12 EI Greco. Verkündigung. Lugano, Sammlung Thys-
sen-Bomemiza
12 EI Greco. Verkündigung. Lugano, Sammlung Thys-
sen-Bornemlza
Anmerkungen 13-20
u Zwischen der symbolischen, aber nicht abbildenden Funktion der
in die Bildstruklur eingegangenen Flammenforrrl und der symbo-
lrsch-emblematischen Bedeutung der Abbildung von Feuer muß
scharf unterschieden werden Diese letztere Möglichkeit etwa bei
einem hervorragenden englischen Zeitgenossen crecds, dem Lo-
mezzo-Kenner Nicholas Hilliard, der in einem hbfischen Miniatur-
portrat des Victorle 8 Albert Museums, London, einen Mann vor ei-
nem Hintergrund von Feuerflammen _ Symbol seiner Leidenschaft
- darstellt. Vgl, Erna Auerbach, Nicholas Hilliard, London 1961,
S. 137
" Nach dem Servius-Kommentarzu Vergil wird Laokdon getotet, weil
er die Ihm gebotene Keuschheit im Tempel des Gottes vor seinem
Standbild gebrochen hatte. Zitiert bei E.W Palrn, EI Grecos Lao-
koon. in Fanthaon 1969. S. 132 u. Anm. 30.
Die hier genannten. nicht abgebildeten Gemälde finden sich in der
einscnlegigen rncnographischen Literatur uber crecb. gute Re-
produktionen bei H.E. weiliey, a.a.O.
" Was etwa mit -Lebendige Liebesllamme- übersetzt werden kann.
" Diese Bildstruktur und der Ausschlui! des Architektonischen be-
deuten einerseits eine starke asthetische Autonomisierung des
Bildes, andererseits aber wird das Bild unerhört empfindlich und
sensibel gegen die iseriinriirig mit seiner ganz anders beschaffe-
nen Umwelt. Daher brauchen die BilderGrecos erst recht den Bei-
stand des Arcnitektonisciien in der Ranmung - in der Fassung,
welche die beiden Wirklichkeiten gegeneinander abgrenzt, diine
sie einander zu verschließen. Deshalb ist Greco auch aufgrund sei-
ner Bildform und nicht nur durch die auftraggeberische Situation
disponiert. stets die Rahmungen und Retabelerchltekturen fur
seine Bilder selbst zu gestalten. Schließlich " den sich aus diesen
Verhältnissen auch die geradezu revolutionären Neuerungen er-
klären, die Greco in die spanische Fletabelkunst gebracht hatedie
Reduzierung auf ein bzw. wenige Bilder, die Vorwegnahme des
portalmeißig aufgebauten Ftetaceltabernakels des Barock, was
H. Soehner erkannt (a.a.D., 196D, S. 173 ff.l, aber unzutreffend aus
einem naturalistischen lllusionismus Grecos erklärt hat, ders 1 Ein
Hauptwerk Grecos. die Kapelle San Jose in Toledo. in: Zeitschr.
f Kunstwiss. 5d. XI, 1957. S. 195 f.
Ein Oxymoron in einem Sonett des Fray Hortenslo Felix Paravicino
aiir Greco zeigt. wie genau die Zeitgenossen dieses Feurige bei
Greco empfunden haben. Es heißt dort, Jupiter habe seinen Blitz
auf die Farben des Malers geschleudert, so daß sie wie rrbrennen-
der schnee- (nieve encendida) wurden. (Obras püsfhumas divinas
y nurrieriae de Don Felix de Artega, Madrid 164i, fol. sa recto)
" Vgl. Ernst Strauss, zu den Anfangen des Helldunkels, in. Hefte d.
Kunsthisi Seminars d, Universltat Munchen. 2, 1959. wlederabge-
dr. in E.S.. kdldrirgescnicnrlicne Untersuchungen zur Malerei seil
Gloito. MurichenlBerlin. 1972, S, 25 ff.
Es handelt sich hier bei Greco nur urn die besondere Form eines
viel umfassenderen epochalen Phariomens in der Geschichte des
Koldrits. i-denn die naciiniitleiaiterliche Malerei, zumindest soweit
sie ausgesprochene Helldunkelmalerei ist wie die nlederlandische
seit den Eycks und die der romanischen Länder allgemein seit der
Wende zum ls Jh . basiert auf elnerKoloristlk, die slCh, strengge-
nornmeri, nirgends in einer totalen Buntfarbigkeit erfüllt, sondern
hervorgeht aus einer hochst komplexen Wechselbeziehung zwi-
schen der Farbe und solchen eildelernenien. die (in Ermangelung
eines treiienderen Ausdrucks) vorliaulig als Jarbfeindiich- be-
zeichnet werden sollen - e Ernst Strauss, ZurWeserlsbestlmmung
der Bildfarbe. a.a.O. 1972.
" Demgegenuber bezeichnet strairss, ebenda s. 20. die luminose
Verfassung der Farbe a und Grecos Farbe ist luminos im hochsten
Grade - als "dynamische und wgelost-i. Doch will es scheinen. als
sei die Farbe irn Zustande der Lumlnositat grund-
saizlicii passiv, dann dynamisch und gelost ist dabei nicht sie
selbst. sondern die sie uhersteigenden und ihr deindlich- zuge-
ordneten Prinzipien von Licht und Dunkel. deren Wirkung an der
Farbe Strauss. S. 21. treffend so beschreibt: -lri einer lumlndsen
Malerei mufl die Duollkraft des Lichtes durchdrlngend genug er-
scheinen, um die Bunthell von innen heraus uber sich hinauszu-
heben. Zu spiritualisieren Sie erhelltdle Farbe nicht so sehr. als
daß sie sie verklert Dementsprechend kann das ästhetische Dun-
kel den Dunkelheitsgrad einer Buntheit nicht eigentlich vertiefen.
Aber In dem Maße. wie das Dunkel die Buntheit -urrlilort-, verhin-
dert es sie an ihrer vollen Entfaltung. kann es Sie sozusagen schon
lm Keim ersticken n
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Ü Anschrift des Autors:
Dr. Andreas Prater
Assistent am Institut für Kunstgeschichte
der Universität München
Georgenstraße 7
D-BOOO München 40
"Temperierungii. In einem mittleren Abstand er-
gibt sich die größte Wirkungsfülle".
Diese formale Struktur mit ihren eigenen sinntra-
genden Konsequenzen ist durch eine zweite eben-
so zentrale und ihr nah verwandte überlegen. Sie
betrifft den Charakter und die Bedeutung des Hell-
dunkel, das sich nicht oder nur teilweise aus je-
nem ersten, primären Formprlnzip erklärt. Bei dem
irBüßenden Hieronymus" in Washington (Abb. 13),
ebenfalls aus der letzten Phase Grecos, büßt die
Farbe ihre Sinnlichkeit ein. Sie wird zum absolu-
ten Gegenteil der venezianischen Farbe und
nimmt damit das iihumileii Kolorit des barocken
spanischen Devotlonsbildes mit seinem oft
zur Ausschließlichkelt gebrachten Braun-Grau-
Schwarz vorweg. Im Bereich der Buntfarben ist eln
Zeichen dieser Unsinnlichkelt bei Greco oftmals
das Heraustreten der unverbundenen, scharfen
und grellen Töne zu disharmonlschen, iischmerz-
haftenrr Akkorden. stechende, gezerrte Buntfar-
ben neben ausgezehrtem lnkarnat oder wie bei
den meisten weltlichen Porträts ein Farbmilieu,
aus dem das Bunte wie unter einer blelernen Last
ausgepreßt und unterdrückt ist. Vom veneziani-
schen Kolorit herkommend, wirkt die Einbuße der
Tonigkeit und damit der sinnlichen Farbigkeit bei
Greco manchmal geradezu wie eine Buße für die
Sinnlichkeit der Farbe, denn als Möglichkeit, als
latente Versuchung stecken die Pracht und der Lu-
xus des Kolorits noch immer im farbigen System
Grecos. So gibt es das Zurückdämmen und
ln-Fesseln-Schlagen des Bunten in den stren-
gen Auflagen eines Helldunkel, das weniger als
Schranke gegen die freie Entfaltung der plasti-
schen Form auftreten soll, sondern vielmehr seine
ganze unnachgieblge Harte gegen das Farbige
selbst richtet. Im Gegensatz zu spätmittelalterli-
chen und barocken Helldunkelstrukturen folgt das
Helldunkel beim späten Greco nicht einem genuin
farbigen Prinzip, sondern einem farblosenia. Seine
Eckwerte sind reines Schwarz und reines Weiß. Je-
de Farbe ist diesen Polen letztlich unmittelbar un-
terworfen, und fast immer werden die Buntfarben
gezwungen, ihren Buntgehalt, und das heißt hier:
ihr farbig-sinnliches Leben, dem Schwarz oder
Weiß bzw. polar beiden Werten auszuliefern. Der
Weg, welcher der Farbe zwischen diesen Polen
bleibt, um ihre Farbigkeit und Ihr Vermögen an
iiBuntleistungii zu entfalten, ist oft zu kurz, um ihr
eine echte farbige Gestalt zu verleihen. Das Farbi-
ge in der Farbe stirbt oft schon, ehe es nur gerade
geboren ist. In diesem kurzen Dasein, zwischen
den Klammern des Schwarz-Weiß und der gleich-
sam "absolutistischen-r Strenge des unbunten
Prinzips ausgeliefert, erscheint das farbige Insge-
samt in Grecos Bildern manchmal trist und uner-
löst. Was das heißt im Vergleich zu anderen
Helldunkel-Systemen, kann man sich verdeutli-
chen an der allumfassenden Versöhnung der Ge
gensätze in Rembrandts Braun und seinem (hier
nicht Gegen-, sondern) Komplementärpol, dem
Gelb"). Dieser Eindruck wäre bei Greco weniger
bestimmend, wenn er nicht mitgetragen würde
von einem ergänzenden und aus dem Schwarz-
Welß resultierenden Phänomen: der Herrschaft
des Grau. Wo das Helldunkel des Schwarz-Weiß
keine Handhabe am Gegenständlichen und somit
auch keine Möglichkeit hat, selbst unmittelbar
sichtbar zu werden, also etwa in Luft, Wolken,
überhaupt im Zwischenräumlichen, dorthin sen-
det es gleichsam als seinen beweglicheren Statt-
halter das flüssige Grau, welches, jeder Konzen-
tration und Verdünnung fähig, sich auch der flüch-
tigsten Substanzen annehmen und sie in Bann
schlagen kann. Dabei kommt dem Grau eine ganz
andere, aber nicht weniger gravierende Vormacht-
stellung über alles Farbige zu, als es beim Hell-
dunkel des Schwarz-Weiß der Fall Ist. Anders als
dieses hält es alles Farbige nicht so sehr In den
Grenzen seiner phänomenalen Entfaltungsmög-
lichkeiten, sondern in quasi genetischer Abhän-
gigkeit. Einmal ist Grau der Abkömmling der un-
bunten, unfarbigen Schwarzweiß-Polarität. Zum
andern beansprucht es auch seine Teilhabe an al-
len Farben des Spektrums - Grau entsteht auch
aus der Mischung aller Farben, es hat jede mögli-
che Farbe verinnerlicht, potentiell in sich be-
schlossen und damit gleichzeitig auch die indi-
viduelle Gestalt jeder einzelnen Farbe, die in
ihm eingeschmolzen ist, ausgelöscht. Umgekehrt
kann dabei aber auch jeder spezifische Farbton,
der im Wirkungsbereich des Grau sich erhebt, als
ein aus dem Unbunten entlassenes Farbmoment
erscheinen. Farbiges hat dann keine Freiheit
der Erscheinung aus sich selbst, sondern nur in
Abhängigkeit, sozusagen dank einer besonderen
wGunstu des Grau. in diesen Herrschaftsbereichen
des Unbunten spielt sich ein stetiges Drama der
Farbe ab, sie bemächtigt sich des Bildthemas in
mimetlscher Weise. Von einer ganz anderen Seite
herkommend, spiegelt sich auch hier der Vorgang
einer iiKatharsisir im lkonologlschen. Nicht so
sehr die Reinheit der einzelnen Farbe selbst -
auch das gibt es bei Greco -, sondern die Rein-
heit der farbigen Verhältnisse. ihrer Strenge und
Beherrschtheit. Dem Dynamischen bei Greco, das
in all jenen Bereichen anzutreffen ist, die in Re
lation zur anschaulichen Symbolhaftigkeit des
Flammenförmigen stehen, fehlt hier etwas Ent-
scheidendes. Dynamisch wäre es, wenn Aktion
und Reaktion, oder besser: die Passion des Farbi-
gen von einer Stufe zur anderen weitergetragen
würde, wenn eine folgenrelche farbige Induktion
stattfände. Dies ist jedoch kaum der Fall. Sowohl
die Sperren des spezifischen Helldunkels wie die
unfarbige Verbindung des Grau isolieren alles far-
bige Geschehen auf einen lokalen Bereich, aus
dem es nicht herausrelchen kann. Da es so kaum
ein Kontinuum im Farbigen gibt, entsteht auch
hier kein statisches Bild. Das kurze Leben der Far-
ben erscheint als um so intensiverer Eigenwert, je-
doch so sehr, daß das Eigene wertlos wird, weil
ihm die volle Nachbarschaft und Teilhabe des An-
dersfarbigen fehlt. Diese lsoliertheit der Farbe
kann bedrückende Zuge annehmen. Es wohnt et-
was von mönchlscherZüchtigung, Kasteiung und
Entleiblichung in ihr. In dieser Form der Reinheit
erscheint sie nicht strahlender, optimistischer,
sondern belastet, oft gequält und damit wohl in ih-
rem Wesen, nicht aber in ihrem Dasein reiner. In
der Beugung unter das Joch des farblosen Prin-
zips, im Ablegen der Üppigkeit ihrer sinnlichen
Wirkung entsteht gleichsam eine r-Poenitenzir im
Farbigen. Nirgends kommt es zur entspannten, er-
füllten Ruhe. Die unablässig flackernde Form tut
dazu ein übriges, an ihr kann sich die Farbe nicht
statisch halten und bleibt ruheloszo.
Licht und Finsternis sind bei Greco als Pole aufge-
faßt, die im Element des Feurigen zu Gegenstän-
den verschmolzen werden können und dabei Far-
be hervorbringen, aber auch jederzeit bereit sind,
sich in der Auflösung diesen Polen wieder zu nä-
hern. Deshalb stehen die Gestalten Grecos oft an
der Grenze zum Amorphen, und deshalb sind auch
Gebilde wie die Wolken in seinen Bildern eine ge-
radezu iikritische Forma - auf der Grenze zwi-
schen Stofflichkelt und Stofflosigkeit, Form und
Formlosigkeit. Dieses sichtbar gewordene DPHÖU"
man ist gewissermaßen die Matrix alles Gegen-
ständllchen, es steht - und darin erfüllt sich die
demiurgische Kraft des feurigen Elementes - auf
halbem Wege zur Gestaltwerdung aus einem Cha-
os von Licht und Finsternis und auf halbem Wege
des Zurücksinkens ins Ungeschiedene. Das Chao
tische ist eine Grunderfahrung vor vielen Bildern,
zumal im Spätwerk Grecos. Nicht das ruhende
Chaos, sondern ein sich auflösendes, in Form und
Farbe sich zertrennendes.
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