I Aktuelles KunstgeschehenlÖsterreich
Wien
Museum des 20. Jahrhunderts
Bruno Gironcoli
Beherrschend waren die Polyesterobjekte und Figuren-
gruppen. Beherrschend war (wieder einmal) der Schock.
Der Mensch ist überall unsichtbar gegenwärtig, obwohl
fast alle Objekte nur technische Gerätschaften zeigten.
Er ist gegenwärtig. um gequält. geschunden. verletzt,
verstümmelt. seines Menschseins beraubt zu einem zuk-
kenden Fleischbündel verwandelt zu werden. Was diese
kalten. oft in lockerem Gefüge arrangierten Objekte so
bedrückend macht. ist die grenzenlose Auswegiosigkeit.
das alleinige Aufzeigen ohne Stellungnahme. ohne in-
nere Anteilnahme. ohne Engagement. Eine sterile. von
allen technischen Errungenschaften geprägte Welt der
Un-Menschlichkeit. In Alfred Schmellers Vorwort zu dem
umfangreichen und informativen Katalog steht im letzten
Satz genau ein dutzendmal das Wort kein (bzw. keine).
Gironcoli: Negation. Aber wovon? Gironcoli will nicht
mehr als Aufzeigen. Was? Diese Welt! Es ist im Grunde
aber nur seine Welt! (7. 9-26. 10.1977) -(Abb. 1)
Retrospektive Neumarkt
Diese kleine Dokumentation. in einem Nebenraum neben
der großen Gironcoli-Ausstellung. zeigte eine andere
Welt. Keine sogenannte große Welt. keine Hinweise auf
Chile. auf Viet-Nam oder Brasilien, sie zeigte Fotos von
burgenländischen Handwerkern, die mithelfen. die alten
Bauernhäuser zu restaurieren. zeigte Fotos der Künstler.
der Politiker und immer wieder auch Kinder. die alle in
den Atelierhäusern lebten, die hier malten. modellierten.
dlchteten und Feste feierten. Eine Anzahl von Graphiken
bekannter österreichischer Maler, die in Neumarkt ent-
standen sind. sprachen vom Arbeitsklima. Verschiedene
Schriftstücke ließen die Entstehung dieses kulturpoliti-
schen Knotenpunktes im burgenländischen Leben ein-
sichtig werden. Ein Katalog hält die vielen Stadien der
mit dem Namen Feri Zotter verbundenen Adaptierungen
dieses Knotenpunktes und die folgenden Aktivitäten fest.
(14. 9-13. 11. 1977) - (Abb. 2)
Adolf Wölfli
Eine großartige und reiche Schau. die von der Adolf-
WölfIi-Stiftung und dem Kunstmuseum Bern organisiert
wurde. Wölfli. der die längste Zeit seines Lebens in einer
psychiatrischen Heilanstalt verbrachte. war ein von Bil-
dern Besessener und verstand. die aus ihm brechende
Flut von Geschautem In seiner ihm eigenen Form wie-
derzugeben. Wir finden erstaunlicherweise viele archety-
pische Formen, die genauso in romanischen. in byzanti-
nischen. in keltischen. aber auch in indischen Darstel-
lungen ihren Niederschlag im Laufe der Jahrhunderte ge-
funden haben. Wölfli verbindet scheinbar mühelos und
flüssig die Strenge des Ornaments mit Schriftbildern, er-
findet sich ein eigenes Formenvokabular. montiert aus
Werbeschriften Collagen. dichtet und komponiert. ist un-
erschöpflich in seiner Aussage. Eine Fotodokumentation
ergänzt die Werke sehr geschickt. sie zeigt die Lebens-
umgebung. die Menschen der Zeit. in der Wölfli lebte.
Der Katalog. ein umfangreiches, sehr schön ausgestatte-
tes und mit einigen sehr interessanten Essays versehenes
Buch, ist unbedingt zu empfehlen! (9. 11.-11. 12. 1977)
- (Abb. 3)
Akademie der bildenden Künste
und Secession
Fritz Wotruba
Eine sehr umfassende und wichtige Gedächtnisschau
des verstorbenen Meisters zu seinem 70. Geburtsta. In
der Secession war ein sehr schöner Überblick mit der
Großen Liegenden als Zentrum. Neben den wenigen
Werken der früheren Schaffensperioden. die noch Spu-
ren der Bildhauerepoche der zwanziger Jahre zeigten.
die eine leichte Neigung zu einem monumentalen Rea-
lismus wiesen. konnte man deutlich bei den Arbeiten
nach dem Schweizer Exil jene für Wotruba typische Ver-
blockung feststellen. die sich eine Zeitlang auch in ein
Säulensystem aufgliederte. Der große Raum der Seces-
sion war fast zu klein. um die vielen und durch ihr Ge-
wicht - sowohl im materiellen als auch geistigen Sinne-
wirkenden Skulpturen voll zur Wirkung kommen zu
lassen. Die Gruppierungen waren daher mit einem Zu-
sammenrücken der Kleinplastiken gut durchgeführt. Sie
ermöglichten optimale Abstände zu den Großskulpturen.
im ersten Stock wer die Druckgraphik. hauptsächlich
Radierungen und Lithos. zu sehen. In der Akademie auf
dem Schillerplatz bestachen schon beim Eintritt die
Großfotos der Dokumentation. An Hand der Kleinplasti-
ken konnte man gut die Entwicklung verfolgen. Beson-
ders schöne Tuschezeichnungen gab es hier. Die gezeig-
ten Olbilder bewiesen allerdings. daß Wotruba alles an-
dere als ein Maler war. Modelle zu Bühnengestaltungen
und vor allem die Modelle für den Karmel von Mauer-
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bach, die später zur Gestaltung der Kirche "Zur Heilig-
sten Dreifaltigkeittt in Wien-Mauer führten. gaben einen
interessanten Einblick in diese Arbeit. Der Katalog. ein
umfangreiches Buch. das den Titel "Figur als Wider-
stand- trägt. Ist von Otto Breicha im Verlag der Galerie
Welz. Salzburg. herausgegeben und mit seinen Bildern
und Schriften zu Leben und Werk Wotrubas eine wich-
tige Publikation über den Meister. (20. 10.-23. 12. 1977)
- (Abb. 4)
Graphische Sammlung Albertina
Hubert Berchtold
Der 1922 in Vorarlberg geborene Künstler zeigte Gou-
achen. Aquarelle. Zeichnungen und Druckgraphiken. Ei-
nige frühe Aquarelle lassen noch das Herkommen von
Dobrowsky ahnen. Jedenfalls zeigen sich bald sehr ei-
genwillige Verarbeitungen. auch jener anderen persönli-
chen Begegnungen. wie Picasso. Matisse etc. Schließlich
streift Berchtold alle Erinnerungen ab und findet Anfang
der siebziger Jahre eine überaus kraftvolle. selektierende
Arbeitsweise. Ein Maler. der in Wien noch viel zuwenig
bekannt ist. (12. 10.-20. 11. 1977) - (Abb. 5)
Künstlerhaus
Bernhard Hollemann
"Umwelteindrücke in Zeichnung und Farbe- nennt der
Künstler die große Schau. Es waren neben vielen schon
gezeigten Arbeiten, mit Hollemanns tiefsinnigen und
-sinnlichen Mischwesen filmartige Bilderfolgen mit Ver-
haltensweisen unserer Gattung. auch etliche Blätter zu
sehen, die einer neueren. gelockerteren und in den Li-
nien bestimmteren Einzelheiten nachsinnenden Art ent-
sprechen und die damit einen neturalistischeren Ton an-
schlagen. (7. 12. 1977-7. 1. 1978) - (Abb. 6)
Galerie Contakt
Wander Bertoni
Es waren durchwegs Bronzen (18 Stück) ausgestellt. die.
als Folge. nach einer Reise durch Ceylon und Indien ent-
standen sind. Oft hatte man den Eindruck. Bertoni greift
auf seine in den 50er Jahren geschaffenen Formen zu-
rück. Nur sind sie hier weniger expressiv. sie sind ruhi-
ger, geschlossener. So wirkte etwa die "Hockende" ge-
radezu ausgeglichen. Wir fanden aber auch immer wie-
der Gegenüberstellungen polarer Eigenschaften. Einma-
lig und fast zum Zeichen verdichtet ist der "Baum von
Kandyk. der wohl auch thematisch in Bertonis letzte Ar-
beitsphase hineinpaßt. (12. 10.-12. 11. 1977) - (Abb. 7]
Alte Schmiede
Franz Zad razil
25 großflächige Bilder. z.T. Ol auf Holz. aber oft auch
Mischtechnik oder einfach Feder und Bleistift auf Papier,
zaubern uns eine solche verblüffend realistische Schau
von Häuserfassaden. Vorstadtbahnhofen. Geschäftsporta-
len. daß uns für das sonst Übersehene plötzlich die Au-
gen geöffnet werden. ln sorgfältig gewählten Ausschnit-
ten und nur leicht verfremdeten Farben werden hier Per-
spektiven ausgewählt. die uns unsere Umwelt in einer
dem Photorealismus nahen Art sehen lassen. Hier ist das
handfeste handwerkliche Können mit einem sehr enga-
gierten Wollen gepaart. (5. 10.-f2. 11. 1977) - (Abb. B)
Hilda Uccusic
14 Graphiken. Bleistift. Federzeichnungen und Aquarelle.
letztere nur leichte Tönungen. Lockere Blätter. die immer
wieder zeigen. daß der Strich der Malerin bewußter. fe-
ster und treffender geworden ist und daß sie mehr und
mehr mit dem Freiraum zu arbeiten vermag. Das Motiv
dieser Blätter war Sopran (Ödenburg). das vor kurzem
sein 700iänriges Stadtiubiläum feierte und das mit seinen
historischen Bauten schöne lnterieurs bietet.
(2. 11-26.11. 1977)
Galerie Kollegium Kalksburg
Ada Gsteu
Die Malerin. die bei Prof. Dobrowsky studierte. ist bis
jetzt leider mit ihren Arbeiten noch viel zuwenig vor die
Öffentlichkeit getreten. Die hier gezeigten Blätter gaben
nur einen kleinen Einblick in ihr graphisches Werk. in
dem sicher ihre Stärke zu suchen ist. Besonders einige
sehr lockere Zeichnungen. unterbrochene und immer
wiederaufgenommene Strichlagen. bei den Aquarellen
Farbflecken und Tupfer. ein Haus in Griechenland. ein
Blumenstrauß zeigen. daß da unglaublich viel in der
Hand ist und wir noch manches von ihr erwarten können.
(3.-1. 12. 1977) - (Abb. 9)
Galerie Ariadne
Siegried Anzinger. Eugenia Ftochas. Roman
Scheidl. Hubert Schmalnix und Edgar Tezak
Eine vielfältige und sehr interessante Schau, wenn auch
die einzelnen Maler von unterschiedlicher Kunstauffas-
sung und Qualität sind. Anzinger beweist sein Können
hauptsächlich in der Graphik sowohl mit lockeren
("Übung 12") als auch mit den dichten Strichen ("Kind
im Parke). Seine Farbkreidebilder und Gouachen sind
gedanklich etwas zu überladen. Die Rochas schien uns
die Schwächste in diesem Bunde. Scheidl ist ein Phanta-
stischer Realist der x-ten Welle. Schmalnix spachtelt ex-
pressive Bilder. Stilleben einfacher Gegenstände. auch
die Kreidezeichnung i-Mann mit Flügels sprach uns sehr
an. weniger die Gouachen. die im Keller hingen. Von Te-
zak. der an Paul Klee erinnert, ist besonders das Ölbild
"Ein einsam Stürzenderii hervorzuheben.
(24.10.-8. 12. 1977) - (Abb. 10) Aiois Vogel
Salzburg
Bildungshaus St. Virgil
Ankäufe der Salzburger Landesregierung
Gezeigt wurden die 1967-1977 angekauften Werke aus
dem Gebiet der Plastik. Dabei waren und sind die aus
dem Bereich der "Freien Kunstforderung- bereitgestell-
ten Mittel jeweils gebunden an die Bedingung. daß das
angekaufte Werk innerhalb der Grenzen des Bundeslan-
des Salzburg entstanden ist. Man sah also charakteristi-
sche - weil gut ausgewählte - Arbeiten von Roland von
Bohr. Ralph Brown. John Haie. Hilde Heger. Martin Hel-
minger. Karl Hittmann. Alois Lidauer. Lois Lindner, Josef
Magnus. Meta Mettig. Hans Müller. Hans Pacher. Bern-
hard Prähauser. Thomas Pühringer. Josef Rems. Max
Rieder. Franz Schmeisser. Josef Simon. Klara Tarnay-
Kutlie. Anton Thuswalder, Vera Trauberg-Tonic. Friedrich
Unterrainer und Josef Zenzmaier: alles Namen. die durch
Ausstellungen der Internationalen Sommerakademie und
der Galerien hier gut bekannt sind. (1.10.-13. 11.1977).
Albert Birkle
Monumentale Glasfenster sind nicht "mobil". man kann
sie nicht in Galerien ausstellen. Aber die hier gezeigten
57 Entwürfe auf Farbblattern erwiesen sich als hervorra-
gende Stellvertreter: sie sind wie die ausgeführten gro-
ßen Werke Birkles keine -Fenster nach außen". sie öff-
nen den Weg nach innen. zur Andacht. zur Meditation
hin. Birkles erstes großes Fenster. 1933 fur die Kirche
von Herrenberg bei Stuttgart geschaffen. wurde solcher
Forderung ebenso gerecht wie alle anderen seiner Arbei-
ten dieser Gattung in Österreich. Deutschland. England.
der Schweiz und den Vereinigten Staaten.
(13.10.-13.11.1977)
Franz Wallnöfer
Diese Werkschau zeigte wichtige Beispiele aus allen Be-
reichen des vielfältigen Schaffens des 1921 geborenen
und in Salzburg wirkenden Innenarchitekten und Desi-
gners: industrielles Styling. grafische Präsentationen
(von der Weltausstellung iiFamily of Man- bis zu den
jüngsten Ausstellungen des Dommuseums) sowie Bilder
und Fotos und auch Buch- und Plakatgestaltungen.
(17.11.-1. 12. 1977).
Salzburg Kunstverein
Flainer Fleinisch, Günter Schatzdorfer und
Peter Winkler
Eigenständige Reflexionen über die sogenannte Wirk-
lichkeit - somit eine der moglichen Spielarten zeitgenös-
sischen Kunstschaffens - waren für die Grundtendenz
dieser schön gehängten Ausstellung ausschlaggebend.
(3. 12.43. 12. 1977).
Salzburg Galerie Welz
Alfred Karger und Friedrich Danielis
Neben ausdrucksstarken Zeichnungen der beiden waren
von Karger (in den Galerieräumen des Erdgeschosses)
Ölbilder und vor allem aber hervorragende Aquarelle. von
Danielis (im ersten Stock) subtil gestaltete Pastelle und
Gouachen zu sehen. (4. 10.-1 11. 1977)-(Abb.11)
STEFAN (von Fteiswitz und Kaderzin)
Gottfried Salzmann
Die mit Objekten bestückten" Glasbilder des 1931 in
München geborenen und seit 1955 in Spanien lebenden
STEFAN erweisen ihn als einen jener Leute. die mit gro-
ßer gestalterischer Kühnheit und groteskem Humor er-
folgreich eigene Spuren im Kunstbetrieb unserer Tage
ziehen. "ars phatastica- in Reinkultur. im ersten Stock
der Galerie wurden Zeichnungen und Druckgraphik von
Gottfried Salzmann gezeigt. neue Beweise einer höchst
eigenständigen Schwarzweißkunst des bekannten Aqua-
rellisten. (3. 11.-27. 11. 1977) - (Abb. 12)
Franz Wagner