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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXIII (1978 / Heft 156)

Eine der ersten großen Ausstellungen nach 1945, 
in der das Werk eines zeitgenössischen österrei- 
chischen Künstlers präsentiert wurde, war dem 
Maler Herbert Boeckl gewidmet. Boeckl zeigte da- 
mals in derAkademie der bildenden Künste in Wien 
einen großen Ausschnitt seiner hauptsächlich im 
Krieg und kurz danach entstandenen Arbeiten. In 
ihnen stand allemal der Mensch im Mittelpunkt, 
sowohl optisch als auch geistig! 
Dieser Mensch ist allerdings anders als jener, den 
keine halbe Generation vorher noch ein Faistauer. 
ein Egger-Lienz oder ein Sterrer gemalt hat. Alle 
Monumentalität ist dahin. Die Konturen werden 
unruhiger, die Farben bäumen sich reliefartig auf. 
Noch Boeckls Zeitgenossen Josef Dobrowsky, 
Sergius Pauser. auch Georg Merkel und in gewis- 
sem Sinne durchaus auch Carry Hauser hielten in 
ihren Werken an einem Menschenbild fest, das von 
einer Humanität geprägt war, die mit dem Positi- 
vismus des 19. Jahrhunderts und damit auch mit 
dem Glauben. daß sich das Gute letzten Endes 
doch durchsetzt, verbunden war. 
Schon bei dem 1883 (elfJahre vor Boeckl) gebore- 
nen und 1908 freiwillig aus dem Leben geschiede- 
nen Richard Gerstl sehen wirjedoch eine radikale 
lnfragestellung des Menschen. Dieser Maler. und 
nicht nur er, man könnte ebensogut auch Dichter 
wie Georg Trakl und Franz Kafka nennen. man 
könnte die Komponisten Schönberg und vor allem 
Berg anführen, dieser Maler also hat schon vor 
dem ersten Weltkrieg das kommende Unheil ge- 
spürt. Der Mensch (und mit ihm seine sichtbare 
Umwelt) wird undeutlich, unscharf. löst sich in ei- 
nen Aufschrei von Farben und Formen auf. Die 
Konturen werden zittrig, fließend. 
Herbert Boeckl war freilich ein anderer Typ als der 
Großstädter Gerstl. kein dekadenter Großstadt- 
mensch. Er kam aus Kärnten. Ein kraftstrctzender 
Mann bis zu seinem Tode. Von ihm gilt dasselbe 
wie von Oskar Kokoschka, der im Ausland lebte 
und den wir aus diesem Grunde nicht in diese Be- 
trachtung mit einbeziehen wollen. Sie bekannten 
sich zum Menschen und damit auch zur sogenann- 
ten gegenständlichen Malerei. 
Und trotzdem sehen wir auch bereits bei Boeckl. 
wie sich das Menschenbild auflöst. wie es sich 
wieder verdichtet und wieder verflüchtigt. Verglei- 
chen wir doch etwa das Selbstporträt von 1927 mit 
jenem von 1955160 oder gar mit dem Bild eKleiner 
Copertino-r. 1950. Wo ist hier noch das Antlitz des 
Menschen? Aufgelöst zur Fläche und Farbe! 
Von einem zweiten Kärntner, Clementschitsch, 
und dem Niederösterreicher Ferdinand Stransky 
gilt ähnliches. Bei Stranskys Bild nAm Strand-- 
(1938) ist die Pinselführung teigig und die Kontu- 
ren der Menschen lösen sich im Gelb des Strandes 
auf. Bei dem Wiener Alfred Karger, der ein uner- 
müdlicher, man möchte fast sagen ein besessener 
Zeichner nach dem lebenden Modell ist. der an- 
scheinend nie genug diesen Menschen in seiner 
Erscheinung (in jeder Beziehung) erkunden kann, 
bei diesem Maler. der immer wieder Porträts 
schafft. werden die Hintergründe sehr wichtig. Die 
Figuren scheinen manchmal von ihnen schier auf- 
gesogen zu werden. 
Trotzdem blieben alle diese Maler dem Menschen- 
bilde treu. Eine Arbeitsweise, die wohl aus einer in- 
neren Überzeugung kam. auch dann. wenn es dem 
einzelnen nicht bewußt war. Dabei wurden diese 
Künstler oft als überholt und nicht aktuell abgetan, 
da in den 50l60erJahren auch in Österreich die ab- 
strakten Strömungen dominierten und von den 
meisten Experten favorisiert wurden. Bei den Bild- 
hauern war es nicht viel anders, nur daß dort. viel- 
leicht auf Grund der Festigkeit des Materials. mit 
dem gebildet wurde. die Erscheinungen alle viel 
später einsetzten und die sogenannte abstrakte 
Phase zum größten Teil auch heute noch fortdau- 
ert.
	        
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