che Varianten innerhalb einer einzelnen Regie-
rungszeit erfaßt - dies wird erst nach weiterer
langwieriger Suche möglich sein. Aber man darf
doch schon sagen, daß die einfache Formel Kleins,
nach der das Thronsiegel Pilgrims "nicht nur bis
zum 16. Jahrhundert von seinen Nachfolgern,
sondern auch von den Suffraganbischöfen nach-
geahmt wurde"", nicht aufrechtzuerhalten ist. So
genügt schon ein Blick auf das Siegel Erzbischof
Gregors Schenk von Osterwitz (1396-1403)
(Abb. 6). um eine Ähnlichkeit nicht mit dem großen.
sondern mit dem kleinen Siegel Pilgrims (Abb. 5)
festzustellen". Der kleine Baldachin, die Dreivier-
telfigur des Erzbischofs mit Hoheitsgestus und
Stab. das Weglassen des Thronsitzes, das Abset-
zen der Umschriftszdurch schmale(Perl-)Stäbe,al-
les das ist formal dem Sekretsiegel Pilgrims ent-
nommen. Gekonnt und eigenständig aber werden
bei dem Siegel Gregors die Wappen in die freie Flä-
che komponiert. Abgesehen davon, daß dies nur
ein erfahrener Goldschmied kann, braucht man
nicht erst an die künstlerische Qualität der pracht-
vollen, heute in den Sammlungen des Palazzo Pitti
verwahrten "Greifenklauerc" Erzbischof Gregors
zu erinnern, um nicht auch eine Entstehung dieses
Siegelstempels in Salzburg vermuten zu können.
Ganz gewiß ist solches für die Siegelstempel von
Gregors Nachfolger, von Eberhard von Neuhaus
(1403-1427), der Fall: Das Geschäftsbuch seiner
Kanzlei, das im Salzburger Landesarchiv ver-
wahrte "Registrum Eberhardi"'", nennt sowohl
den Verfertiger des Elekten- wie den des Pontifi-
katsiegels, nämlich Heinrich Hauptwein ("magister
Hainricuse) und Vinzenz Plab (wmagister Vincen-
tius"). beide Bürger und Goldschmiede zu Salz-
burg". Leider habe ich noch keine gutabbildbaren
Exemplare von Abdrücken beider Siegelstempel
aufgefundenTrotzdem ist(aus Abb. 7)zu ersehen.
daß das Pontifikatsiegel Erzbischof Eberhards (lll.)
wieder nicht dem Thronsiegel Pilgrims "nachge-
ahmt" worden ist und auch von den beiden vorher-
genannten verschieden ist. Es wirkt viel "gold-
schmiedhafter", gewiß nur eine persönliche Ei-
genart des einen Goldschmiedes unter der er-
staunlich großen Anzahl seiner damaligen Salz-
burger Zunftgenossen und nicht ein Nachweis für
die Entstehung an einem anderen Ort. Die Siegel
Eberhards (IV.) von Starhemberg (1417-1429)
(Abb. 8) und Johanns von Reisberg (1429-1441)
(Abb. 9) wiederholen im wesentlichen das Siegel-
bild Gregors von Osterwitz. Bei Friedrich Truchseß
von Emmerberg (1441-1452) (Abb. 11) ist die Drei-
viertelfigur des Erzbischofs durch die herabgezo-
genen Außenstreben des Baldachins in einen
s-Schrein" gestellt worden, auch die Wappen sind
von einfachen Baldachinen bekrönt.
Wohl nur bei dem großen Thronsiegel Sigmunds
von Volkensdorf (1452-1461) (Abb. 10) kann man
mit Klein behaupten. daß es in seinem formalen
Aufbau - selbstverständlich ist der "Stil" der thro-
nenden Gewandfigur ein anderer- dem Thronsie-
gel Pilgrims nachgeahmt worden ist. Doch nicht
nur die Kielbogen im oberen Teil des Baldachins,
auch die dort angebrachten, auf Konsolen sitzen-
den Löwen ebenso wie die die seitliche Teile "tra-
genden" (Narren?-)Figuren unter den Wappen
weisen auf das fortgeschrittene 15. Jahrhundert
hin. Wie sehr bis in kleine Einzelheiten auch dieses
prachtvolle Siegel in die Meisterwerke der Salz-
burger Goldschmiedekunst einzuordnen ist, be-
weist zum Beispiel ein Vergleich der Aufhängung
des Thronvelums mit der des Vorhanges in dem
Relief mit der Darstellung der Geburt Mariens an
den Flügelinnenseiten des 1443 entstandenen Ma-
riapfarrer Silberaltärchensßs. Das kleine Siegel
Sigmunds jedoch (Abb. 12), das von dem seines
Nachfolgers Burkhard von Weispriach(1461-1466)
(Abb. 14) nnachgeahmt" wurde, kennzeichnet
Sigmund von Volkensdorf als einen der Neuerer in
bezug auf die Gestaltung des Siegelbildes. Denn
über der "Thronnische" mit der Dreiviertelfigur
des Erzbischofs ist ein kleines Relief angebracht,
das sich durch die darüber befindliche Inschrift
w-hic est filius meus dil(e)ct(us)" eindeutig als Dar-
stellung derJordantaufeChristi(Matthäus 3.1347)
erweist. Die Zusammenfügung eines spätmittelal-
terlichen Herrscherbildes mit dieser Szene wird
kaum einem Zufall entsprungen sein; inwieweit
solches aber mit der Kommentierung der Jordan-
taufe als Messiasweihe bzw. Messiasprcklama-
tion" zu tun hat. wird noch zu klären sein. Einst-
weilen darf nur vermutet werden, daß vielleicht
zwischen der Messiasweihe (Markus 1.11), die ja
(laut Apostelgeschichte 10,38) in der nSalbung mit
dem Heiligen Geist bestand", und der Bischofs-
weihe, die erst die rechtliche Grundlage für die
Verwendung des erzbischöflichen Siegels war,
doch ein gedanklicher Zusammenhang herzustel-
len versucht worden ist.
Die Siegelbilder Bernhards von Rohr (1465-1482,
+ 1487). Johann Peckenschlagers (ab 1482 Koad-
jutor und Administrator, 1487-1489 Erzbischof),
Friedrichs von Schaumburg (1489-1494), Sig-
munds von Holneck (149M1495) und schließlich
Leonhards von Keutschach (1495-1519) (Abb. 13
und 15-18) sind - bis auf die Familienwappen- na-
hezu identisch. Alle sie unterscheiden sich aber
von allen früheren "Gruppen" in einem ganz we-
sentlichen Punkt: Der Nimbus um das Haupt der
mit Hoheitsgestus und Stab thronenden Herr-
schergestalt (die bezeichnenderweise kein Pallium
trägt) gibt eindeutig Auskunft, daß hier nicht der
jeweils regierende Erzbischof. sondern der nun in
der Schar der Heiligen weilende Gründer des Salz-
burger Bistums, der heilige Rupert, v-abgebiidet"
ist. Der Erzbischof selbst ist in kniender betender
Haltung in bedeutend kleinerem Maßstab in einer
eigenen "Nische" im unteren Teil des Siegelbildes
dargestellt. Man spricht bei solchen Abstufungen
oft von nßedeutungsmaßstabe. AberWilhelm Mes-
serer" hat darauf aufmerksam gemacht. daß über
ein objektives Bedeutungsverhältnis. etwa von
geistlicher und weltlicher Macht, durch solch ei-
nen ßMaBstab" nichts ausgesagt ist, In unserem
Falle ist also nicht die Bedeutung des Siegelbildes
anders geworden. wohl aberdessen "leitender Ge-
sichtspunkw". Ob damit bereits der gedankliche
Übergang zu den reinen Wappensiegeln der Neu-
zeit seinen Anfang genommen hat, wird zu einem
späteren Zeitpunkt - nach Aufarbeitung des dies-
bezüglichen Materials - zu überprüfen sein. Dann
erst wird es auch möglich werden, eine vKunstge-
schichte" des Siegels im Erzbistum Salzburg zu
schreiben.
E1 Anschrift des Autors:
Franz Wagner
Kustos am Salzburger Barockmuseum
Mirabellgarten
A-5024 Salzburg
Anmerkungen 80-89
"' Herbert Kiain. Salzburg um 1400. in: Aussienungskaiaiog -senöne
Maaennem. Salzburg 1965. s. 1923. hier s. 2:1.
Die Probleme um die spatgotischen Salzburger Sekret- und Elek-
xensiegei mussen an anderer Stelle besprochen werden.
Ausfünriieru Paula Kreiselmeyer-Woschnagg, Die Serum au! den
Siegeln der Salzburger Erlbischöle und deren innerönerreichi-
Scher! Sulfrigarihisßhöle von 958-1540. in: ArchiviürSchreib- und
Buchwesen, 3. Leipzig 1929, S. 11723. 51-65 und 133-141.
" Fiussacher wie Anm. 65. Tafel 8 und Kai. Nr. 18.
u Flill Koller, -Registrum Eberhardie. D85 Register EIZbiSChOUS
1R
n
.2
Eberhard m von Salzburg (14oa-1427). i: Staatspniiungsarbeii
arn lnstilul iur Ostern Gsschichtsiorschung. vsm. nhgelichtetes
Ms. irn L esareniv Salzburg.
ß Wagner Anm. s. 5.71.
" Wagner wie Anm. s. Kai. Nr. so au! s. 95-96.
" Jesar Schmid. Regensburger Neues Testament. Regensburg
1958159. Anm. bei Markus 1,9 und Matthäus 3.13.
u Wilhelm MBSSQTBY, Zu einer Grammatik der mittelalterlichen
Kunstspraohe. in: Mitteilungen derGes. i. vergl. Kunstiorscnungin
Wien. 29. 1977, Hefl 3M, S. 1-6. hier S. 2.
" Messerer. ebenda.