Washington, Boston, Chikago, San Franziska,
Kalifornien, die großen Stationen und Regionen, die
Mayr abreiste. Als seine „Für-alIe-Fälle"-Kamera
den Geist anfänglich zu früh aufgab, „erruchelte"
er sich (knapp an Dollars) um 50 Dollar eine zufällig
gleich alte „Neue". Hans Mayrs „Amerikanische
Impressionen 77" sollten kein großartiger Zyklus
werden. Doch verbanden sich eine Reihe von Bildern
p. e. die aus San Franziska zur aufeinander abge-
stimmten einheitlichen Gruppe ebenso wie in
Chikago geschossene Motive. Anderseits spürte er
mit distanziert-wägendem europäischem Auge harte
Einzelkontraste des amerikanischen Erscheinungs-
bildes auf. Drang mit seiner Kamera in Diskussionen
um die Präsidentenwahl Carter - Ford ein, um das
Schwankende, die Ungewißheit in Votierenden
selber festzuhalten.