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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXIII (1978 / Heft 156)

che Varianten innerhalb einer einzelnen Regie- 
rungszeit erfaßt - dies wird erst nach weiterer 
langwieriger Suche möglich sein. Aber man darf 
doch schon sagen, daß die einfache Formel Kleins, 
nach der das Thronsiegel Pilgrims "nicht nur bis 
zum 16. Jahrhundert von seinen Nachfolgern, 
sondern auch von den Suffraganbischöfen nach- 
geahmt wurde"", nicht aufrechtzuerhalten ist. So 
genügt schon ein Blick auf das Siegel Erzbischof 
Gregors Schenk von Osterwitz (1396-1403) 
(Abb. 6). um eine Ähnlichkeit nicht mit dem großen. 
sondern mit dem kleinen Siegel Pilgrims (Abb. 5) 
festzustellen". Der kleine Baldachin, die Dreivier- 
telfigur des Erzbischofs mit Hoheitsgestus und 
Stab. das Weglassen des Thronsitzes, das Abset- 
zen der Umschriftszdurch schmale(Perl-)Stäbe,al- 
les das ist formal dem Sekretsiegel Pilgrims ent- 
nommen. Gekonnt und eigenständig aber werden 
bei dem Siegel Gregors die Wappen in die freie Flä- 
che komponiert. Abgesehen davon, daß dies nur 
ein erfahrener Goldschmied kann, braucht man 
nicht erst an die künstlerische Qualität der pracht- 
vollen, heute in den Sammlungen des Palazzo Pitti 
verwahrten "Greifenklauerc" Erzbischof Gregors 
zu erinnern, um nicht auch eine Entstehung dieses 
Siegelstempels in Salzburg vermuten zu können. 
Ganz gewiß ist solches für die Siegelstempel von 
Gregors Nachfolger, von Eberhard von Neuhaus 
(1403-1427), der Fall: Das Geschäftsbuch seiner 
Kanzlei, das im Salzburger Landesarchiv ver- 
wahrte "Registrum Eberhardi"'", nennt sowohl 
den Verfertiger des Elekten- wie den des Pontifi- 
katsiegels, nämlich Heinrich Hauptwein ("magister 
Hainricuse) und Vinzenz Plab (wmagister Vincen- 
tius"). beide Bürger und Goldschmiede zu Salz- 
burg". Leider habe ich noch keine gutabbildbaren 
Exemplare von Abdrücken beider Siegelstempel 
aufgefundenTrotzdem ist(aus Abb. 7)zu ersehen. 
daß das Pontifikatsiegel Erzbischof Eberhards (lll.) 
wieder nicht dem Thronsiegel Pilgrims "nachge- 
ahmt" worden ist und auch von den beiden vorher- 
genannten verschieden ist. Es wirkt viel "gold- 
schmiedhafter", gewiß nur eine persönliche Ei- 
genart des einen Goldschmiedes unter der er- 
staunlich großen Anzahl seiner damaligen Salz- 
burger Zunftgenossen und nicht ein Nachweis für 
die Entstehung an einem anderen Ort. Die Siegel 
Eberhards (IV.) von Starhemberg (1417-1429) 
(Abb. 8) und Johanns von Reisberg (1429-1441) 
(Abb. 9) wiederholen im wesentlichen das Siegel- 
bild Gregors von Osterwitz. Bei Friedrich Truchseß 
von Emmerberg (1441-1452) (Abb. 11) ist die Drei- 
viertelfigur des Erzbischofs durch die herabgezo- 
genen Außenstreben des Baldachins in einen 
s-Schrein" gestellt worden, auch die Wappen sind 
von einfachen Baldachinen bekrönt. 
Wohl nur bei dem großen Thronsiegel Sigmunds 
von Volkensdorf (1452-1461) (Abb. 10) kann man 
mit Klein behaupten. daß es in seinem formalen 
Aufbau - selbstverständlich ist der "Stil" der thro- 
nenden Gewandfigur ein anderer- dem Thronsie- 
gel Pilgrims nachgeahmt worden ist. Doch nicht 
nur die Kielbogen im oberen Teil des Baldachins, 
auch die dort angebrachten, auf Konsolen sitzen- 
den Löwen ebenso wie die die seitliche Teile "tra- 
genden" (Narren?-)Figuren unter den Wappen 
weisen auf das fortgeschrittene 15. Jahrhundert 
hin. Wie sehr bis in kleine Einzelheiten auch dieses 
prachtvolle Siegel in die Meisterwerke der Salz- 
burger Goldschmiedekunst einzuordnen ist, be- 
weist zum Beispiel ein Vergleich der Aufhängung 
des Thronvelums mit der des Vorhanges in dem 
Relief mit der Darstellung der Geburt Mariens an 
den Flügelinnenseiten des 1443 entstandenen Ma- 
riapfarrer Silberaltärchensßs. Das kleine Siegel 
Sigmunds jedoch (Abb. 12), das von dem seines 
Nachfolgers Burkhard von Weispriach(1461-1466) 
(Abb. 14) nnachgeahmt" wurde, kennzeichnet 
Sigmund von Volkensdorf als einen der Neuerer in 
bezug auf die Gestaltung des Siegelbildes. Denn 
über der "Thronnische" mit der Dreiviertelfigur 
des Erzbischofs ist ein kleines Relief angebracht, 
das sich durch die darüber befindliche Inschrift 
w-hic est filius meus dil(e)ct(us)" eindeutig als Dar- 
stellung derJordantaufeChristi(Matthäus 3.1347) 
erweist. Die Zusammenfügung eines spätmittelal- 
terlichen Herrscherbildes mit dieser Szene wird 
kaum einem Zufall entsprungen sein; inwieweit 
solches aber mit der Kommentierung der Jordan- 
taufe als Messiasweihe bzw. Messiasprcklama- 
tion" zu tun hat. wird noch zu klären sein. Einst- 
weilen darf nur vermutet werden, daß vielleicht 
zwischen der Messiasweihe (Markus 1.11), die ja 
(laut Apostelgeschichte 10,38) in der nSalbung mit 
dem Heiligen Geist bestand", und der Bischofs- 
weihe, die erst die rechtliche Grundlage für die 
Verwendung des erzbischöflichen Siegels war, 
doch ein gedanklicher Zusammenhang herzustel- 
len versucht worden ist. 
Die Siegelbilder Bernhards von Rohr (1465-1482, 
+ 1487). Johann Peckenschlagers (ab 1482 Koad- 
jutor und Administrator, 1487-1489 Erzbischof), 
Friedrichs von Schaumburg (1489-1494), Sig- 
munds von Holneck (149M1495) und schließlich 
Leonhards von Keutschach (1495-1519) (Abb. 13 
und 15-18) sind - bis auf die Familienwappen- na- 
hezu identisch. Alle sie unterscheiden sich aber 
von allen früheren "Gruppen" in einem ganz we- 
sentlichen Punkt: Der Nimbus um das Haupt der 
mit Hoheitsgestus und Stab thronenden Herr- 
schergestalt (die bezeichnenderweise kein Pallium 
trägt) gibt eindeutig Auskunft, daß hier nicht der 
jeweils regierende Erzbischof. sondern der nun in 
der Schar der Heiligen weilende Gründer des Salz- 
burger Bistums, der heilige Rupert, v-abgebiidet" 
ist. Der Erzbischof selbst ist in kniender betender 
Haltung in bedeutend kleinerem Maßstab in einer 
eigenen "Nische" im unteren Teil des Siegelbildes 
dargestellt. Man spricht bei solchen Abstufungen 
oft von nßedeutungsmaßstabe. AberWilhelm Mes- 
serer" hat darauf aufmerksam gemacht. daß über 
ein objektives Bedeutungsverhältnis. etwa von 
geistlicher und weltlicher Macht, durch solch ei- 
nen ßMaBstab" nichts ausgesagt ist, In unserem 
Falle ist also nicht die Bedeutung des Siegelbildes 
anders geworden. wohl aberdessen "leitender Ge- 
sichtspunkw". Ob damit bereits der gedankliche 
Übergang zu den reinen Wappensiegeln der Neu- 
zeit seinen Anfang genommen hat, wird zu einem 
späteren Zeitpunkt - nach Aufarbeitung des dies- 
bezüglichen Materials - zu überprüfen sein. Dann 
erst wird es auch möglich werden, eine vKunstge- 
schichte" des Siegels im Erzbistum Salzburg zu 
schreiben. 
E1 Anschrift des Autors: 
Franz Wagner 
Kustos am Salzburger Barockmuseum 
Mirabellgarten 
A-5024 Salzburg 
Anmerkungen 80-89 
"' Herbert Kiain. Salzburg um 1400. in: Aussienungskaiaiog -senöne 
Maaennem. Salzburg 1965. s. 1923. hier s. 2:1. 
Die Probleme um die spatgotischen Salzburger Sekret- und Elek- 
xensiegei mussen an anderer Stelle besprochen werden. 
Ausfünriieru Paula Kreiselmeyer-Woschnagg, Die Serum au! den 
Siegeln der Salzburger Erlbischöle und deren innerönerreichi- 
Scher! Sulfrigarihisßhöle von 958-1540. in: ArchiviürSchreib- und 
Buchwesen, 3. Leipzig 1929, S. 11723. 51-65 und 133-141. 
" Fiussacher wie Anm. 65. Tafel 8 und Kai. Nr. 18. 
u Flill Koller, -Registrum Eberhardie. D85 Register EIZbiSChOUS 
1R 
n 
.2 
Eberhard m von Salzburg (14oa-1427). i: Staatspniiungsarbeii 
arn lnstilul iur Ostern Gsschichtsiorschung. vsm. nhgelichtetes 
Ms. irn L esareniv Salzburg. 
ß Wagner Anm. s. 5.71. 
" Wagner wie Anm. s. Kai. Nr. so au! s. 95-96. 
" Jesar Schmid. Regensburger Neues Testament. Regensburg 
1958159. Anm. bei Markus 1,9 und Matthäus 3.13. 
u Wilhelm MBSSQTBY, Zu einer Grammatik der mittelalterlichen 
Kunstspraohe. in: Mitteilungen derGes. i. vergl. Kunstiorscnungin 
Wien. 29. 1977, Hefl 3M, S. 1-6. hier S. 2. 
" Messerer. ebenda. 
 

	        
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